Diabetes Typ F: Interview mit einer besten Freundin

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Diabetes Typ F: Interview mit einer besten Freundin

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Wie und wann hast du von meinem Diabetes erfahren?

Dass du Diabetes hast, habe ich mehr oder weniger nebenbei erfahren. Um ehrlich zu sein, kann ich mich gar nicht richtig daran erinnern. Es gab keinen Schock-Moment nach dem Motto: „Oh mein Gott, du bist Diabetikerin?“
Und weil du dich auch niemandem mit „Hallo, ich bin Lisa und habe Diabetes!“ vorgestellt hast, kam es irgendwann einfach so heraus. Du hast es nie verheimlicht, aber bist damit auch nicht hausieren gegangen. Ich fand das immer ziemlich beeindruckend.

Was hast du damals gedacht/Was wusstest du vorher über den Diabetes?

Mein Bruder hatte einen guten Freund, mit dem er früher viel Zeit verbracht hat – der hatte auch Diabetes. Er musste immer Diabetiker-Schokolade essen und sich Insulin spritzen. Deshalb kannte ich das schon etwas. Und unsere Nachbars-Oma, wir nannten sie immer Tante Emmi, die hatte auch Diabetes. Allerdings Typ 2. Bei der Silberhochzeit meiner Eltern 1997 gab es Kuchen speziell für Diabetiker. Ich wusste schon da, dass in diesem Kuchen weniger Zucker drin war.
Diabetes war mir also auch schon vorher bekannt. Ich wusste, dass es Menschen gibt, die es haben, auch, dass es verschiedene Formen gibt und, am allerwichtigsten, dass man damit gut leben kann.

Und wie war es letztendlich? Was hat der Diabetes für eine Rolle gespielt?

Um ehrlich zu sein: keine besonders große Rolle! Zumindest, solange wir pubertäre Teenager waren. Das gehörte zu dir, es war also eine Art Nebendarsteller. Es hat uns aber nie aufgehalten bei allem, was wir uns vorgenommen hatten.

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War ich durch meine Krankheit irgendwie anders als die anderen oder wurde anders behandelt?

Überhaupt nicht!
Du hast dich nie in ein Schneckenhaus verzogen, dir war es nie unangenehm (zumindest hast du dir das nie anmerken lassen) und du bist sehr offen damit umgegangen. Es war manchmal sogar irgendwie cooler als bei anderen. Zum Beispiel haben wir dich im Krankenhaus besucht, als du einen längeren Aufenthalt hattest. Es hat Spaß gemacht, den Besuch vorzubereiten und zu sehen, wie du dich freust.

Gab es etwas, das wir nicht zusammen machen konnten?

Überhaupt nichts! Konzerte, Partys, Reisen – das war alles kein Problem!

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Gab es brenzlige Situationen (in der Schulzeit)?

Ich kann mich nicht wirklich an etwas Gefährliches erinnern. Es kam immer mal wieder vor, dass du eine Unterzuckerung hattest. Wirklich dramatisch waren die, die ich miterlebte, nie.

Änderte sich dann etwas, als du mit mir zusammengezogen bist?

Zwangsläufig ja. Ich bekam mit, wie sehr du die Krankheit hast schleifen lassen. Du warst sehr unzufrieden mit dir. Das spürt man dann doch eher, wenn man mit jemandem zusammenwohnt. Es hat aber unheimlich viel Spaß gemacht, mit dir zusammenzuwohnen.

Wie ist das Zusammenleben mit einer Diabetikerin?

Manchmal roch es nach Insulin, im Mini-Kühlschrank liegt im Butterfach das Insulin, manchmal fand man einen Teststreifen in deinem Zimmer. Da wir uns aber schon so lange kannten, waren das alles keine Überraschungen für mich. Du bist ja ein ganz normaler Mensch – wobei mir das Insulin im Butterfach heute ein bisschen fehlt.

 

Du hast mich damals gefunden, als ich ins Koma gefallen bin. Das war mit Sicherheit eine schwierige Situation. Aber du hast richtig reagiert. Wie hast du reagiert? War das alles intuitiv oder wusstest du genau, was zu tun ist?

