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Das Echt essen-Gasthaus im November: „Zum Goldenen Hirschen“ ist ein Familienbetrieb, dem mit Friedrich Schwemmer ein echtes Original vorsteht.
Geheimtipps bleiben nach meiner Erfahrung meistens am besten geheim. Ganz anders das fränkische Dorfgasthaus, das mir der sonst so zurückhaltende Wissenschaftler Dr. Johannes Mayer von der Uni Würzburg geradezu schwärmerisch empfahl: „Sie müssen in den ´Schwemmer`!“. In der Tat ist der „Goldene Hirschen“ in Lenkersheim genau das, was sich so viele wünschen:
Ein einfaches Gasthaus, wo sich jeder wohlfühlt, wo die gesamte Wirtsfamilie mitschafft, wo die meisten Produkte vom eigenen Hof, aus der nahen Umgebung kommen, wo ausgezeichnet gekocht wird – und wo die Preise stimmen.
Alle sind willkommen: Biker, Bauern, Bürger
Unscheinbar wirkt das efeubewachsene Haus aus dem Jahr 1730 an der Straße von Nürnberg nach Würzburg von außen. Seine wahren Werte offenbart es im Innern, wo es sich als typisch fränkisches Wirtshaus mit hölzernen Wänden, Decken, Bänken und Tischen entpuppt, wo es sich gemütlich sitzt und wo die Leute sagen „ich bin satt und zufrieden“.
Schultert Küche und Kinder: Joachim Schwemmer mit Johannes, Sophie (rechts) und Lena | Rechnet noch mit dem Kopf: Seniorchef Friedrich Schwemmer, der alles von Hand aufschreibt |
Seit 1852 ist das Haus im Besitz der Familie Schwemmer (weshalb die Einheimischen nur vom „Schwemmer“ reden), die immer auch eine eigene Landwirtschaft betrieben hat – eine Tradition, die auch der heutige Chef Joachim Schwemmer fortführt. Er ist gelernter Landwirt, kann selbst fachgerecht Tiere zerlegen – und er hat das Kochen bei renommierten Häusern gelernt, wie der „Villa Mittermeier“ in Rothenburg ob der Tauber, wovon das feine Porzellan, wovon die Stoffservietten Zeugnis ablegen.
Von der Sterneküche hat er sich das Beste abgeschaut, nämlich die Liebe zum perfekten Produkt. Und er lässt das weg, was meist nur vom Essen ablenkt, den effekthascherischen Firlefanz der geschmacksfreien Schäume, der sinnfreien Dekors. Für mich ist das eine echte Küche mit großer Zukunft, weil sie beste Qualität zu bezahlbaren Preisen bietet. Zu viel des Lobs? Dann lassen Sie sich von diesen Gerichten begeistern, die ich genossen habe:
Eine krachende Kruste hat das wohl schmeckende selbst gebackene Brot, das Gewürzöle appetitlich grün-gelb färben. Was wie ein schlichter Gartensalat aussieht, ist in Wirklichkeit ein raffiniertes kleines Kunstwerk: Die knack-frischen Blätter, etwa vom „Magenbitter“ Radicchio, sind mit feinem Balsamico angemacht. Gekrönt wird der Salat von frischen „Kartoffelchips“ aus selbst angebauten alten Sorten, wie dem berühmten „Bamberger Hörnle“ sowie gehobeltem Parmesan. Beträufelt wird das Gebilde mit einer duftenden Crème aus Rote Bete.
Hinreißend schmeckt das Ergebnis, wobei all das, was ich hier an Zutaten schildere, mit keinem Wort am Tisch erwähnt wird. Als echter Franke ist Joachim Schwemmer kein Freund großer Worte, er setzt auf die subtile Überraschung. Freudig überraschend auch der Preis für das kleine Gartenwunder: Angenehme 4,90 Euro.
Nicht nur optisch ein Genuss: Die kraftstarke Kürbissuppe mit dem Kürbiskernöl, das in dunklen Schlieren die Suppe sprenkelt. Ist das Kürbiskernöl quasi „Kürbisstandard“, so sind die grünen Schlieren wieder eine Schwemmer-Spezialität: Frisch pürierte Kräuter, die in einem Fischfond gebunden sind, weshalb sie wunderbar zum leicht geräucherten Saibling in der Suppe passen. Eine „Sucht-Suppe“, die noch besser schmeckt, wenn Sie den Preis hören: 3,90 Euro.
Eine Liste ihrer Lieferanten drucken inzwischen viele Gasthäuser ab. Aber nur wenige haben dabei so viele authentische Produkte wie der „Goldene Hirschen“. Vor allem die Fülle eigener Erzeugnisse prädestiniert den „Schwemmer“ zum „Echt-Essen-Gasthaus“: Eigene Schweine, eigenes Gemüse und das Obst von über 200 Bäumen, darunter viel vitales Streuobst. Praktisch alles Fleisch kommt von den beiden Dorfmetzgern, die Lämmer vom benachbarten Schäfer. „Ich bin hier verwurzelt, das ist mir ganz wichtig“, sagt Joachim Schwemmer, den jeder Bauer auf der Straße grüßt – und der dann auch seine Feste ganz selbstverständlich beim „Schwemmer“ feiert.
