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Angesichts der gesamtgesellschaftlichen Herausforderung, vor die der Diabetes uns stellt, sollten wir sowohl unser Gesundheitssystem als auch unsere Lebensweise gründlich überdenken, kommentiert Ingeborg Fischer-Ghavami in der Kolumne Blickwinkel.
Die Pressekonferenz zur Tagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft im Mai (Diabetes Kongress 2015) fokussierte die individuelle Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus. Tagungspräsident Professor Dr. med. Norbert Stefan sagte: “Es geht um Personen, es geht um Menschen.” Und: “Wir müssen mit unseren Patienten reden. Das ist leider in vielen Bereichen der Medizin nicht mehr modern.”
Eigentlich selbstverständlich, sollte man meinen, dass ein Arzt mit seinen Patienten redet, doch offensichtlich scheint das im deutschen Gesundheitssystem nicht immer möglich zu sein oder nicht immer so stattzufinden.
Doch gerade bei der Diabetesbehandlung hat die “sprechende Medizin” einen enorm hohen Stellenwert, denn es gibt nicht das Patentrezept, das bei allen gleichermaßen wirksam wäre – jeder Mensch reagiert anders. Deshalb wird zurzeit im Tübinger Lebensstil-Interventionsprogramm untersucht, warum manche Menschen zum Beispiel trotz Gewichtsabnahme oder bei Normalgewicht an Typ-2-Diabetes erkranken.
Einige Fragen, die für die richtige Behandlungsstrategie entscheidend sind, kann man allerdings heute schon benennen. Sie fasste Prof. Stefan so zusammen:
Zwei Teilnehmerinnen des Interventionsprogramms schilderten vor Ort ihre Erfahrungen und es wurde deutlich: Was für die eine gut ist, hilft der anderen eben nicht, was das Maß an körperlicher Aktivität oder auch Veränderungen in der Ernährung betraf. Herausfinden konnte man das unter anderem, weil es in der Studiensituation bis zu 16 Termine gab, die die Patienten mit einem Arzt hatten. Doch wer hat so viele Termine mit seinem Hausarzt, nachdem ein Diabetes festgestellt worden ist?
Auch wenn zukünftige Forschungsergebnisse individuellere Behandlungsansätze identifizieren und der Typ-2-Diabetes keine reine Lebensstilerkrankung ist, kommen wir aus meinem Blickwinkel nicht daran vorbei, sowohl unser Gesundheitssystem als auch unsere Lebensweise gründlich zu überdenken. “Wir haben ein Gesundheitssystem, das in Krankheit denkt”, brachte Privatdozent Dr. med. Erhard Siegel ein grundlegendes Problem auf den Punkt.
Er ergänzte: “Wir essen zu viel – und das jeden Tag.” Und er forderte: “Wir müssen eine Umwelt schaffen, die einen gesunden Lebensstil möglich macht.” Im eben aktualisierten Präventionsgesetz dagegen sei wieder nur der verhaltenspräventive Ansatz drin, der jeden Einzelnen verstärkt dazu auffordert, gesünder zu essen und sich mehr zu bewegen. Das sei in unserer derzeitigen Lebenswelt jedoch oft gar nicht möglich.
Doch wie kann eine Lebenswelt aussehen, in der beispielsweise Spaß an der Bewegung wieder selbstverständlich ist? “Wer hat ein Interesse daran, dass die Dinge so sind, wie Sie sind?”, fragte Dr. med. Eckart von Hirschhausen, der sich selbst als Hofnarr für diesen Tag präsentierte. Sein Gesundheitstipp lautet: “Lebensfreude”, beim Essen nicht nur das “Was”, sondern auch das “Wie” beachten, “Spaß haben und andere mit positiven Gefühlen anstecken”.
von Ingeborg Fischer-Ghavami | Redaktion Diabetes-journal
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0,
Fax: (0 61 31) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2015; 64 (7) Seite 49
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