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Auf den Markt der Diabetestherapien drängen sich in den letzten Jahren viele neue technische Weiterentwicklungen. Aber was passiert eigentlich auf Seiten der Medikamente? Was können wir in den nächsten Jahren erwarten? Wie wird sich die Therapie vielleicht verändern? Dr. Matthias Axel Schweitzer, Medizinischer Direktor Novo Nordisk Deutschland, gibt einen Blick durch das Schlüsselloch.
Dr. Matthias Axel Schweitzer im Interview mit Diabetes-Journal-Redakteurin Lena Schmidt.
Diabetes-Journal (DJ): Mit Fiasp hat Novo Nordisk das erste ultraschnelle Insulin auf den Markt gebracht. Gibt es in diese Richtung neue Entwicklungen?
Dr. Matthias Axel Schweitzer: Mit Fiasp (schnell-wirksame Insulin-Aspart-Formulierung) haben wir unser bewährtes NovoRapid (Insulin aspart) in einer neuen Formulierung zur Verfügung gestellt. Fiasp wird schneller in den Blutkreislauf aufgenommen als beispielsweise NovoRapid. In den Entwicklungsstudien (ONSET-Studien) haben wir gesehen, dass die Blutzuckerwerte nach Mahlzeiten, also die postprandialen Blutzucker, weiter gesenkt werden konnten als mit NovoRapid.
Neu ist z. B., dass es Fiasp in diesem Jahr auch als PumpCart, also als Fertigampulle für Insulinpumpen, geben wird. Außerdem konnten wir die Wirkung von Fiasp in einer neuen Studie nun mit kontinuierlichen Glukosemessungen beobachten. In dieser Studie konnten wir zeigen, dass die „Time in Range“ (TiR) nochmal verlängert werden konnte, einfach mit der Umstellung von NovoRapid auf Fiasp. Hier sehen wir ganz klar die Vorteile, die sich durch das schnellere Verfügbarsein des Insulins in den ersten 30 bis 60 Minuten ergeben.
DJ: Gibt es Entwicklungen mit Fiasp und neuartigen (Hybrid-)Closed-Loop-Systemen?
Schweitzer: Ja, ich bin sehr gespannt auf die Studienergebnisse, die wir mit verschiedenen Zentren mit Fiasp und Closed-Loop-Systemen machen. So können die Algorithmen für Closed-Loop-Systeme noch mal angepasst und verbessert werden. Das wird insgesamt, glaube ich, noch einmal zu einer Verbesserung bei der Behandlung von Menschen mit Typ-1-Diabetes beitragen.
DJ: Glukosesensitives Insulin oder auch „smartes Insulin“ ist in aller Munde. Wie weit sind hier die Entwicklungen von Novo Nordisk?
Schweitzer: Das ist natürlich unsere Vision und das große Ziel, Insulin zu entwickeln, das die Dosierung selbstständig macht. Wir haben 2018 mit Ziylo ein Unternehmen übernommen, welches eine Plattform für glukosebindende Moleküle hat. Das braucht man, damit das Insulin in einen Molekülverbund gepackt werden kann. Die Wirkung kann man sich ungefähr so vorstellen: Wenn die Glukose anflutet, wird Insulin freigesetzt und wirkt. Sobald die Glukosekonzentration wieder absinkt, wird das Insulin wieder im Molekülverbund gebunden. Im Modell funktioniert das schon sehr gut, es wirkt genau so, wie es wirken soll, ohne Dosierung. Eines der großen Ziele mit diesen smarten Insulinen ist das Verhindern von Unterzuckerungen.
Wir fangen jetzt an, Gespräche mit den Behörden hier in Deutschland zu führen, um dann in Bälde Phase-1-Studien zu starten. Es wird sicherlich noch etwas dauern, aber wir sind auf einem guten Weg.
DJ: Gibt es schon erste Erfahrungen mit einem einmal wöchentlich zu spritzenden Insulin?
Schweitzer: Das langwirksame Insulin, also das einmal wöchentliche Insulin, ist ja viel näher als die smarten Insuline. Das wöchentliche Insulin ist eine konsequente Weiterentwicklung unseres Insulin degludec (Tresiba). Tresiba spritzt man einmal am Tag, aber die relativ lange Wirkdauer ermöglicht heute schon eine flexible Anpassung des Injizierzeitpunkts. Für das einmal wöchentliche Insulin haben wir das Molekül nochmal verändert und erreichen damit, dass das Insulin gut absorbiert wird und als Depot an Albumine (Träger-Eiweiß im Blut) gebunden wird und somit praktisch über eine Woche wirkt.
Wir haben hierzu schon Phase-2-Studien gemacht und praktisch abgeschlossen. In verschiedenen Studien haben wir sehr gute HbA1c-Absenkungen und ein geringes Unterzuckerungsriskio gesehen. Für das zweite Halbjahr 2020 bereiten wir die Phase 3 vor.
DJ: Bietet sich hier auch eine Kombination mit anderen Wirkstoffen von Novo Nordisk an?
Schweitzer: Der Schritt zur Kombination mit anderen Medikamenten, zum Beispiel Ozempic, ist nicht groß. Und das genau wird auch passieren – und da sind wir auch schon mit Studien dran, aber noch in einer sehr frühen Phase.
DJ: Im Januar wurde der von Ihnen eben genannte, wöchentlich zu injizierende GLP-1-Rezeptoragonist Semaglutid (Ozempic) auf dem deutschen Markt zugelassen. Was macht Ozempic so besonders?
Schweitzer: Ozempic ist für uns ein Meilenstein, weil wir damit die Therapie für Menschen mit Typ-2-Diabetes verbessern. Wir schauen bei der Therapie mit Ozempic nicht nur auf den Blutzucker, sondern auch auf die Gewichtsabnahme und die Senkung von Herzkreislauf-Komplikationen.
Der nächste Schritt ist, zu injizierende GLP-1-Rezeptoragonisten als Tablette möglich zu machen. Durch Mischung verschiedener Moleküle (u.a. mit dem SNAC-Molekül) schafft man es, dass das Molekül im Magen recht gut absorbiert wird, solange man nüchtern ist, und dann wirkt es auch fast so gut wie die Injektion.
Orales Semaglutid ist in den USA bereits zugelassen und schon auf dem Markt. In Europa haben wir für das Medikament die sogenannte „positive Opinion“, also die Empfehlung zur Zulassung.
DJ: Herr Dr. Schweitzer, vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Lena Schmidt
Redaktion Diabetes-Journal, Kirchheim-Verlag,
Wilhelm-Theodor-Römheld-Straße 14, 55130 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (5) Seite 16-18
5 Minuten
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