Diabetes-Kurs: Schwaches Herz bei Diabetes – alles, was Sie wissen müssen

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Diabetes-Kurs: Schwaches Herz bei Diabetes – alles, was Sie wissen müssen

Das Herz ist ein großer Muskel. Erkrankt er, kann das Herz nicht mehr mit ausreichender Kraft das mit Sauerstoff angereicherte Blut in den Körper pumpen. Symptome, Diagnose und Therapie der Herz-Schwäche erfahren Sie im aktuellen Diabetes-Kurs.

Erkrankungen mit Ansammlungen von Wasser im Körper, als Ödeme bezeichnet, zählen mengenmäßig zu den häufigsten Erkrankungen in Deutschland. Eine dieser Erkrankungen ist die Herz-Schwäche, fachsprachlich Herz-Insuffizienz genannt.

Foto: privat
Über den Autor

Dr. med. Gerhard-W. Schmeisl (Bad Kissingen) ist Internist sowie Facharzt für Diabetologie, Angiologie und Sozialmedizin und hat jahrzehntelange praktische Erfahrung in der Behandlung und Schulung von Menschen mit Diabetes in Praxis und Klinik. Er schreibt in der Rubrik Diabetes-Kurs über die Diabetes-Therapie und alles, was sonst noch mit dem Diabetes zusammenhängt.

Hierbei finden sich generalisierte, also den ganzen Körper betreffende Ödeme. Sie befinden sich meist an den “abhängigen Körperteilen”: im Stehen symmetrisch in der Knöchel- und der Schienbeinregion, bei liegenden Menschen im Bereich des Steißbeins.

Herz-Insuffizienz: unterschätzt, gefährlich und teuer

Die Herz-Insuffizienz gehört zu einer der gefährlichsten und auch teuersten Erkrankungen. Regelmäßige und häufige Aufenthalte im Krankenhaus sind nötig. Etwa 50 Prozent der Patientinnen und Patienten mit chronischer Herz-Insuffizienz sterben innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnose. Auch bei Menschen mit Diabetes gehört die Herz-Insuffizienz zu den Komplikationen mit sehr hoher Sterberate.

Für Ärztinnen und Ärzte gilt deshalb: Wenn sich in der Praxis oder in der Klinik ein Patient mit neu aufgetretenen Wasser-Ansammlungen an den Knöcheln und Unterschenkeln vorstellt und gleichzeitig Atemnot und starke unerklärliche Müdigkeit neu aufgetreten sind, sollte man rasch abklären, ob die Ursache eine Herz-Insuffizienz ist.

Das Fallbeispiel

Stefan C. ist 54 Jahre alt, übergewichtig mit 120 kg bei einer Größe von 173 cm. Seit etwa drei Jahren weiß er von seinem Typ-2-Diabetes, den er mit Tabletten behandelt. Um abzunehmen, hatte er – wie seit sechs Jahren – einen Urlaub in der Nähe von Oberstdorf im Allgäu gebucht. Dort wollte er wie gewohnt wandern.

Aber schon am ersten Tag war er bereits nach einem kleinen Hügel derart außer Puste, dass er aufhören und sich ausruhen musste. Auch bei einem zweiten Versuch am folgenden Tag erging es ihm nicht besser.Am Abend fielen ihm auch “dicke Knöchel” auf, obwohl er kaum gelaufen war. Aus einem Aktiv-Urlaub mit der Absicht der Gewichts-Reduktion wurde diesmal nichts.

Wieder zu Hause, stellte er sich bei seinem Hausarzt vor, da er zunehmende Knöchel-Ödeme und anhaltende Luftnot auch schon bei geringer Belastung verspürte. Außerdem hatte er trotz einer “gewissen Diät” wieder 5 kg zugenommen.Die weitere ambulante Diagnostik beim Hausarzt und schließlich beim Kardiologen ergab den Verdacht auf eine beginnende Herz-Schwäche.

Die Medikamente – auch für den Diabetes – wurden ergänzt und zusätzliche Tabletten verordnet. Schon drei Wochen später hatte er keine Knöchel-Ödeme mehr, 6 kg abgenommen und in Ruhe keine Luftnot mehr. Der Urlaub war für dieses Jahr allerdings auch vorbei …

Sterblichkeit durch Herz-Insuffizienz unterschätzt

Obwohl sich die medikamentöse Therapie der Herz-Insuffizienz in den letzten 15 bis 20 Jahren extrem verbessert hat, ist die Langzeit-Prognose nach wie vor schlecht. Etwa 4 Millionen Menschen in Deutschland sind an einer Herz-Insuffizienz erkrankt. Die Anzahl der Krankenhaus-Aufenthalte hat sich in den Jahren von 2000 bis 2017 fast verdoppelt. Sie ist die häufigste Ursache für einen Tod im Krankenhaus. Außerdem besteht eine deutliche Abhängigkeit vom Alter: Ab dem 50. Lebensjahr steigt die Zahl rasch an. Zu beobachten ist auch, dass sich mit zunehmendem Alter das Verhältnis von Männern und Frauen immer mehr zu den Frauen verschiebt.

