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Stellen wir uns eine Skala von 1 bis 10 vor. 1 ist gleichbedeutend mit „easy peasy“ und 10 steht für „holy moly“. Wenn ich selbst unterzuckere, befinde ich mich – zumindest in den allermeisten Fällen – auf dieser Skala bei 3 bis 5, rein von der körperlichen Dramatik her betrachtet. Psychisch ist das nochmal was ganz anderes. Dieser 3- bis 5-Zustand tritt nun zum Beispiel während eines Spazierganges bei einem Blutzuckerwert von +/- 60 mg/dl (3,3 mmol/l) ein und ich denke: „Ümpf, Essen, Ümpf!“ oder etwas ähnlich Geistreiches. Ich habe allerdings nicht das Gefühl, in einer wirklich heiklen Situation zu sein – wie gesagt, ich spreche von 08/15-Hypoglykämien, die es in meinem Diabetes-Leben leider häufiger gibt.
→ Wenn ich in solch einem Moment in Gesellschaft bin, will ich nicht, dass sich andere Personen mehr Stress machen als ich mir selbst.
Wird schon alles, geht vorbei, aber 10 Belgische Waffeln wären jetzt halt echt großartig. Und sorry, dass ich mich etwas komisch verhalte:
Durch den Kontakt mit anderen Typ-1-Diabetiker*innen habe ich die Situation kennengelernt, dass mein Gegenüber unterzuckert ist und ich – zumindest für den Moment – die Person mit Blutzuckerwerten im Normbereich bin. Und dabei werde ich zu einem kleinen Traubenzucker-Diktator, zu einer Art „Hypo“ -Sirene und vor allem zu der einzigen Person, die wirklich weiß, was Sache und zu tun ist – in meiner Wahrnehmung zumindest.
Es macht mir Angst, wenn die Blutzuckerwerte meiner Diabetes-Freund*innen nicht gut sind. Und es macht mir noch mehr Angst, wenn sie nicht sofort so reagieren, wie ich es tun würde.
→ Herauszufinden, ob ein Mensch mit Diabetes wirklich noch rational handelt oder ob die Hypoglykämie längst das Steuer der Verwirrtheit in der zittrigen Hand hält, ist schwer.
Es ist so schwer, dass es, meiner Meinung nach, nicht einmal unter Diabetiker*innen selbst ohne Probleme eingeschätzt werden kann. Und das, obwohl wir als Betroffene wissen, was gerade passiert. Wir wissen das aus eigener Erfahrung, aus individueller Wahrnehmung, von den Symptomen, die uns selbst während einer Unterzuckerung begleiten und eben durch unseren Diabetes. Aber in Wahrheit weiß ich genau so wenig wie ein gesunder Mensch, wie sich eine Unterzuckerung bei einer anderen Person mit Diabetes anfühlt.
Aber was ist die Lösung, wenn die Person, die gerade von einer Hypoglykämie (oder Hyperglykämie oder einem ganz anderen Problem wie zuhause vergessenem Insulin) betroffen ist und ich mit Traubenzucker, Wasser, Insulin oder ganzen Sanitäterkolonnen um mich schmeißen möchte, mein Gegenüber das aber alles nicht will? Was hilft?
Ich habe die Skala von 1 bis 10 durchgespielt und manchmal sagte ich dabei, dass alles im grünen Bereich sei, dabei war Alarmstufe Rot. Und das darf ich nicht. Das darf niemand, der noch klar denken kann. Ich will niemandem Sorgen machen und trotzdem muss ich ehrlich sein. Ich muss sagen, was Sache ist, und im Zweifel Hilfe einfordern, auch wenn es Kraft (und Mut) kostet.
Es hilft Vertrauen. Ob in einer familiären Beziehung mit einem Menschen mit Diabetes, in einer Freundschaft oder nur auf oberflächlicher Ebene: Richtig handeln kann jeder nur, wenn er auf das, was ihm gesagt wird, vertrauen kann.
→ Hypoglykämien sind unangenehm, anstrengend
und verlangen Verantwortungsbewusstsein.
Darum bin ich bei mir selbst so viel ruhiger, wenn das Messgerät einen Wert unter 60 mg/dl (3,3 mmol/l) anzeigt. Niemand weiß in dem Moment besser als ich, wie dramatisch es sich anfühlt und ob da noch klares Denken mitmischt oder ob ich innerlich schon den Ententanz als Opernstück einstudiere. Bei mir sind wenige Unterzuckerungen wirklich besorgniserregend. Sie sind nur einfach unangenehm, anstrengend und verlangen Verantwortungsbewusstsein. Damit der Betroffene und jeder drumherum gar nicht erst in Panik verfallen muss, solange es (noch) nicht nötig ist.
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