Au, backe, was für eine Backe! Sorry für diesen Kalauer, aber dieses „Zwischengericht“ war für mich der Höhepunkt: Eine butterzart pochierte Schweinebacke aus der eigenen Aufzucht. „Fast das beste Stück vom Schwein“, erklärt mir Joachim Schwemmer, und zeigt mir an eigenen Kaubewegungen, wie die ewig schmatzenden Schweine damit ihre Backen durchbluten – und ein herrlich saftiges Stück Fleisch produzieren. Hier wird deutlich, dass einer sein Handwerk von Grund auf gelernt hat, denn er zerteilt das Fleisch selbst, lässt es bei sich optimal reifen – und bringt es erst auf den Tisch, wenn es am besten schmeckt.
Als wäre das alles noch nicht genug, kredenzt der kreative Koch dazu noch ein Tomaten-Ingwer-Kompott, das er selbst mit viel verdauungsförderndem Knoblauch hergestellt hat, was das Ganze in lockere Sternenhöhen trägt – wobei der Preis von 8,90 dann wieder auf ein geerdetes Gasthaus-Niveau zurückführt.
Natürlich isst kein vernünftiger Mensch so viel wie ich an diesem Sonntag. Aber ich bin extra in das abgelegene Lenkersheim gefahren, außerdem waren wir zu zweit, um zu schmecken, was es alles gibt. Auch fällt es verdammt schwer, auf den rosa gebratenen Rücken vom Lenkersheimer Weidelamm zu verzichten, der in ein saftiges Wirsingblatt gewickelt war, den punktgenau gegarte Gemüse und kleine Röllchen aus Ziegenfrischkäse begleiteten, ein veritables Hauptgericht für 15,20 Euro.
Das teuerste Gericht auf der Karte war für 16,90 Euro der im Schweinenetz (so bleibt´s saftig) gebratene rosa Kalbsrücken vom heimischen Weidekalb, umhüllt von einer kräftigen Kräuterfarce. Dazu gab es gesunden Brokkoli und herrliche Hand geschabte Spätzle. Ihre einzigartige Kraft erlangen alle Fleischgerichte im „Schwemmer“ aber durch ihre Saucen, die eine unendliche Tiefe haben – und trotzdem leicht schmecken.
Das gelingt, weil in der Küche praktisch nur ganze Tiere verarbeitet werden – und es wird auch alles verarbeitet, also auch alle Knochen und Innereien. Daraus entsteht dann jeweils eine spezielle, intensiv reduzierte Sauce, die im Wesentlichen durch beigegebenes Gemüse gebunden wird und eine „stoffige Intensität“ hat, wie es der Koch und Familienvater nennt. Natürlich steckt in diesen Saucen auch jede Menge Säure, aber deshalb rate ich ja auch dazu, Fleisch nur selten zu essen – und dann auf den höchsten Genuss zu achten.
Sicher, Diabetes-gerechter wäre es gewesen, auf das Dessert zu verzichten. Und ich gestehe, ich habe es auch nicht ganz aufgegessen, was mir aber nicht leicht fiel. Aber die herben Zwetschgen, die hinter dem Haus wachsen, die harmonieren halt schon grandios mit den zweierlei Schokoladen, wobei natürlich die weiße Variante die deutlich zu süße ist.
Wieder ein echter „Schwemmer-Genuss“ war auch ein halbflüssiger Schokolade-Rote Bete-Kuchen auf marinierten Streuobstäpfeln mit einem erfrischenden Joghurt-Limetten-Eis. Das liest sich prächtig, das schmeckt noch prächtiger in seiner Mischung aus bodenständigem Obst und raffinierter Zubereitung.
Ungewöhnlich sind die Öffnungszeiten im „Zum Goldenen Hirschen“: Lediglich drei Tage die Woche, nämlich von Freitag bis Sonntag ab 18 Uhr, wobei am Sonntag auch mittags auf ist. Das hängt damit zusammen, dass unter der Woche einfach nicht genug Gäste da sind (wobei für Gruppen ab 10 Personen nach Absprache gerne geöffnet wird). Dafür ist es dann am Wochenende aber krachend voll, „da sind wir zu 100 Prozent ausgelastet“, meint der Wirt.
Als ich am Sonntag Mittag da war, hatte ich den Eindruck zu 150 Prozent, aber dann dauert es halt was länger – was nur die Vorfreude auf das Kommende steigert. Außerdem gibt es äußerst gastfreundlich kalkulierte Getränke zur „Überbrückung“, etwa eine Flasche Wein ab 15 Euro, wobei ich den trockenen Silvaner vom Weingut Hofmann aus dem benachbarten Ipsheim empfehle. Und nach dem Essen lohnt sich der selbst gebrannte Schnaps von Friedrich Schwemmer, dem Opa, der präzise das aufwendige Brennverfahren erläutert.
Ein echtes Original ist der Friedrich Schwemmer, der gerne mit den Gästen redet, jeden fragt, „wo kommt ihr her?“ – eine einfache und effektive Kundenanalyse. Außerdem hat er für jeden Tisch einen großen Zettel, wo alles drauf steht – und wo beim Bezahlen jeder Posten abgestrichen wird. Während die Mutter von Joachim Schwemmer in der Küche hilft, leitet seine Frau den Service – und die beiden Töchter helfen schon mal beim Abräumen – ein echter Familienbetrieb eben.
Ein Familienbetrieb, den es ganz gewiss auch in Zukunft noch geben wird: Denn als wir bald die einzigen Gäste im Lokal sind, kommt der 3-jährige Steppke Johannes und sagt: „Jetzt müsst ihr aber gehen“ – und fügt ganz kommender Wirt hinzu: „Aber vorher müsst ihr noch bezahlen“.
Hier gibt´s nur ein Programm: Bewährte Tradition | Der Hirsch ruft: Wirtshausschild vom „Schwemmer“ |
von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
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Internet: www.lauber-methode.de
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