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Das Echt essen-Spezial im Dezember: Rezepte für Genießer – das „Echt essen“-Festmenü, mit Gerichten aus dem „Goldenen Hirschen“ in Lenkersheim.
Begeistert bin ich von der Küche im „Goldenen Hirschen“ in Lenkersheim, dem „Echt-Essen-Gasthaus“ des vergangenen Monats. Deshalb habe ich drei Gerichte, die mir besonders gut geschmeckt haben, für ein Festmenü zu Weihnachten oder Silvester herausgesucht, ausnahmsweise statt dem gewohnten „Echt-Essen-Gasthaus“- und der Wirt und Koch Joachim Schwemmer hat die Rezepte dazu für vier Genießer aufgeschrieben. Es sind bodenständige Gerichte, die einigermaßen geübte Köche gut hinbekommen können.
Etwas ganz Besonderes erwartet Sie nach den Rezepten: Eine kulinarische Reportage der wichtigsten Produzenten, bei denen Joachim Schwemmer einkauft.
Hokaido-Kürbis waschen, halbieren, Kerne entfernen und klein schneiden. Hokaido ist der einzige Kürbis, der nicht geschält werden muss, daher lässt sich alles verwenden. Butter anschwitzen und den geschnittenen Kürbis dazugeben. Mit Gemüse- oder Fleisch-Brühe (die Gemüsebrühe ist basischer) aufgießen und mit klein geschnittenem Ingwer würzen. Je nach Menge eine viertel bis halbe Chili-Schote dazugeben.
Mit Sahne abrunden, salzen, pfeffern und mixen. Kurz vor dem Anrichten noch einmalaufschäumen. Als Einlage geröstete Kürbiskerne, Kürbiskernöl.
Eine ganze, frisch geschlachtete Ente (möglichst ein zwei Kilo schwerer Erpel) mit Salz und Pfeffer würzen. Leber und Herz oder Speck klein schneiden und mit Brotwürfeln, Petersilie einem Ei und etwas Sahne vermengen. Die Füllung in die Ente geben. Wem das zu mächtig ist, lässt in der Füllung das Fleisch weg.
Die Ente in einen Bräter legen, mit so viel Wasser füllen, dass die Ente bis zu einem Drittel bedeckt istund dann abgedeckt für rund 2 Stunden bei 180 Grad in die Röhre schieben.Danach die Flüssigkeit und das Fett in einen Topf gießen und noch rund30 Minuten “trocken” bei gleicher Hitze und offenem Deckel knusprig garen. Wenn man mit einem Holzstab ohne Widerstand in die Keule stechen kann, ist die Ente gar.
Aus dem Bratenfond und ganz wenig! (das ist wichtig, denn sonst wird der Braten schwer verdaulich) abgesetztem Entenfett sowie angerösteten Wurzelgemüsen wie Möhren, Sellerie eine Soße ansetzen. Etwas durchköcheln lassen und durch ein Sieb streichen. Salzen, pfeffern und mit Majoran oder Verdauung förderndem Beifuß vollenden.
Einen mittelgroßen Blaukrautkopf klein schneiden und mit jeweils einer TasseApfelsaft, Orangensaft, Rotwein sowieeiner halben TasseBalsamicorund zwei Stundenmarinieren und ein bis zweimal umrühren.
Wenig abgeschöpftes Entenfett in einemTopf erhitzen und 2 kleine, gewürfelteQuitten dazugeben. Einige Preiselbeeren hineingeben und alles mit einem Esslöffel Honig kurz karamellisieren. Das eingelegte Blaukraut, drei frisch zerstoßene Nelkenblüten, ein Lorbeerblatt anschließend dazu geben, salzen und sanft fertig garen, so dass das Kraut noch Biß hat. Wenn das Kraut zu trocken wird, noch einmal Wasser oder Rotwein nachgießen.
500 g mehlige Kartoffeln kochen und durchdrücken. Dann mit 100 Gramm Kartoffelmehl, einem Ei, etwas Salz zu einem geschmeidigen Teig vermischen und zu kleinen Klößen drehen. Ins kochende, gesalzene Wasser geben und rund 20 Minuten köcheln lassen.