Die Sterblichkeit von Menschen mit Herz-Insuffizienz wird aber immer noch unterschätzt: Sie ist genauso hoch wie bei vielen bekannten bösartigen Tumoren oder sogar höher. Es ist also dringender Bedarf, die Diagnose der Herz-Insuffizienz so früh wie möglich zu stellen.

Ursachen und Symptome der Herz-Insuffizienz

Die Diagnose Herz-Insuffizienz kann gestellt werden, wenn folgende Haupt-Symptome vorhanden sind:

  • Atemnot bei Belastung oder schon in Ruhe,
  • Knöchel-Schwellung,
  • Müdigkeit, Abgeschlagenheit,
  • anfallsweise nächtliche Luftnot,
  • häufiges nächtliches Wasserlassen (Nykturie),
  • erhöhte Werte natriuretischer Eiweiße (siehe unten) im Blut.

Ursächlich für die Herz-Insuffizienz sind entweder Veränderungen am Herzen und seinen Geweben selbst oder es liegt eine Beeinträchtigung seiner Funktion vor.

Erkrankungen, die einer Herz-Insuffizienz vorangehen können, sind die folgenden (Beispiele):

Einteilung in Stadien

Die Herz-Insuffizienz lässt sich einteilen nach den Symptomen, die sie verursacht. Dies ist die Einteilung nach der New York Heart Association (NYHA; siehe auch beistehenden Kasten). Eine neue Klassifikation orientiert sich an der Leistung des Herzens. Diese wird gemessen durch die Auswurf-Menge von Blut aus dem linken Herzen in den Kreislauf.

Stadien der Herz-Insuffizienz nach Einteilung der New York Heart Association (NYHA):

I keine Beschwerden im Alltag
II Beschwerden bei stärkerer körperlicher Belastung
III Beschwerden schon bei leichter körperlicher Belastung
IV Beschwerden schon in Ruhe

Diese linksventrikuläre Ejektions-Fraktion (LVEF) wird mit Herz-Ultraschall (Echokardiographie) gemessen und wie folgt definiert:

  • Herz-Insuffizienz mit reduzierter Ejektions-Fraktion und Beschwerden (EF kleiner 40 Prozent),
  • Herz-Insuffizienz mit leicht reduzierter Ejektions-Fraktion und Beschwerden (EF 41 bis 44 Prozent),
  • Herz-Insuffizienz mit erhaltener Ejektions-Fraktion und Beschwerden (EF 50 Prozent oder höher),
  • Herz-Insuffizienz mit verbesserter Ejektions-Fraktion, wenn die EF unter Therapie von unter 40 wieder auf mehr als 50 Prozent angestiegen ist.

Menschen ohne Herz-Insuffizienz haben eine Ejektions-Fraktion über 60 Prozent.

Diagnose der Herz-Insuffizienz

Selbst wenn man die Vorgeschichte der Patientin oder des Patienten berücksichtigt, ist die Diagnose der Herz-Insuffizienz trotz der Beschwerden, der Ödeme und des Herz-Ultraschalls nicht sicher.

Weitere Tests zur Diagnose einer Herzschwäche werden daher empfohlen:
  • EKG: Ein normales EKG ist sehr unwahrscheinlich, wenn eine Herz-Insuffizienz vorliegt.

  • Blutwerte: Neben den Routine-Werten wie Blutkörperchen (rote, weiße und Plättchen; auch als Blutbild bezeichnet), Kreatinin, Schilddrüsenwerten und Blutsalzen spielt die Untersuchung der natriuretischen Peptide eine wichtige Rolle. Natriuretische Peptide sind Eiweiße speziell aus dem Herzen, abgekürzt als BNP und NT-proBNP. Sie sind heute ein Eckpfeiler der Diagnostik. Bei Konzentrationen von BNP im Blutplasma unter 35 pg/ml und von NT-proBNP unter 125 pg/ml ist eine Herz-Insuffizienz unwahrscheinlich.

