3 Minuten
Bisher galt ein Zielblutdruck von unter 140/90 mmHg – gemäß dem Motto „one fits all“. Auf Basis neuer Studienergebnisse hat nun die Deutsche Hochdruckliga e.V. (DHL) diese Empfehlung überarbeitet und für Herz-Kreislauf-Risikopatienten einen neuen Zielbereich festgelegt.
Die Deutsche Hochdruckliga e.V. (DHL) senkt den Zielblutdruck für kardiovaskuläre Risikopatienten auf unter 135/85 mmHg. Zu ihnen zählen:
Für die anderen bleibt der bisherige Zielwert von unter 140/90 mmHg bestehen.
Im Spätsommer 2015 wurde die vorzeitige Beendigung der SPRINT-Studie [1] („Systolic Blood Pressure Intervention Trial“) mitgeteilt, bei der es in der intensiver behandelten Blutdruckgruppe zu deutlich weniger kardiovaskulären Ereignissen und Todesfällen kam. Die SPRINT-Studie war eine multizentrische, randomisierte, kontrollierte Studie an Hypertonikern, die als Standardziel einen systolischen Blutdruck von <140 mmHg anstrebte und als Intensivziel einen systolischen Blutdruck von <120 mmHg.
Insgesamt nahmen 9.361 Hypertoniepatienten mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko teil. Diabetiker waren in dieser vom National Institute of Health (NIH) pharmaunabhängig finanzierten Studie allerdings ausgeschlossen. Verschiedene Studien an Diabetikern wie die ADVANCE- [2] oder ACCORD-Studie [3] hatten zuvor keinen Nutzen einer strengeren Blutdrucksenkung gezeigt.
„Die Deutsche Hochdruckliga hat daher die Zielwerte ausschließlich für die Patientengruppen abgesenkt, die im Rahmen der SPRINT-Studie untersucht worden waren. Nur hier liegt eine harte Evidenz vor, dass die Patienten von der strengeren Blutdrucksenkung profitieren. Das Ergebnis lässt sich aber nicht einfach auf alle anderen Patientengruppe übertragen“, so DGfN-Kongresspräsident Professor Bernhard K. Krämer, Mannheim. „Deshalb können wir auch nicht mehr einen einzigen Richtzielwert für alle herausgeben.“
Der Experte führt aus, dass Bluthochdruck ein komplexes Erkrankungsbild ist, insbesondere wenn die Erkrankung eine von mehreren bei multimorbiden Patienten ist. Auch müsse immer die individuelle Konstitution, des Patenten berücksichtigt werden, denn selbst in der SPRINT-Studie war die Nebenwirkungsrate der tieferen Blutdrucksenkung nicht unerheblich: So traten hypotensive Phasen (Blutdruckwerte unter 100/60 mmHg; Anm. d. Red.), Synkopen (kurz andauernde Bewusstlosigkeit; Anm. d. Red.), Elektrolytveränderungen und akutes Nierenversagen häufiger unter intensiver Blutdrucksenkung auf.
Um Synkopen möglichst zu vermeiden, kann der Patient leicht auf das Vorliegen einer orthostatische Hypotonie (Schwindel durch zu schnelles Aufrichten; Anm. d. Red.) getestet werden; so sollte nach einer Minute Stehen der systolische Blutdruck nicht unter 110 mmHg liegen.
Professor Krämer plädiert daher für eine individualisierte Therapie. „Nutzen und Risiko einer intensiveren Blutdrucksenkung sollten bei jedem einzelnen Patienten gegeneinander abgewogen werden.“ Auch räumt er ein, dass die Zielblutdruckverschiebung angesichts der hohen Rate an Patienten, die auch die „großzügigeren“ Werte von 140/90 mmHg nicht erreichen, zunächst als eine akademische Diskussion erscheinen mag.
„Dennoch wollten wir handeln und ein deutliches Signal mit der Zielwertanpassung geben. In SPRINT brachte die systolische Blutdrucksenkung auf etwa 130 mmHG – was in der Studie realiter erreicht worden war – eine Risikoreduzierung von 25%. Das heißt, jedes vierte Ereignis konnte bei den untersuchten Herz-Kreislauf-Risikopatienten verhindert werden. Wenn diese Patienten eine höhere Absenkung bei vertretbarem Risiko tolerieren, müssen wir sie auch in diesen Zielwertbereich bringen.“
Ende August 2017 erschienen im New England Journal zwei neue Subanalysen der SPRINT-Studie [4, 5] einer intensivierten Hypertonietherapie:
Die erste untersuchte, ob die Patienten niedrigere Wert tolerieren. Wie sich zeigte, erreichten die Patienten unter intensivierter Bluthochdruckbehandlung (unter 120 mmHg) bezüglich Depressionen (PHQ-9), physischer (PCS) und mentaler (MCS) Leistungsfähigkeit (erhoben mit Fragebögen) vergleichbare Werte wie die Patienten unter der Standardbehandlung. Dies galt auch für ältere sowie multimorbide Patienten. Auch Adhärenz und Patientenzufriedenheit unterschieden sich nicht zwischen den Gruppen und blieben im Verlauf der Studie konstant [4].
Die zweite Analyse [5] bewertete die Kosteneffektivität einer intensivierten Bluthochdruck-Behandlung (in einer Computersimulation). Im Ergebnis zeigte sich, dass zwar höhere Kosten durch einen höheren Medikamentenverbrauch, durch monatliche Arztbesuche und Blutkontrollen entstanden, die intensivierte Therapie aber dennoch kosteneffektiv war. Den höheren Kosten wurden mehr QALYS (mehr Lebensjahre bei guter Gesundheit) und Ersparnisse durch nicht eingetretene kardiovaskuläre Ereignisse gegenübergestellt.
„Natürlich erfordert die sprintkonforme Behandlung der Hypertonie zunächst einmal die Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel“, erklärt Professor Krämer. „Die Mehrkosten werden aber längerfristig durch das Auftreten von weniger kardiovaskulären Ereignissen bzw. den daraus entstehenden teuren Akuttherapien nivelliert. Das Wesentliche ist aber: Wir retten damit Leben!“
Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie e.V. (DGfN)
5 Minuten
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Beliebte Themen
Ernährung
Aus der Community
Push-Benachrichtigungen