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Für die bahnbrechende Entdeckung der regulatorischen T-Zellen, die bei der Entstehung des Typ-1-Diabetes eine entscheidende Rolle spielen, wird der japanische Forscher Shimon Sakaguchi mit dem Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis ausgezeichnet.
Wie der Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung bekanntgegeben hat, wird der mit 120.000 Euro dotierte Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis in diesem Jahr an den japanischen Forscher Shimon Sakaguchi verliehen. Der 69-jährige Immunologe, der an der Osaka-Universität forscht und lehrt, erhält die Auszeichnung für die Entdeckung der regulatorischen T-Zellen (kurz: Tregs). Die Verleihung findet am 14. März 2020 in der Frankfurter Paulskirche statt.
Tregs sind eine Untergruppe der T-Zellen, die wiederum zu den weiße Blutzellen (Leukozyten) gehören und damit Teil des Immunsystems sind. Tregs sind darauf spezialisiert, die Aktivierung der Immunabwehr so zu unterdrücken, dass kein körpereigenes Gewebe, harmlose Fremdsubstanzen oder nützliche Mikroorganismen (etwa das Mikrobiom des Darms) attackiert werden. Sie regulieren also die Selbsttoleranz des Immunsystems und halten es somit im Gleichgewicht. Der Stiftungsrat bezeichnet sie in einer Presseveröffentlichung daher auch griffig als „Blauhelme des Immunsystems“.
Bildet der Körper jedoch nicht ausreichend funktionsfähige Tregs aus, wird dieses Gleichgewicht der Immunabwehr durcheinandergebracht, sodass Immunzellen überreagieren. Dadurch kann es zum einen zur Entstehung von Allergien kommen, weil das Immunsystem auf eigentlich harmlose Substanzen anspringt und sie als Gefahr wahrnimmt.
Zum anderen kann so aber auch körpereigenes Gewebe angegriffen werden (Autoimmunreaktion), wodurch Autoimmunkrankheiten wie etwa Typ-1-Diabetes entstehen, bei dem die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse unwiederbringlich von der körpereigenen Immunabwehr zerstört werden.
Bis Sakaguchi Mitte der neunziger Jahre zuerst bei Mäusen und dann beim Menschen die Existenz der Tregs nachweisen konnte, war in der Wissenschaftswelt noch die Theorie vorherrschend, dass die Selbsttoleranz des Immunsystems dadurch entsteht, dass die Abwehrzellen selbst bereits bei ihrer Ausbildung im Thymus (ein Organ im Mittelfellraum hinter dem Brustbein) darauf geeicht werden, nicht die falschen Ziele anzugreifen. Niemand kam auf die Idee, dass diese Aufgabe durch spezifische Aufpasser-Zellen außerhalb dieses Organs übernommen wird.
ARD-tagesschau vom 21. Januar 2020, 20 Uhr
Sakaguchi war jedoch anderer Ansicht und sollte Recht behalten: Er konnte anhand einer Reihe von Experimente zeigen, dass es mit den Tregs eine eigene, eindeutig identifizierbare Klasse von T-Zellen gibt, die für die Selbsttoleranz des Immunsystems verantwortlich sind. Der Immunologe wird daher „nicht nur für diese bahnbrechende Entdeckung geehrt, sondern auch für seine Weitsicht und konsequente Beharrlichkeit,“ kommentiert Prof. Thomas Boehm, Vorsitzender des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung.
„Weil Sakaguchi seinen eigenen Experimenten mehr getraut hat als der gängigen Meinung, bewies er zuerst bei Mäusen und dann beim Menschen die Existenz der regulatorischen T-Zellen. Er zeigte zudem, dass Patienten mit dem seltenen IPEX-Syndrom keine regulatorischen T-Zellen besitzen und deshalb schon früh schwere Autoimmunerkrankungen entwickeln. Damit hat er auch die klinische Relevanz dieser Zellen belegt“, so Boehm weiter.
Sakaguchis Entdeckung kommt jedoch nicht nur wegen dieses theoretischen Erkenntnisgewinns eine so große Bedeutung zu: Tregs sind zudem hervorragenden als Zielmoleküle für die Therapie geeignet – sowohl für Erkrankungen, bei denen das Immunsystem über die Stränge schlägt, als auch für Erkrankungen, bei denen es nicht konsequent genug reagiert.
Für die Behandlung von Autoimmunerkrankungen müssten die Tregs demnach gestärkt werden, um die unerwünschten Immunreaktionen zu beenden. Gegen Krebs gilt es hingegen, die Aktivität dieser Zellen abzuschwächen, damit das Immunsystem entschlossener gegen Tumore vorgehen kann.
In einem Bericht der ARD-tagesschau (siehe Kasten oben) sagt Sakaguchis über Tregs: „Wenn man ihre Zahl erhöht oder reduziert, sie stärkt oder abschwächt, dann kann das zum Schutz vor zahlreichen Krankheiten beitragen, denke ich. Ich hoffe, dass wir in fünf bis zehn Jahren Medikamente haben, mit denen sich die regulatorischen T-Zellen kontrollieren lassen.“
Inzwischen arbeiten Forscher weltweit daran, diese neuartigen Ansätze für therapeutische Zwecke – insbesondere auch beim Typ-1-Diabetes – in zahlreiche klinische Studien zu prüfen. So haben beispielsweise Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) erst kürzlich einen neuen potentiellen Ansatzpunkt identifiziert, um die Autoimmunreaktion, die einem Typ-1-Diabetes zugrunde liegt, hinauszuzögern.
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