Ein trockener Spätburgunder passt wunderbar zu diesem Gericht, etwa der 2009er „Müllheimer Sonnenhalde, Aus Alten Reben“ von Hermann Dörflinger in Müllheim, Baden (07631/2207).
Äpfel waschen und mit Schale (Bravo, lieber Joachim Schwemmer!), ohne Kerngehäuse klein schneiden. 2 Eigelb und 100 ml Apfelsaft über dem heißen Wasserbad cremig aufschlagen und die im Mixer zerkleinerten Apfelstücke dazugeben, mit möglichst wenig Zucker abschmecken und sofort ins Gefrierfach stellen.
200 ml Joghurt, 2 Eigelb, Saft von einer Limette ebenfalls über einem heißem Wasserbad cremig aufschlagen, ebenfalls mit möglichst wenig Zucker abschmecken und sofort ins Gefrierfach stellen.
Beide Eise in kurzen Abständenimmer wieder mit einem Schneebesen durchrühren, um die Eiskristalle möglichst klein zu halten.
Wem dieses Menü zu aufwendig ist, der „Goldene Hirschen“ hat auch am 2. Weihnachtsfeiertag sowie am 31. Dezember, am 1. und 2. Januar geöffnet. Bitte unbedingt reservieren unter 09841/4823.
Aus einer flapsigen Bemerkung von mir, ist eine spannende Exkursion entstanden: Als ich zu Joachim Schwemmer sagte, „das erzählen mir derzeit fast alle Wirte, dass sie praktisch nur Produkte aus der Umgebung verwenden, das kann ich gar nicht glauben“, entgegnete er: „Wenn sie sich die Zeit nehmen, trete ich bei mir den Beweis an“. Natürlich habe ich mir die Zeit genommen – und es hat sich gelohnt. Hier ein Blick auf die wichtigsten Betriebe, von denen der „Goldene Hirschen“ seine Waren bezieht.
Stütze langer Stunden: Schäferstab | Schwarzer Kopf, gutes Fleisch |
Ein Schäfer aus Leidenschaft ist Manfred Wellhöfer. Der 53jährige hat oberhalb von Lenkersheimeine Herde mit rund 350 Tieren, die aus zwei Rassen besteht, den Merino-Schafen und den Suffolk-Schafen mit ihren charakteristischen schwarzen Köpfen. Während die Merinos eher für die Landschaftspflege geeignet sind (der Verkauf der Wolle bringt kaum noch etwas ein), sind die Suffolks ein guter Fleischlieferant. Dass der Schäfer so eine hochwertige Rasse hält, ist sicher auch Joachim Schwemmer zu verdanken, der immer auf der suche nach guten heimischen Produkten ist.
Ab Mitte April ist Manfred Wellhöfer mit seinen Schafen draußen, die dann praktisch nur Gras fressen, das nicht gedüngt oder gespritzt wurde – weshalb es praktisch bestes Biofleisch ist, auch wenn sich der Schäfer die aufwendige Zertifizierung nicht leisten kann. Denn leben lässt sich nicht von der Schafzucht, tagsüber ist der Schäfer nicht auf seinen Stab gestützt, sondern arbeitet in einer nahen Gießerei. Überleben kann er nur, weil er von der Naturschutzbehörde ein wenig Geld bekommt, damit er mit seinen Schafen die Landschaft offen hält, die sonst rasch verbuschen würde.
Eigenes Heu bekommen die Schafe im Winter, wenn sie im Stall sind. Täglich muss sich um die Schafe gekümmert werden, weshalb Urlaub für den 53-jährigen ein Fremdwort bleibt. Ob deshalb sein sehnlichster Wunsch in Erfüllung geht, dass sein heranwachsender Sohn die Schäferei weiter betreibt, steht in den Sternen.
