Erwartungen von Diabetologen an das Digital-Gesetz: „Digitalisierung muss Entlastung werden”

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Erwartungen von Diabetologen an das Digital-Gesetz: „Digitalisierung muss Entlastung werden”
Foto: MedTriX Group – per KI erzeugt via DALL·E
Erwartungen von Diabetologen an das Digital-Gesetz: „Digitalisierung muss Entlastung werden”

Am Digital-Gesetz des Bundesgesundheitsministeriums wird aktuell noch geschraubt. Dr. Tobias Wiesner beschreibt im Interview, wie das Gesetz gestaltet sein sollte, damit die Digitalisierung für Menschen mit Diabetes und niedergelassene Diabetologen wie ihm tatsächlich Fortschritt und Erleichterung bringt.

Dr. Tobias Wiesner ist Vorstandsmitglied der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und des Bundesverbands Niedergelassener Diabetologen (BVND). Zudem führt er eine diabetologische Schwerpunktpraxis in Leipzig.

Lieber Herr Dr. Wiesner, wie optimistisch sind Sie, dass das Digital-Gesetz pünktlich in Kraft treten wird?

Dr. Wiesner: Wichtig ist für uns in den Arztpraxen, dass eine Stetigkeit und Zuverlässigkeit in der Digitalisierung umgesetzt werden. Dazu gehört unter anderem auch, dass sowohl praktisch überprüft wird, ob Dinge, die ein Gesetz vorgibt, zu leisten sind. Andererseits aber auch ganz klare zeitliche Vorgaben ebenso erfüllt werden.

Über die letzten Jahre haben wir in den Arztpraxen viele Veränderungen auf den Weg gebracht und die Digitalisierung vorbereitet. Wir haben sowohl Hardware als auch Software angepasst oder neu angeschafft bzw. Abläufe geändert. Nicht jede dieser Änderungen ist auch in der Praxis angekommen. Dies enttäuscht natürlich. Und insofern wünsche ich mir, dass diese Zuverlässigkeit bei praktikabler Umsetzbarkeit für das Jahr 2024 nun auf den Weg gebracht wird.

Was sind für die niedergelassenen Diabetologen die wichtigsten Punkte?

Dr. Wiesner: Im Digitalgesetz sind wichtige Punkte verankert, die aus unserer Sicht notwendig für eine erfolgreiche Digitalisierung sind. Die Digitalisierung muss sowohl für den Patienten eine Verbesserung der Versorgung als auch für uns ärztliche und pflegerische Leistungserbringer eine Entlastung im Alltag bringen. Eine Mehrbelastung durch die Digitalisierung per se ist ein Anachronismus.

Insofern ist es uns wichtig, dass wir eine elektronische Patientenakte (ePA) sehen, die nicht eine Dokumentenverwaltungsakte ist. Das wäre keine Unterstützung im Alltag. Wir wünschen uns eine ePA, die Daten adäquat in einer Datenbankstruktur in der Behandlung zur Verfügung stellt. Unkompliziertes Erhalten der Informationen zu den eingenommenen Medikamenten ist natürlich etwas, was im Versorgungsprozess des Patienten eine enorme Rolle spielt und was bisher mit einem großen logistischen und zeitlichen Aufwand verbunden war. Hier eine Erleichterung zu schaffen, sorgt natürlich für eine Patientensicherheit als auch für Verordnungssicherheiten.

Wenn ich im Rahmen des BMG-Gesetzes auch in den Behandlungsprozess von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) eingebunden wäre, würde es mich umso mehr freuen, da wir diese Möglichkeit einer begleitenden Therapie des Patienten auch begleiten sollten und müssen. Das wäre meine Forderung, hier dies auch weiter zu öffnen und den therapeutischen Prozess zwischen Arzt und Patient mit zu integrieren, also Öffnung Risikoklasse IIb für DiGA.

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Hatten Sie schon Kontakt mit der Gematik, die ja den direkten Kontakt zur Ärzteschaft suchen wollte?

Dr. Wiesner: Erfreulicherweise hatten wir auf vielen Ebenen inzwischen Kontakt mit der Gematik, welche doch einen regen Austausch mit uns niedergelassenen Ärzten eingegangen ist. Auch hier freue ich mich über viele Kontakte, die über die DDG und auch über den Berufsverband geknüpft wurden und wir tiefer- und weitergehende Gespräche miteinander führen konnten und uns, gerade was die Strukturabläufe in der Praxis betrifft, Klarheit verschaffen konnten sowie auch schon bestimmte Strukturerhebungen auf den Weg bringen konnten.

Im Digitalgesetz ist viel die Rede von einem dDMP – dem digitalen Disease-Management-Programm. Was wäre der Vorteil einer solchen Digitalisierung?

Dr. Wiesner: Das digitale DMP, welches als parallele Struktur neben dem aktuellen DMP gedacht ist, wurde noch nicht in aller Konsequenz ausformuliert. Die Zeitvorgabe aus dem BMG ist zwar klar definiert. Aber hier müssen wir tatsächlich noch wichtige Inhalte mit allen prozessbeteiligten Protagonisten absprechen.

Uns erscheint es wichtig zu sagen, dass Parallelstrukturen immer Ressourcen verbrauchen werden. Insofern ist unsere/meine Forderung an ein digitales DMP, dass es bei aktuellen DMP-Prozessen beteiligt sein soll. Hier werden wir also klar formulieren, dass digitale Prozesse in die bestehenden DMP integriert werden sollten und somit die Daten aus verschiedenen und unterschiedlichen Versorgungsebenen zusammengeführt werden. Dies deckt sich auch mit der Forderung nach Interoperabilität und strukturierten Behandlungsdaten, die wir im Rahmen unseres Code of Conduct DDG formuliert haben.

Was kann schiefgehen? Immerhin ist das DMP für die Niedergelassenen essenziell.

Dr. Wiesner: Wichtig ist, dass digitale DMP in der Versorgung von Patienten, die diesen vollumfänglich kennen, erbracht werden müssen. Das heißt, dass die diabetologische Schwerpunktpraxis auch die digitalen DMP führen sollte.

Wenn andere Anbieter digitale DMP anbieten und führen, ist der gesundheitliche Ansatz einer Betreuung vom Patienten in all ihren Facetten, die eine komplexe Erkrankung, wie der Dia­betes mellitus es mit sich bringt, nicht gegeben. Insofern ist aus meiner Sicht das digitale DMP in die regionalen Vor-Ort-Strukturen des DMP zu integrieren. Auch weil die Existenz der Schwerpunktpraxen und vor allem der Schulungsberufe darauf fußt.



Interview: Manuel Ickrath

zuerst erschienen in diatec-journal 4/2023

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