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Was bedeutet die Diagnose Typ-1-Diabetes für Betroffene und die Angehörigen und was ist zu tun? Dr. Schmeisl klärt auf im Diabetes-Kurs.
Die Diagnose Diabetes trifft die Betroffenen und deren Familien oft wie ein Naturereignis, besonders, wenn es sich um Kinder handelt. Für Eltern ist es oft wie ein Schock, der nach wie vor oft Anlass gibt zu Verzweiflung, Trauer und auch manchmal zu Selbstvorwürfen – obgleich doch nahezu überall bekannt ist, dass man diese Erkrankung mit Insulin sehr gut behandeln kann.
Sind Kinder betroffen, dann kommt häufig die Frage hinzu: Warum?Warum gerade unser Kind? Dies sind sehr verständliche Fragen – die Reaktionen ebenfalls. Diese Reaktionen müssen auch durchlebt werden können. Durch behutsame Aufklärung und Erlernen des Umgangs mit dieser Erkrankung (Trauerarbeit) kann diese schließlich akzeptiert werden – sie gehört schließlich dazu!
Der Typ-1-Diabetes ist im Vergleich zum Typ-2-Diabetes eine seltene Erkrankung, aber die Anzahl der Erkrankten nimmt zu – ohne eindeutige Erklärung und Jahr für Jahr – besonders auch bei Kindern und Jugendlichen.
Der Typ-1-Diabetes ist eine chronische Autoimmunerkrankung, betroffen sind die Betazellen in den Langerhansschen Inseln der Bauchspeicheldrüse (Pankreas): Das bedeutet, dass in den meisten Fällen der Erkrankung unser eigenes Immunsystem eigene Zellen des Körpers, wie die Betazellen, oder deren Bestandteile angreift; normalerweise hilft es, von außen kommende Krankheitserreger abzuwehren.
Im Kindesalter werden von unserem intakten Immunsystem z. B. Schnupfen-Erreger abgewehrt oder Windpocken-, Rötelnviren und andere Infektionserreger. Bei der Autoimmunkrankheit Typ-1-Diabetes sind die Antikörper aufgrund einer Fehlsteuerung gegen die eigenen Betazellengerichtet. So findet man im Blut von Typ-1-Diabetikern Autoantikörper gegen die eigenen Betazellen und auch gegen das eigene Insulin und Zellbestandteile: (Autoantikörper, siehe folgenden Kasten).
Über Wochen, Monate oder sogar Jahre führt diese Selbstzerstörung zu einer steten Abnahme der Betazellmasse und schließlich zu den Symptomen des Diabetes – aber erst, wenn 80 bis 90 Prozent der Betazellen zerstört sind. Die genaue Ursache ist bis heute nicht bekannt. Vererbung und Umwelteinflüsse (Ernährung) scheinen eine Rolle zu spielen.
Nicht selten sind die ersten Zeichen eines Typ-1-Diabetes häufiges Wasserlassen (Polyurie), übermäßiges Trinken (Polydipsie, oft mehrere Liter am Tag), nächtliches gehäuftes Wasserlassen (Nykturie) und eine rasche Gewichtsabnahme. Diese ist nicht selten Anlass, bei älteren Menschen eine Krebsdiagnostik zu veranlassen.
Weitere Beschwerden sind häufige Infekte (z. B. Blase, Vorhaut des Penis, Haut), Juckreiz sowie Leistungsschwäche, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen. Manchmal tritt auch vorübergehendes schlechteres Sehen auf, weil sich die Brechkraft der Linse am Auge durch Wasserentzug ändert.
Treten zu den genannten Beschwerden noch Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen oder Muskelkrämpfe und eine beginnende Bewusstseinsstörung auf, dann bahnt sich bereits ein ketoazidotisches Coma diabeticum an. Durch den absoluten Insulinmangel baut der Körper keinen Zucker mehr ab, sondern Fett – wodurch es im Rahmen einer unvollständigen Fettverbrennung zur Bildung von Ketonkörpern (wie Azeton) kommt. Dies führt schließlich zur Bewusstseinstrübung und zu süßlichem Geruch der Ausatemluft.