  • Echokardiographie: Der Herz-Ultraschall gilt heute neben BNP und NT-proBNP als die wichtigste Methode zur Beurteilung der Funktion des Herzens. Man kann damit eine Vergrößerung der Herzhöhlen, eine Verdickung oder Ausdünnung der Herzwände sowie eine Störung des Erschlaffens (diastolische Störung des linken Herzens) erkennen. Aber auch Veränderungen der Herzklappen wie nicht mehr schließende oder verengte Herzklappen können so rasch entdeckt werden, wie auch Flüssigkeit im Herzbeutel oder im Rippenfell.

  • Röntgen der Lunge: Ein Röntgen-Bild der Lunge zeigt, wie groß das Herz ist, ob Wasser in der Lunge ist (Lungen-Stauung) oder eine andere Veränderung der Lunge Ursache für die Luftnot sein kann.
Echokardiographie: eine der wichtigsten Untersuchungen des Herzens

Eine Echokardiographie kann mit einem Ultraschallkopf von außen erfolgen, aber auch von innen mit einer Ultraschallsonde an der Spitze eines Endoskops. Durch die unterschiedlichen Schallwellen, die die Gewebe und die Kammern des Herzens zurückwerfen, entsteht ein bewegtes Bild. So sind z. B. die Größe der Kammern, die Dicke des Herzmuskels und auch die Funktion der Herzklappen zu beurteilen. Außerdem kann ermittelt werden, wie gut das Herz Blut pumpt, also ob eine Herz-Insuffizienz vorliegt.

Behandlung der Herz-Insuffizienz

Ziele der Therapie einer Herzinsuffizienz sind:

  • Besserung der Luftnot und Abnahme der Ödeme, womit auch eine Verbesserung der Lebensqualität einhergeht,
  • Verhindern einer Notwendigkeit zur Aufnahme im Krankenhaus,
  • Abnahme der vorzeitigen Sterblichkeit.

Die Therapie richtet sich nach ärztlichen Leitlinien, wie die der amerikanischen, der europäischen und der deutschen Herz-Gesellschaften und nach Nationalen VersorgungsLeitlinien (NVL). Im Prinzip kommen vier Medikamenten-Gruppen zum Einsatz, die sich an der im Herz-Ultraschall ermittelten Ejektions-Fraktion orientieren. Neben den Beta-Blockern stehen neu und an vorderster Stelle heute auch die SGLT-2-Hemmer, die primär zur Behandlung des Typ-2-Diabetes, mittlerweile aber auch zur Behandlung der Nieren-Insuffizienz und eben der Herz-Insuffizienz eingesetzt werden.

Die Medikamente zur Behandlung der Herz-Insuffizienz sind:
  • Betablocker (z. B. Bisoprolol, Metoprolol, Carvedilol, Nebivolol),
  • Sodium-Glukose-Transporter-2-Hemmer (SGLT-2-Hemmer; Empagliflozin, Dapagliflozin),
  • Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmer (ACE-Hemmer; z. B. Ramipril, Captopril), Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Hemmer/-Inhibitoren (ARNI; z. B. Sacubitril/Valsartan),
  • Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (MRA; z. B. Spironolacton, Eplerenon).

In Studien wurde für die SGLT-2-Hemmer eine deutliche Verbesserung auch der Prognose der Betroffenen nachgewiesen. SGLT-2-Hemmer werden deshalb sogar unabhängig von der Ejektions-Fraktion eingesetzt. Auch zur Therapie der diastolischen Herz-Insuffizienz, die oft ebenfalls behandlungsbedürftig ist, sind die SGLT-2-Hemmer zugelassen, auch bei normaler linksventrikulärer Ejektions-Fraktion.

Auch eine Gabe von Eisen ist nach neuen Studien sinnvoll. Etwa 30 bis 60 Prozent der Menschen mit Herz-Insuffizienz haben einen Eisen-Mangel.

Zusammenfassung

Eine Herz-Insuffizienz sollte so schnell wie möglich diagnostiziert werden, um rasch mit Medikamenten behandeln zu können, ggf. in steigender Dosierung. Die Langzeit-Prognose ist ansonsten nicht gut. Wie sich in der letzten Zeit gezeigt hat, erfolgt die Behandlung am besten im Rahmen eines interdisziplinären Herz-Insuffizienz-Netzwerks. Telemedizinische Ansätze der Versorgung haben sich dabei sehr bewährt, wie Studien belegen. Die enge Kooperation zwischen Hausärztin/-arzt, Kardiologin/Kardiologe und Fachklinik ist grundlegende Voraussetzung!


von Dr. Gerhard-W. Schmeisl

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2024; 72 (6) Seite 30-35

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