Ich hasse es, wenn es jemandem schlecht geht, den ich mag. Ich mache mir meistens zu viele Sorgen.
Aber ich kenne dich ja auch und wusste, dass du auch gern mal etwas herunterspielst.
Noch heute denke ich manchmal: „Hätte ich dich doch nur morgens ins Auto gepackt und wäre mit dir ins Klinikum gefahren!“
Der Notarzt war ja da, leider waren es wohl die inkompetentesten Ärzte aus ganz Kassel – wenn nicht sogar aus ganz Deutschland.
Ich weiß noch, dass du unfassbar schwer atmen konntest. Deshalb riefen wir ja den Notarzt: Du wärst die Treppe nicht mehr rauf- oder runtergekommen.
Nachdem die Ärzte weg waren, wolltest du dich ausruhen. Ich war in meinem Zimmer, hörte ab und an, wie du auf Toilette gingst – und du bist wirklich auffällig oft über den Flur gelaufen.
Irgendwann liefst du nicht mehr über den Flur. Es muss so zwischen 15 und 17 Uhr gewesen sein. Ich wunderte mich und ging in dein Zimmer. Du lagst auf dem Bett, hattest weißen Schaum vor dem Mund. Ich versuchte, dich zu wecken, du hast aber kein bisschen reagiert und nur komische Geräusche von dir gegeben.
Ich hätte am liebsten geheult, aber ich war viel zu aufgewühlt, um zu weinen. Ich rannte auf den Flur zum Telefon und drückte, ohne viel nachzudenken, 112.
Ich sagte: „Hallo! Es ist mir total unangenehm, ich habe heute Morgen schon einmal angerufen! Meine beste Freundin ist Diabetikerin! Sie liegt auf dem Bett und bewegt sich nicht mehr und hat Schaum vorm Mund! Bitte kommen Sie schnell!“ Der Mensch am Telefon versuchte, mich etwas zu beruhigen, und sagte mir, dass sie sofort jemanden schicken.
Die Zeit zwischen Anruf und Ankunft der Sanitäter müssen die längsten 7 Minuten meines Lebens gewesen sein.
Ich rannte durch die Wohnung, schaute aus dem Fenster, schaute nach dir, versuchte, dich wach zu bekommen – aber es half nichts. Ich setzte mich zur dir auf das Bett und redete mit dir.
Dann klingelte es endlich! Die Sanitäter kamen, packten alles aus und endlich kümmerte sich jemand um dich! Sie stellten mir so viele Fragen, wie alt du bist und was passiert ist, und ich erzählte ihnen alles, was ich wusste.
Irgendwann stand ich da, mitten im Zimmer. Da kamen mir dann tatsächlich mal die Tränen.
Einer der Sanitäter versuchte, dir etwas Blut abzuzapfen, um deinen Blutzuckerwert zu bestimmen. Erst kam kein Blut und dann war der Wert nicht mehr messbar. „Oh je, die ist high!“, sagte einer von ihnen.
Einer der Sanitäter telefonierte dann wild herum, bis er ein freies Bett auf einer Intensivstation gefunden hatte.
„Wir nehmen sie jetzt mit ins Krankenhaus!“
Ich fragte, ob ich mitkommen kann, aber sie wollten mich erst nicht mitnehmen. Ich bat und redete einfach so lange, bis sie mich mit dir mitfahren ließen.
Im Krankenwagen hat es sehr nach Aceton gerochen. Auch in unserer Wohnung war dieser Geruch sehr stark. Ich habe mich geärgert, dass mir das vorher nicht aufgefallen ist. Anscheinend hatte ich mich in den vergangenen Wochen aber dran gewöhnt.
Es muss einfach intuitiv gewesen sein! Das Einzige, was ich gedacht hatte, war: Notarzt! Man fühlt sich unfassbar hilflos, aber das geht wahrscheinlich jedem so, der seine beste Freundin bewusstlos findet, egal ob sie nun Diabetes hat oder man sie aus irgendeinem anderen Grund bewusstlos vorfindet.

Hat sich danach deine Sicht auf den Diabetes oder unser Verhältnis geändert?

Die Sicht auf die Krankheit Diabetes ja! Es war immer so eine Krankheit, „an der man ja nicht sterben kann“. Ich weiß, dass es wirklich gefährlich werden kann und dass damit nicht zu spaßen ist. Natürlich ist es wichtig, dass man alles mit etwas Humor sieht, man muss aber auch erkennen, wann es ernst wird.
Ich glaube, dass unser Verhältnis durch diesen Vorfall noch mehr gestärkt wurde. Auch wenn uns 200 km trennen, sind wir uns immer noch näher als manch andere Menschen, die Tür an Tür leben.
Und wenn ich schon jemandem das Leben rette, dann ja wohl dir!

Was macht einen guten Typ-Fler aus?

Viel Verständnis, auch Durchhaltevermögen und einfach da zu sein, wenn man gebraucht wird.

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Du bist der perfekte Typ F. Hast du Tipps für andere Typ-Fler?

Hmm… besonders gute Tipps kann ich gar nicht geben. Wenn man eine Person, die zufällig Diabetes hat, mag, dann wird man schon den richtigen Weg finden, um sie damit zu unterstützen.

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