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Im Mittelalter war die Gicht einmal die „Krankheit der Könige“. Warum? Nur die Könige konnten sich Fleisch in größeren Mengen leisten. Heute ist die Gicht eine Volkskrankheit, vor allem durch eine opulente Ernährungsweise bedingt – die auch zu Übergewicht führt.
Es sind vor allem Fleisch, Alkohol und Fruktose-haltige Softdrinks, die in den USA bereits dazu geführt haben, dass etwa 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen eine nicht durch Alkoholkonsum bedingte Fettleber haben – was eine Gicht vorprogrammiert. In den westlichen Ländern sind 1 bis 2 Prozent der Erwachsenen von Gicht betroffen.
sekundäre Hyperurikämie
Bei Männern tritt sie etwa viermal so häufig auf wie bei Frauen, die bis zur Menopause in der Regel durch das vorhandene Hormon Östrogen geschützt sind. Deshalb kommt es bei ihnen in der Regel nicht vor Eintreten der Wechseljahre erstmalig zu einem Gichtanfall – oft an den Großzehen. Die Beschwerden können, gerade mit zunehmendem Alter, auch andere Gelenke betreffen, wie das Schultergelenk, die Handgelenke, die Fingergelenke, die Knie oder die Hüfte.
Sind die Harnsäurewerte im Blut ständig erhöht und überschreiten irgendwann einen Sättigungspunkt, kann die Harnsäure im Gewebe auskristallisieren. Dass dieses überhaupt geschieht, liegt daran, dass beim Menschen die Harnsäure nicht zu dem viel besser wasserlöslichen Allantoin abgebaut werden kann. Dazu ist ein bestimmtes Enzym, die Urikase, erforderlich. Bei anderen Säugetieren als den Menschen geht der Abbau der Harnsäure meistens bis zum Allantoin, sodass diese keine Gicht bekommen können.
Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass bereits eine erhöhte Harnsäure-Konzentration im Blut auch ohne Gelenkbeschwerden ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein kann, auch für eine erhöhte Sterblichkeit durch Herzinfarkt und Schlaganfall. Ebenso belegen Studien, dass durch einen Anstieg der Harnsäure im Blut um 1 mg/dl das Risiko, einen Diabetes mellitus Typ 2 zu entwickeln, um etwa 20 Prozent steigt.
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Die Harnsäure entsteht beim Abbau von Purinen aus Lebensmitteln (siehe Tabelle nächste Seite). Purine entstehen auch beim Abbau von Zellen im eigenen Körper, z. B. bei bösartigen Blutkrankheiten oder einer Chemotherapie im Rahmen einer Krebserkrankung. Dass die Gicht mit zunehmendem Alter häufiger vorkommt, scheint damit zusammenzuhängen, dass die Nierenfunktion im Alter nachlässt. Denn Purine werden zu etwa 80 Prozent über die Nieren und nur zu einem geringen Teil über den Magen-Darm-Trakt ausgeschieden. Eine erhöhte Harnsäure im Blut (Hyperurikämie) ist also Folge entweder einer vermehrten Bildung durch verstärkten Purin-Abbau oder einer verminderten Ausscheidung von Harnsäure durch die Nieren über den Urin. In seltenen Fällen kann auch ein Enzym, das am Purin-Auf- und Abbau beteiligt ist, defekt sein.
Übermäßiger Alkoholgenuss – Bier zum Beispiel enthält reichlich Purine – und ein üppiges Essen können eine Gicht begünstigen. Aber auch extremes Fasten oder eine extrem einseitige Ernährung stellen ein Risiko dar. Nicht immer tritt ein Gichtanfall mit entsprechenden Vorboten auf. Manchmal kommt er aus völligem Wohlbefinden. Nicht selten ist ein Gichtanfall von Fieber begleitet. Dieser akute Anfall kann mehrere Stunden oder auch Tage anhalten, wenn keine entsprechende Therapie eingeleitet wird.
Eine akute Gelenkentzündung (Arthritis) bei einem Gichtanfall erreicht ohne Therapie nach 2 bis 3 Tagen ihren Höhepunkt und klingt nach etwa 2 Wochen vollständig ab. Typischerweise treten wiederholt Gichtanfälle auch unter Therapie auf, denn die Harnsäure-Kristalle bleiben in den Geweben oft über Jahre erhalten. In Geweben, die sich nur langsam erneuern, können Kristall-Ansammlungen (Tophi) sichtbar sein. Zu solchen Geweben gehören Bindegewebe, Knorpel usw., aus denen z. B. die Ohrmuschel besteht. Bei der chronischen Gicht findet man überall im Körper verteilt Harnsäurekristalle.
Um die Diagnose Gicht zu sichern, muss man letztlich das betroffene Gelenk punktieren, um so eine Gewebeprobe zu bekommen. Denn im akuten Anfall findet man häufig normale Harnsäure-Konzentrationen im Blut. Auf Röntgenbildern sind Veränderungen oft erst im Verlauf nachweisbar. Typische Tophi lassen sich mit einem speziellen Computertomogramm (CT), dem „Dual-Source-CT“, nachweisen.
Man muss unterscheiden zwischen der Gicht und anderen Kristall-Arthropathien (Gelenkveränderungen). Es gibt z. B. die Pseudo-Gicht (Chondrokalzinose). Hierbei sind Sehnen- und Knorpelveränderungen typisch, die zu Verkalkungen im Gelenk führen. Auch eine Arthritis durch eine Blutvergiftung, eine aktivierte Arthritis oder ein akuter Schub einer Arthritis im Rahmen einer Psoriasis sind denkbar.
Im akuten Anfall gibt man üblicherweise nicht steroidale Antirheumatika wie Diclofenac (Handelsname z. B. Voltaren), Ibuprofen oder einen Wirkstoff aus der Gruppe der Coxibe (z. B. Arcoxia).
Die effektivste Therapie ist bei 80 Prozent aller Fälle Colchicin, das Gift der Herbstzeitlosen, das als Medikament verfügbar ist. Es muss mehrfach in bestimmten Abständen gegeben werden. Treten Übelkeit und Durchfall auf, muss das Medikament abgesetzt werden! Sobald sich die Beschwerden des Gichtanfalls bessern, erfolgt eine Dosisreduktion am zweiten Tag. Eine Dauertherapie mit Colchicin ist nach Absprache mit dem behandelnden Arzt manchmal bis zu 6 Monate möglich bzw. notwendig. Dann müssen regelmäßige Blutkontrollen der Leberwerte und des Blutbilds erfolgen, denn es kann zu einer Reduktion der weißen Blutkörperchen (Leukopenie) kommen.
Bevorzugen Sie:
Grundsätzlich gilt:
Die Gabe von Kortison erfolgt nur, wenn Antirheumatika oder Colchicin kontraindiziert sind, also nicht gegeben werden dürfen. Man beginnt mit hoher Dosis und fängt nach einer Woche an, die Dosis zu reduzieren.
Nach Abklingen des ersten Schubs sollte man mit dem Wirkstoff Allopurinol, ggf. auch Febuxostat (Handelsname Adenuric) als Reservepräparat, eine Dauertherapie einleiten, bei Unverträglichkeit evtl. Benzbromaron. Neuere Medikamente (Interleukin-Antikörper) können in besonderen Fällen ebenfalls sehr erfolgreich helfen.
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (2) Seite 28-31
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