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Das Echt essen-Gasthaus im Mai: Ein großartiges Menü haben Klaus Neidhart, seine Frau und ihr Team vom „Gottfried“ auf den Tisch gezaubert.
Große Küche kann so einfach sein – und so gut. Drei Dinge braucht es: Einen leidenschaftlichen Koch, frische Produkte und ein gastliches Haus. Klaus Neidhart ist als Koch auf dem Höhepunkt seiner Kunst. Er kocht immer produktnäher, immer intensiver, immer schonender – und damit immer vitaler. Seine Fische im „Gottfried“ im Fischerdorf Moos in der Nähe von Radolfzell kommen direkt von den Fischern, die es schätzen, dass sich Neidhart wie kein zweiter mit den Fischen auskennt („jetzt müsst ihr Hecht essen“). Sein Gemüse bekommt er vom nahen Gemüseparadies „Höri“, sein Fleisch von ihm bekannten Bauern. Seine Frau Gerlinde Neidhart sorgt mit ihrer zurückhaltend-präsenten Art für den liebenswürdigen Service dieses rundum gastfreundlichen Hauses am See, wo es sich prächtig übernachten und im Sommer unter schattigen Walnussbäumen besonders angenehm tafeln lässt.
Sammelt selbst Wildkräuter: Klaus Neidhart | Schenkt “Dörflinger” gerne groß aus:Gerlinde Neidhart |
Einen überaus erfreulichen Anruf erhielt ich vor rund acht Jahren von Klaus Neidhart: „Obwohl ich keinen Diabetes habe, las ich ´Fit wie ein Diabetiker`, habe damit bald 20 Kilo abgenommen – und bin von dem Buch begeistert“. Als ich kurz darauf ins „Gottfried“ kam, lag da tatsächlich mein Buch zum Verkauf – und inzwischen hat Klaus Neidhart einige hundert meiner Bücher verkauft. Schon damals war ich begeistert, wie der aus Moos stammende Gastronom sich um möglichst schonende Zubereitungen bemühte – um die Vitalität der Lebens-Mittel zu erhalten. Kein Wunder deshalb, dass er in meinem Ernährungs- und Genussbuch „Schönkost“ eine prominente Rolle einnimmt – und von ihm das komplette Frühlingsmenü stammt. Eine aktuelle Version dieses Menüs bereitete Klaus Neidhart kürzlich zu – und wieder ging es darum, den „Funktionellen Faktor“ der Gerichte zu optimieren, ganz im Sinne des großen griechischen Mediziners Hippokrates: „Nahrung ist Medizin“.
Diabetiker haben es gut – sie dürfen Wein trinken, weil der Alkohol die Ausschüttung des Zuckers aus der Leber einschränkt. Was das bedeutet, erläutert der Osnabrücker Chefarzt Michael Müller: „Wir wissen aus Studien, dass das Risiko an Typ-2-Diabetes zu erkranken, bei moderatem Alkoholkonsum sinkt“. Besonders gut gelingt dieser Effekt mit trockenen Weinen, die weniger als 4 Gramm Restzucker haben. Solche wirklich durchgegorenen Weine vinifizieren nur ganz wenige. Einer der deutschen „Trockenkönige“ ist Hermann Dörflinger aus Müllheim in meiner Markgräfler Heimat. Den konsequenten Weg dieses Weinguts lobt ganz aktuell der „Stern“: „Vor 30 Jahren ist Hermann Dörflinger noch belächelt worden für die durchgegorenen, trockenen Weine, die er nach dem Prinzip Klasse statt Masse produziert. Heute spielen sein Gutedel und die im Barrique gereiften Spätburgunder in der Topliga“. Was lag also näher, als die Natur-Küche von Klaus Neidhart mit den Natur-Weinen von Hermann Dörflinger zu kombinieren. Es wurde ein großer Abend.
Bester Botschafter seiner Weine: Winzer Hermann Dörflinger | Gesunder Botschafter des Frühlings: Kräuterstrauß im „Gottfried“ |
Sieht er nicht zum „Reinbeißen“ aus dieser Wildkräutersalat? Er schmeckt auch genau so gut mit den Kräutern, die frisch gesammelt aus Natur belassenen Wiesen hinter dem „Gottfried“ stammen. Dazu ein Tatar von der Lachsforelle auf einem krossen Dinkelbrot mit einem pochierten Wachtelei – und, ja wirklich, einer gebackenen Löwenzahnwurzel (das längliche). Die scheinbaren „Unkräuter“ stecken voller fitter Vitamine, die Löwenzahnwurzel regt mit ihren sanften Bitterstoffen die Verdauung an – und viele wunderten sich, wie herrlich frische Radieschen schmecken können, jedenfalls, wenn sie auf der „Höri“ wachsen.