Im Urin und im Blut findet man dann stark vermehrt Ketonkörper (die man mit Teststreifen messen kann). Diese zusammen mit den hohen Blutzuckerwerten (z. B. 350 mg/dl oder 19,4 mmol/l) ergeben die Diagnose diabetisches Koma. Eine sofortige Klinikeinweisung ist meist notwendig oder sinnvoll: Insulin, Blutsalze und Flüssigkeit müssen ersetzt werden, da diese Situation auch lebensgefährlich sein kann.
Die Diagnose wird gestellt anhand des Blutzuckerverlaufes, des Nachweises von Ketonkörpern (Urin, Blut) und eventuell zusätzlich durch den Nachweis von Insel-Autoantikörpern – dies ist jedoch bei typischem Verlauf nicht zwingend erforderlich.
Nach dieser akuten Phase erholen sich die restlichen, noch vorhandenen Betazellen oft wieder (ca. 10 bis 20 Prozent), so dass manchmal sogar für einige Monate ganz auf Insulin verzichtet werden kann (bzw. könnte) – bei entsprechender Ernährung und Bewegung. Dies wird auch als „Honeymoon-Phase“ bezeichnet.
Manche Patienten glauben dann fälschlicherweise, dass der Diabetes jetzt wieder weg sei. Man sollte deshalb, trotz des sehr geringen Insulinbedarfs, mit kleinen Mengen Insulin weiterbehandeln, um nicht eine erneute Situation mit akuter Stoffwechselentgleisung zu provozieren. Sind schließlich die restlichen 10 bis 20 Prozent der Betazellen durch unser eigenes Immunsystem zerstört, muss spätestens ab jetzt regelmäßig auf Dauer Insulin gespritzt werden.
Bei der Neuentdeckung eines Typ-1-Diabetes muss immer an andere Formen des Diabetes gedacht bzw. diese müssen ausgeschlossen werden – besonders wenn die Diagnose nicht eindeutig ist.
Der LADA ist ein Autoimmundiabetes, der meist nach dem 35. Lebensjahr auftritt. Er ist eine besondere Form des Typ-1-Diabetes im Erwachsenenalter: LADA (late autoimmune diabetes of the adult). Die Patienten sind meist schlank, der Krankheitsverlauf ist langsam. Der Insulinbedarf nimmt oft erst spät zu, der Diabetes wird oft als Typ-2-Diabetes verkannt und länger mit Tabletten behandelt.
Der Nachweis von Antikörpern wie ICA und GADA (siehe Info-Kasten weiter oben) wird zur Abgrenzung zum jugendlichen Typ-1-Diabetes empfohlen – ein negativer Befund schließt jedoch eine Erkrankung nicht zu 100 Prozent aus. Dies ist in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der UKPD-Studie, die gezeigt hat, dass das Auftreten der verschiedenen Antikörper altersabhängig ist. So wird vor dem 10. Lebensjahr ein Screening mit IAA und GADA empfohlen, danach nur noch mit GADA allein.
1 bis 2 Prozent aller Diabetiker in Deutschland haben einen Diabetes vom Typ MODY, sprich: einen Erwachsenendiabetes, der im Jugendalter auftritt. Der Vererbungsweg ist genau bekannt. Die Patienten sind meist schlank und erkranken vor dem 25. Lebensjahr; durch genetische Untersuchungen kann die Diagnose gesichert werden. Meist reichen eine entsprechende Ernährung und die Gabe oraler Antidiabetika zur Behandlung aus.
Eine Vorbeugung des Typ-1-Diabetes ist zwar schon in zahleichen Varianten versucht worden – die gegenwärtigen Präventionstherapien befinden sich jedoch nach wie vor im Experimentierstadium. Spezielle Forscherteams stellen sich insbesondere folgenden Aufgaben:
Eine sichere Prävention bzw. Heilung des Typ-1-Diabetes scheint jedoch durch spezielle Immuninterventionen nicht mehr ausgeschlossen. Bis dahin ist eine adäquate Insulintherapie der nach wie vor eindeutig beste Weg.
Kontakt:
Internist/Angiologe/Diabetologe, Chefarzt Deegenbergklinik, Burgstraße 21, Tel.: 09 71 / 8 21-0, 97688 Bad Kissingen sowie
Chefarzt Diabetologie Klinik Saale (DRV-Bund), Pfaffstraße 10, Tel.: 09 71 /8 5-01, 97688 Bad Kissingen
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2012; 61 (2) Seite 32-35
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