Erzeugergemeinschaft: Hans Scheuerlein und Joachim Schwemmer
Skeptisch bin ich grundsätzlich gegenüber in Gehegen gehaltenem Wild, weil es ja per se nicht „wild“ sein kann, sich nicht genügend bewegen kann, um das ernährungsphysiologisch wertvolle Fleisch zu bekommen. Revidieren muss ich meine Meinung aber, als mir Jo Schwemmer die Wildgehege Hans Scheuerlein zeigte. Denn der „Scheuerlein“, wie er nur heißt, lässt seinen Tieren ausreichend Platz, dass sie sich austoben können – weshalb ich auch kein brauchbares Foto schießen konnte, weil die Herde mit dem stolzen Bock in der Mitte immer zu weit weg war.
Diese Scheu lag auch daran, dass der „Scheuerlein“ kurz zuvor einige Rehe aus der Herde geschossen hatte, denn das Wild wird waidmännisch möglichst mit einem Schuß erlegt. Wie wichtig dieser schnelle finaleSchuß ist, erläuterte mir der 82jährige: „Ist das Tier nicht sofort tot, flieht es in Todesangst, stößt es Unmengen Streßhormone aus, sodass die Leber ganz grün wird“. Am stärksten ist dieser Effekt bei Treibjagden auf Wildsäue, weshalb Jo Schwemmer solche Tiere nie verwendet, „das kannst nicht essen“, so sein lapidarer Kommentar.
Rund 100 Tiere hat der 82jährige in drei Herden, die insgesamt eine Fläche von 10 Hektar zur Verfügung haben, was mehr als zehn Fußballfeldern entspricht. Bei so vielen Tieren kann es schon mal passieren, dass den Schwemmer ein Anruf vom Scheuerlein erreicht: „Ich musste zwei Rehe schießen, sonst werden sie zu groß. Nimmst du mir sie ab?“ Der Schwemmer nimmt ab, schließlich sieht er sich als Teil einer gemeinsamen Erzeugergemeinschaft – und er hat die Kapazitäten, um das Wild bei sich ausreifen zu lassen – und er hat die Kreativität, seine Speisekarte entsprechend umzugestalten.
Selbst geschossen: Wilder Eber | Selbst geräuchert: Schweinswürste |
Schlachttag war, als ich mit „Schwemmer, Lenkersheim“ (so stellt er sich immer vor) bei der Landmetzgerei von Angelika und Johann Sand in Flachslanden war. Das ist nichts für zartbesaitete Seelen, aber wer gerne Fleisch isst, muss auch das Schlachten akzeptieren. „Der Sand sieht schon einer Kuh im Stall an, ob sie ein gutes Fleisch bringen wird“, lobt Jo Schwemmer. Und der „Sand“ (Vornamen sind in diesem Teil Frankens eher unüblich) erläuterte mir, dass er nur Färsen kauft, das sind weibliche Rinder, die noch nicht gekalbt haben. „Dann sind sie am schönsten und schmecken am besten, wie im richtigen Leben“. Wo sie recht haben, die Franken, haben sie recht.
Der Eber, neben dem ich Johann Sand fotografiert habe, stammt übrigens nicht aus einer Treibjagd, sondern den hat der 70jährige selbst geschossen, wie er stolz erläutert. Der „Schwemmer“ kauft noch Filets bei der Landmetzgerei (sie ist eine von zwei Lieferanten für Fleisch), ich nehme ein paar geräucherte Würste mit – und bin begeistert von dem herrlichen Geschmack.
Gutes Zeichen: Der Sohn ist auch gelernter Metzger – und so wird es diesen großartigen Betrieb weiter geben, der es geschafft hat, die so schwierige Zulassung der EU-Bürokraten zu bekommen, dass er noch selbst schlachten kann. Noch ein gutes Zeichen: Einen Internetauftritt, einen Prospekt hat die Metzgerei nicht, die Namen, den Ort hat mir Angelika Sand von Hand auf einen Zettel geschrieben.