Wie geschaffen dazu der Dörflinger´sche 2009er Gutedel mit seinen 11,5 Prozent Alkohol. Lange rümpften die Leute die Nase über die nur im Markgräflerland so gut gedeihende Sorte Gutedel. Aber inzwischen schätzen immer mehr Menschen diesen kraftvoll-leichten Wein, vor allem wenn er so ausdrucksvoll gelingt wie der von Hermann Dörflinger aus dem Ausnahmejahrgang 2009.
Der Höhepunkt des Menüs war für viele dieser topfrische Saibling, den Klaus Neidhart im 80 Grad heißen Öl grad mal fünf Minuten pochierte – was dafür sorgt, dass die empfindlichen Eiweiße nicht gerinnen und so voll ihre Herz schützende Kraft der Omega-3-Fette ausspielen können. Wem das zu medizinisch ist, der darf sich auch allein am traumhaften Fisch mit jungem Kohlrabi, gewürzt mit aphrodisierendem Liebstöckel (Nomen es omen!) und einer himmlisch leichten, dennoch intensiven Sauce delektieren.
Damit der Fisch ordentlich schwimmen konnte, schenkte Hermann Dörflinger dazu seinen beschwingend-eleganten 2009er Weißburgunder aus – und riet in seiner begeisternden Markgräfler Art: „Do chönne Sie ruhig ä ganz große Schluck nämme“. Ich habe zwei genommen.
Ein Raubfisch ist der Hecht – deshalb hat er ein kräftiges, geschmacksstarkes Fleisch. Perfekt dazu das Topinambur-Vanille-Püree – was es auf meinen besonderen Wunsch gab, ist doch diese Erdfrucht mit ihrem mehrkettigen Kohlenhydrat Inulin (nicht Insulin) so richtig nach dem Geschmack des Diabetiker-Stoffwechsels, da es ohne dick machende Insulin-Ausschüttung vom Körper aufgenommen wird. Hört sich kompliziert an, wirkt aber zuverlässig – und schmeckt erst noch, vor allem mit der Vanille. Wahre Jubelschreie der Begeisterung löste aber das Brennesselpüree aus – auch ein natürlicher Blutzucker-Senker. Zwei Stunden haben die Neidhart-Köche daran gearbeitet, erst gesammelt, dann die Blätter gezupft, dann in der Oberprofi-Küchenmaschine PacoJet püriert, es schmeckt göttlich. Aber es braucht einen hohen Aufwand, um den Lebens-Mitteln ihre natürliche Funktionalität zu entlocken.
Was setzt Dörflinger gegen so ein geschmackliches Kraftpaket? Seine Geheimwaffe, den 2009er Chardonnay, den er aus 20 Jahre alten, damals aus Frankreich geholten Original-Reben erzeugt. Filigraner als die „Franzosen“, trotzdem ausdrucksstark, ein echter „Dörflinger“ eben.
>Fast alles bei diesem Menü stammt aus einer 20 Kilometer-Umgebung von Moos, ist also „Echt essen“. Auch der Goggel (Hahn) sollte aus der Region kommen. Aber die Bauersfrau schlachtete erst eine Woche nach unserem Essen. Aber nicht zu dogmatisch werden, sagt Neidhart, auch im Elsaß gedeihen gute Hühner, die gut schmecken. Vor allem, wenn sie mit weißem und grünen Spargel serviert werden und in den Ravioli eine köstliche Melange aus Frischkäse, Spinat und Traubenkernöl duftet und die Morcheln ihr geheimnisvolles Erdaroma beisteuern.
Der richtige Auftritt für die Grauburgunder Spätlese, leicht im kleinen Holzfaß aromatisiert. Manche störte das dezente Holz ein wenig, mir hat es gefallen, vor allem, weil ich als erfahrener Dörflinger-Genießer weiß, dass seine kraftvollen Weine noch in Jahrzehnten Finesse und Klasse zeigen, wenn viele von den Kritikern hochgejubelte Tropfen längst ihren Geist „ausgehaucht“ haben.
