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Gehen sei eine der effektivsten Therapien bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK), auch wenn es anstrengend ist und womöglich schmerzhaft, darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG) hin. Als intensives, strukturiertes Gehtraining wird es in den einschlägigen Behandlungsleitlinien einstimmig empfohlen. Dennoch nehmen noch nicht einmal 12 Prozent der PAVK-Patientinnen und -Patienten tatsächlich an einem solchen Training teil, wie zwei aktuelle Umfragen der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG) ergaben. Als Grund führten die Befragten hauptsächlich einen Mangel an Informationen an: Nur eine Minderheit war von ärztlicher Seite ausreichend über die Bedeutung des Trainings informiert worden. Auch konkrete Kursangebote vor Ort waren den Betroffenen weitgehend unbekannt – ebenso wie vielen behandelnden Ärztinnen und Ärzten.
Die PAVK gilt als Volkskrankheit und zählt zu den häufigsten Erkrankungen der arteriellen Blutgefäße. Schätzungen zufolge leidet in Deutschland rund jede vierte Person über 65 Jahren an den arteriosklerotischen Veränderungen, die je nach Erkrankungsstadium zur Verengung oder gar zum Verschluss von Blutgefäßen führen.
Weil hiervon meist die Blutgefäße der Beine betroffen sind, können die Patientinnen und Patienten oft nur kurze Strecken zu Fuß zurücklegen, ohne dass die mit Blut unterversorgten Muskeln zu schmerzen beginnen und eine Pause erzwingen – diese häufigen Pausen haben der PAVK im Volksmund den Namen Schaufensterkrankheit eingetragen. Weil das Rauchen neben Diabetes, Bluthochdruck und ungünstigen Blutfettwerten zu den Hauptrisikofaktoren für die arteriosklerotischen Veränderungen zählt und in späteren Krankheitsstadien zu Wundheilungsstörungen führt, ist die schwere Form der PAVK auch als „Raucherbein“ bekannt.
Strukturierter Gefäßsport kann dazu beitragen, dass die Strecke, die die Patientinnen und Patienten schmerzfrei zurücklegen können, sich wieder verlängert, und dass ihre Lebensqualität zunimmt. „In einer Vielzahl von Studien hat sich gezeigt, dass dieser Effekt sogar größer sein kann als der einer invasiven Revaskularisierung, bei der die Blutversorgung in den Beinen durch eine Operation oder durch die minimal invasive Aufdehnung des verengten Gefäßes wiederhergestellt wird“, sagt Dr. Dmitriy Dovzhanskiy, Gefäßchirurg am Universitätsklinikum Heidelberg und einer der Autoren der DGG-Umfrage.
„Das Gehtraining gilt daher als eine der wichtigsten Säulen der PAVK-Therapie“, betont der Heidelberger DGG-Experte. Dennoch nimmt die große Mehrheit der Patientinnen und Patienten nicht an den entsprechenden Bewegungsangeboten teil: Von 235 stationär aufgenommenen PAVK-Patientinnen und -Patienten gaben im Rahmen der Umfrage nur 11,4 Prozent an, jemals zum Gefäßsport oder zum Gehtraining gegangen zu sein.[1] „Eine verpasste Therapie-Chance“, bedauert Dovzhanskiy.
Obwohl fast zwei Drittel der Befragten wussten, dass angeleiteter Gefäßsport die schmerzfreie Gehstrecke verbessern kann, fühlten sie sich mehrheitlich nicht gut genug informiert. So erklärten nur 35,6 Prozent, in der Klinik ausreichend über die Notwendigkeit oder die Vorteile eines Gehtrainings aufgeklärt worden zu sein, in der hausärztlichen Praxis war dies sogar nur bei 25,8 Prozent erfolgt. „Besonders groß war das Informationsdefizit im Hinblick auf Trainingsangebote in Wohnortnähe“, berichtet Dovzhanskiy. Über Zugang zu derlei Informationen verfügten der Umfrage zufolge nur 24,5 Prozent der Befragten.
Einen möglichen Grund hierfür legte eine zweite, parallel durchgeführte Umfrage nahe, in der sich die DGG-Experten an die Mitglieder ihrer eigenen Fachgesellschaft sowie der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA) wandten, um die Thematik aus ärztlicher Sicht einschätzen zu lassen. Die Ergebnisse dieser Studie wurden in derselben Ausgabe der Fachzeitschrift VASA publiziert wie die der Patientenbefragung.[2]
„Hier zeigte sich, dass auch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte oft keinen Überblick über die lokale Versorgungssituation haben“, sagt Privatdozent Dr. med. Christian-Alexander Behrendt, Chefarzt für Gefäßchirurgie an der Asklepios Klinik Wandsbek in Hamburg. „Nur ein gutes Drittel der Befragten kann ein strukturiertes Gehtrainingsangebot vor Ort sowie eine Ansprechperson nennen“, ergänzt Studienleiter Behrendt. 56 Prozent konnten auch keine nützlichen Informationen vermitteln, wie die Betroffenen ein solches Training ausfindig machen können, und 58 Prozent waren sich nicht im Klaren darüber, wie man den Gefäßsport so verschreibt, dass die Kosten von den Krankenkassen erstattet werden.
Gleichwohl gaben 90 Prozent der teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte an, ihren Patientinnen und Patienten ein solches Training zu empfehlen. „Diese Botschaft kommt aber offenbar nicht an“, konstatiert DGG-Experte Behrendt, der auch Medizinisch-Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Gefäßmedizinische Gesundheitsforschung (DIGG gGmbH) ist. „Wir verpassen eine große Chance in der Arzt-Patienten-Kommunikation“, fügt er hinzu. Als Grund für ein mögliches Kommunikationsdefizit sei in der Studie unter anderem der Zeitmangel im klinischen Alltag genannt worden.
Doch nicht nur bei der Information, auch beim Angebot selbst hapert es. Laut Leitlinie soll zwar allen Patientinnen und Patienten mit einer PAVK, die noch mobil genug sind, ein angeleitetes Gefäßtraining angeboten werden. „Ein flächendeckendes Angebot solcher Trainingsgruppen ist in Deutschland jedoch nicht verfügbar“, schreibt die DGG-Kommission PAVK und Diabetischer Fuß, der auch Behrendt und Dovzhanskiy angehören, in einem Beitrag in der Fachzeitschrift Gefäßchirurgie.(3) Die DGG appelliert daher dringend an ihre Mitglieder, an der Etablierung solcher Sportgruppen mitzuwirken.
Ansprechpartner hierfür seien unter anderem der Deutsche Behindertensportverband DBS, der bundesweit bereits eine Vielzahl von Rehabilitationssportgruppen anbietet , und die Deutsche Gefäßliga. Auch die Interessenvertretung Patienten und Versicherte im Bundesverband für Gesundheit und Soziales, die über 11.000 Betroffene vertritt, kann bei der Einrichtung von Gefäßsportgruppen unterstützen.
Über diese wichtigen Netzwerke sei es auch möglich, sich über bereits bestehende regionale Reha-Sportangebote zu informieren – sowohl für Patientinnen und Patienten als auch für Ärztinnen und Ärzte. Um die Orientierung weiter zu erleichtern, plant die DGG nun außerdem ein Register, in dem Gefäßsport und weitere präventive Angebote etwa zur Rauchentwöhnung systematisch erfasst werden sollen – damit eine wichtige Therapie endlich ihren Weg zum Patienten und zur Patientin findet.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG) | Redaktion
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