Stolzer Bock für glückliche Ziegen
Was ein Produzent: Der „Ziegenhof Schober“ in Trautskirchen. Einen pieksauberen Stall habe ich dort gesehen mit herrlich gepflegten Ziegen, die sich offensichtlich wohl fühlen, wie das Bild wunderbar beweist. Heinz Schober, ein früherer Maurer, betreibt sein Geschäft mit großer Nachdenklichkeit, zelebriert selbst bei unserem morgendlichen Überfall (er wusste nicht, dass wir kommen) die Käseverkostung wie ein Ritual. Seit 1992 stellt er mit seiner Frau ausschließlich Ziegenkäse her, ich probierte prächtige sechs Monate gereifte und einen schönen reifen Rohmilchkäse.„So etwas Gutes gibt es in ganz Spanien nicht“, sagten Gourmet-Freunde, die aber meistens auf der iberischen Halbinsel leben.
Im Wesentlichen auf Märkten in Erlangen und Nürnberg verkaufen die beiden ihre Käse. Leider gab es am Wochenanfang noch keinen Frischkäse, den Joachim Schwemmer von dort bezieht. Hartkäse nimmt er nur für sich privat mit, wahrscheinlich verkauft er lieber seine hervorragenden eigenen Desserts.
Öko-zertifiziert war die Käserei lange Zeit. Doch irgendwann wurde Heinz Schober die Bio-Bürokratie zu viel und er verzichtete auf das Bio-Siegel. Biologisch produziert er trotzdem weiter – aus Überzeugung und nicht für ein Siegel.
Frische Luft, grünes Gras, gutes Fleisch
Joachim Schwemmer passt in kein Schema: Ausgerechnet bei der staatlichen „Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft“ kauft der Hirschen-Wirt praktisch sein gesamtes Geflügel. Seine pragmatische Begründung: „Das sind die einzigen, die mir aus der Gegend hochwertiges Geflügel und Eier liefern können“. Natürlich ist das kein „normaler“ Geflügelzuchtbetrieb. Dort wird geforscht, etwa über das Sozialverhalten der Tiere, dort werden Tierwirte, Geflügelzüchter ausgebildet.
Maria Schneider ist dort ausgebildet – und sie zeigt mir den hervorragend geführten, ökologisch arbeitenden Betrieb. Ganz seltene Sorten habe ich dort gesehen, wie etwa buntgescheckte Steinhühner. Die Gänse auf der Wiese, vor denen ich Maria Schneider fotografiert habe, sind aber nicht für die Pfanne bestimmt, sondern sie dienen der weiteren Zucht. Die „Weihnachtsgänse“ werden in einem offenen Stall gemästet, damit sie ordentlich saftiges Fleisch ansetzen.
Nur wenige Wirte nehmen das Angebot der Züchter aus der Mainstadt Kitzingen wahr. „Schwemmer“ kennt die Gründe: „Die Ware muss abgeholt werden, ich muss mich danach richten, was die haben, und ich muss oft ganze, geschlachtete Tiere nehmen, das alles ist vielen zu umständlich“. Dem Hirschen-Wirt nicht, wovon seine Gäste ihren Nutzen haben.
Zweifach gebrannt, schmeckt´s am besten
Glück hatte ich bei meiner Reise mit Joachim Schwemmer: Ich erlebte nicht nur einen Schlachttag, sondern auch einen Brenntag in der heimischen Brennstätte des „Goldenen Hirschen“: „Ich brenne alles zwei Mal“, erläuterte mir Opa Schwemmer, „das verringert zwar die Ausbeute, aber der Geschmack wird runder“. Das bestätigte mir ein Glas vom frisch gebrannten Birnenschnaps, der mir auch gegen die feuchte Kälte an diesem unwirtlichen Novembertag half. Aber wer sich für das Echte interessiert, lernt auch das echte Leben kennen.
Aber nicht nur Schnaps brennen die Schwemmers selber. Sie haben auch eigene Schweine, eigenes Gemüse, eigene Streuobstbäume, deren Früchte auf den Tellern oder in der eigenen Brennerei landen.
Fazit: Was es wirklich bedeutet, seine wesentliche Ware aus der Umgebung von rund 20 Kilometern zu beziehen, das ist mir nach der Fahrt mit Joachim Schwemmer bewusst geworden. Drei Konsequenzen sehe ich:
Mehr mutige „Schwemmer“ braucht das Land!
von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
,
Internet: www.lauber-methode.de
5 Minuten
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