Auf dem nahen „Schienerberg“ liegt der Salenhof, von dem das Lamm kommt, das Klaus Neidhart nach „Oma-Art“ zubereitete: Er nutzte die „stehende, rund 80 Grad warme Hitze“ eines Kachelofens, um das Lamm in zwei Stunden so schonend-saftig zu garen, wie es auf dem Bild zu sehen ist. Wobei sein „Kachelofen“ natürlich ein modernes Küchengerät ist – aber das zeichnet ja einen großen Koch aus, traditionelle Prinzipien mit modernen Mitteln am Leben zu erhalten.
Auch gut: Klaus Neidhart erläutert diese Tricks wie beiläufig am Tisch – so muss geschickte Ernährungsberatung sein: Unterhaltend und trotzdem für den Gast behaltend. Ich bin sicher, wenn Diabetes-Schulungen im „Gottfried“ stattfänden, wären sie endlich nachhaltig!
Besonders nachhaltig auch deshalb, weil es zu diesem Gang den legendären 2007er Spätburgunder aus der Magnum-Flasche gab. Dass im südlichen Markgräflerland, wo durch die Burgundische Pforte Föhn-heiße Winde aus Frankreich hereinströmen, ein Weinklima par excellence herrscht, ist bei diesem Wein in jedem Tropfen zu riechen, zu schmecken.
Wahre Bärlauch-Wälder habe ich zusammen mit Klaus Neidhart schon per Fahrrad erkundet (rund um die „Höri“ gibt es übrigens wunderschöne Radwege – und das „Gottfried“ hat richtig stabile Räder zum Leihen). In einer besonders raffinierten Variante kam der „Frühlingsknoblauch“ in unserem Menü auf den Tisch: Als ein kaum gesüßtes Sorbet. Dazu selbstgemachte schwarze Nüsse (lassen Sie sich von Neidhart das Procedere erklären, damit Sie staunen lernen, wie komplex das Echte sein kann) und ein Ziegenfrischkäse.
Diabetiker-Herz, was willst Du mehr? Na, ja, noch einen Schluck von der 2009er Dörflinger Gewürztraminer Auslese. Wem das alles zu viel war, für den gab es noch etwas ganz Spezielles: Einen Hefeschnaps, der in meiner Heimat als Medizin gilt. In der Tat senkt er den Blutzucker dramatisch – aber Schnaps ist Schnaps und zu viel tut keiner Leber gut.
Es war ein großartiges Menü, das Klaus Neidhart und seine Frau zusammen mit der hoch motivierten und trotzdem lockeren Brigade auf den Tisch zauberten. Dazu die grandiosen Weine von Dörflinger, der allen Skeptikern zeigt, dass „trockene“ Weine keine staubtrockene Angelegenheit sind, sondern Frische, Kraft und Eleganz perfekt vereinen. 105 Euro kostete das ganze Vergnügen (und ich habe nicht alle Gänge und Weine aufgeführt) – wahrlich ein Freundschaftspreis, was auch die anwesenden Gäste so sahen. Sicher, für normal sind das fast zu viele Gänge, aber wir wollten die faszinierende Bandbreite der natürlichen Funktionalität in aller Opulenz zeigen; wollten zeigen, wie sich die dick machen Kohlenhydrate „schlank“ verpacken lassen. Für normal reichen drei Gänge – und die liegen dann bei nicht einmal 50 Euro. Wahrlich ein weiterer Grund, ins „Gottfried“ zu fahren.
„Ich wusste gar nicht, dass Gesundes so gut schmecken kann“, sagte eine Heilpraktikerin, die mir „Schönkost“ abkaufte. Doch, das geht, intelligenter Genuss macht gesund. Und „Schönkost“ ist die Bibel dieser neuen Küche. Das Schlusswort gebührt deshalb dem Düsseldorfer Diabetologen und Chefarzt der Sana-Kliniken: „Schönkost ist ein ideales Präventionsbuch, weil es auf genussvolle Weise langfristig einen sinnvollen Lebensstil propagiert“.
„Weingut Dörflinger“
Mühlenstraße 7, 79 379 Müllheim, Internet: www.weingut-doerflinger.de
von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
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Internet: www.lauber-methode.de
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