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Am Thema Impfen erkennen wir das hervorragende Niveau unseres Gesundheitssystems, an den „Impfgegnern“ die Meinungsvielfalt, teils auch Leichtfertigkeit der Menschen. Wir nennen Fakten und sagen, warum Impfungen wichtig sind.
Es stellt sich durch Blutuntersuchungen schließlich heraus, dass er tatsächlich an Keuchhusten erkrankt ist. Nach der Impfung als Kind hatte er wohl nie wieder eine Auffrisch-Impfung durchführen lassen. Unter einer entsprechenden Therapie mit inhalativen Sprays und speziellen Antibiotika ging es Stephan P. schnell wieder besser – richtig gut ging es ihm jedoch erst wieder nach etwa einem halben Jahr!
Die aktuelle COVID-19-Pandemie führt wieder vor Augen, wie wichtig ein „gesundes“ Immunsystem für den einzelnen Menschen ist – aber auch für die Menschheit insgesamt. Speziell Menschen mit Diabetes haben zwar nur ein leicht höheres Risiko für Infektionskrankheiten als Nichtdiabetiker/-innen, besonders für Atemwegsinfektionen – aber immerhin: Man denke an die Pneumokokken-Pneumonie, eine spezielle Lungenentzündung, wie sie häufiger auch im Rahmen einer echten Virus-Grippe vorkommt.
Die aktuellen Erkenntnisse im Rahmen der COVID-19-Pandemie zeigen jedoch, dass Diabetiker mit unbefriedigenden Blutzuckerwerten sowie Menschen mit Metabolischem Syndrom und starkem Übergewicht eher gefährliche Infektionsverläufe haben. Deshalb wäre wichtiger denn je, möglichst gute Blutzuckerwerte zu erreichen – das sagt auch die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und das gilt vor allem für Menschen mit COVID-19!
Da Menschen mit Diabetes aufgrund ihrer chronischen Erkrankung ein leicht geschwächtes Immunsystem haben können, sollen natürlich auch Standard-Impfungen durchgeführt werden wie die Tetanus-Impfung alle 10 Jahre, aber auch die jährliche Grippe-Impfung im Herbst und unbedingt alle 6 Jahre die Pneumokokken-Impfung.
Infektionen können bei Menschen mit Diabetes zu schwereren Krankheitsverläufen führen als bei sonst gesunden Menschen. Das gilt z. B. bei:
Ende des 18. Jahrhunderts hatte der englische Arzt Edward Jenner beobachtet, dass Melkerinnen, die sich an kuhpockenkrankem Vieh angesteckt hatten, nicht mehr an den „echten Pocken“ erkrankten. 1796 impfte er einen gesunden Jungen mit Kuhpocken – dieser war danach gegen die echten Pocken geschützt! Verantwortlich für diese Reaktion unseres Körpers ist unser Immunsystem.
Wenn Bakterien, Viren oder Pilze in den menschlichen Körper gelangen – sei es über den Mund, die Haut oder die Harnwege/Blase – werden sie im günstigsten Fall von einer Reihe spezieller Zellen (Immunzellen) erwartet. Gelangt ein „Erreger“ zum ersten Mal in den menschlichen Körper (Erstinfektion), dann kennen die Immunzellen diesen Erreger noch nicht – der Kampf gegen ihn ist aufwendig und nicht immer erfolgreich. Werden die Erreger jedoch erfolgreich abgewehrt, so entsteht durch einzelne Abwehrzellen eine Art Gedächtnis für diesen speziellen Erreger.
Außerdem bildet der Körper spezielle Eiweiße (Immunglobuline) als Antikörper gegen diesen Erreger. Bei einer erneuten Infektion mit diesem Erreger können sofort und schnell die Gedächtniszellen aktiviert und Antikörper gebildet werden – bei einer Zweitinfektion ist die Immunabwehr daher viel effektiver, da der Körper vorbereitet ist. Viele Kinderkrankheiten werden deshalb auch nur einmal durchgemacht.
Dies macht man sich auch bei der „aktiven Immunisierung“ (Impfung, Vakzination) zunutze: Bei dieser werden abgeschwächte bzw. abgetötete Erreger einer Krankheit oder Zellbestandteile des Erregers in den Muskel (meist Deltamuskel am Oberarm) gespritzt. Der Körper denkt, er werde angegriffen, und produziert Gedächtniszellen und Antikörper, die bei einer tatsächlichen späteren Infektion eine starke und schnelle Immunreaktion möglich machen.
Bei der aktiven Impfung unterscheidet man außerdem zwischen Lebend- und Totimpfstoffen. Man impft dabei mit einem gezüchteten, stark abgeschwächten Erreger, der nicht in der Lage ist, die Erkrankung auszulösen (dies wäre eventuell gefährlich), oder abgetöteten Erregern. Als dritte Möglichkeit können auch nur bestimmte Bestandteile des Erregers, die gentechnisch hergestellt werden, geimpft werden.
Von passiver Immunisierung spricht man, wenn nicht der Körper selbst Antikörper bilden muss, sondern diese von außen einem bereits infizierten Menschen gespritzt werden, um seine Immunabwehr quasi zu unterstützen.
Impfungen können unserem Körper in der Regel nicht schaden – manchmal gibt es eine Impfreaktion an der Einstichstelle (Rötung, Überwärmung, leichte Schmerzen). Selten gibt es grippeähnliche Symptome, ganz selten einen Fieberkrampf (eher bei Kleinkindern), je nach Art des Impfstoffes.
Impfstoffe werden ständig weiterentwickelt: Der Influenza-, sprich Grippe-Impfstoff wird jährlich neu entsprechend den bereits weltweit aktuellen Erkrankungen zusammengestellt. Wegen einer möglichen Hühnereiweiß-Allergie hat man schon länger Impfstoffe, die nicht mehr auf Hühnerembryonen, sondern auf speziellen Zellkulturen gezüchtet werden. Aktuell gibt es sogar einen neuen 4-fach-Grippe-Impfstoff, der auf einem nicht allergieauslösenden Medium gezüchtet wird.
Es gibt auch schon länger Impfstoffe, die auch ins Unterhautfettgewebe statt in den Muskel verabreicht werden können, z. B. bei Menschen, die eine Marcumar-Therapie erhalten. Für Kinder und Jugendliche (2 bis 17 Jahre) gibt es ein Nasenspray (z. B. „Fluenz Tetra“) zur Grippe-Impfung.
Vielleicht hilft diese wissenschaftliche Basis für eine Impfung auch Impf-Zweiflern bzw. Impf-Gegnern unter den Menschen auch mit Diabetes, den Nutzen zu verstehen. Wichtig dabei auch: Eine Impfung kann keinen Diabetes auslösen – dies haben Forscher auch bezüglich einer möglichen Erkrankung an Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen ausgeschlossen (siehe Bundesgesundheitsblatt 6/2001, S. 613 – 618). Andererseits haben Typ-2-Diabetiker, die sich jährlich gegen Grippe impfen lassen, weniger Herz-Kreislauf-Komplikationen (Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz).
Die COVID-19-Pandemie führt uns vor Augen, wie wichtig ein gesundes Immunsystem ist. Ein vorbereitetes Immunsystem kann auf einen Erreger besser und schneller reagieren. Menschen mit Diabetes und bestimmten Folge- und Begleiterkrankungen haben womöglich eine abgeschwächte Immunreaktion. Ihre Blutzuckerwerte sollten so gut und gleichmäßig wie möglich sein – viel Erfolg und Geduld!
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (12) Seite 26-28
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