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Wenn ein Diabetes vorliegt und die Blutzuckerwerte zu hoch sind, steigt das Risiko für eine Schädigung der Nerven. Wie man dieser diabetischen Polyneuropathie vorbeugen und wie man sie feststellen und behandeln kann, lesen Sie hier.
Angela H. geht eigentlich vierteljährlich zu ihrem Diabetologen – allerdings war sie wegen der Corona-Pandemie schon zwei Jahre nicht mehr dort. Wegen zunehmender Unsicherheit beim Gehen ist sie aktuell aber sofort zu ihm gegangen. Sie weiß manchmal nicht mehr genau, wo sie hintritt, und sie kann nachts ihre Bettdecke nicht mehr ertragen – fast wie ein Schmerz, sehr unangenehm!
Der Diabetologe stellt neben einem HbA1c von 9,0 % (früher 7,5 bis 8,0 %) auch Hinweise für einen beginnenden Nerven-Schaden fest und schickt sie zu einem Neurologen. Dieser bestätigt die Diagnose einer Polyneuropathie und verschreibt ihr Medikamente. Bereits nach zwei Monaten geht es ihr besser – ihr HbA1c-Wert ist durch Gewichtsreduktion mittlerweile ebenfalls auf 8,1 % gesunken.
Die diabetische Polyneuropathie ist entgegen einer häufig vertretenen Meinung nicht Zeichen eines „Spätschadens“ bei Diabetes – sie kann schon sehr früh im Lauf einer Diabetes-Erkrankung auftreten. Andererseits unterliegt das periphere Nervensystem – also die Nerven in den Armen und Beinen – auch einem Alterungs-Prozess. In etwa 60 bis 80 Prozent aller Fälle kann man eine Polyneuropathie einer speziellen Erkrankung zuordnen. Die Nerven-Schädigung durch Diabetes kann heute meist eindeutig nachgewiesen werden.
Typische Symptome/Beschwerden einer peripheren Polyneuropathie an Füßen bzw. Händen sind Missempfindungen wie:
Die distal-symmetrische sensible bzw. sensomotorische Neuropathie bei Diabetes ist die häufigste Form des diabetischen Nerven-Schadens. Diese muss immer von anderen Erkrankungen und anderen möglichen Ursachen einer Polyneuropathie abgegrenzt werden – denn dies hat Konsequenzen besonders für die Therapie. Gerade auch mit zunehmendem Alter der Betroffenen müssen beim Vorliegen von Schmerzen verschiedene, im Alter häufig vermehrt auftretende Erkrankungen ausgeschlossen werden wie:
Wir wissen heute, dass das Risiko für eine periphere Polyneuropathie umso höher ist, je höher der HbA1c-Wert (Langzeit-Zuckerwert) ist. Bei Typ-1-Diabetikern sind insbesondere hohe Blutzuckerwerte entscheidend. Bei Typ-2-Diabetikern sind daneben noch Faktoren wie Übergewicht, Störungen des Fettstoffwechsels und Entzündungen Ursache der Nerven-Schädigung. Das Risiko für eine Polyneuropathie erhöht sich offensichtlich schon bei über Jahre nur leicht erhöhten Blutzuckerwerten, also im Stadium des Prädiabetes. Ein Verlust von Nervenfasern konnte in Haut-Proben (Haut-Biopsien) bereits wenige Jahre nach Diagnose eines Typ-2-Diabetes in der Deutschen Diabetes-Studie festgestellt werden.
Die typischen Beschwerden der diabetischen Polyneuropathie sind in der Regel auf eine Schädigung der Nerven, die die Erregung leiten, zurückzuführen. Diese schädigenden Veränderungen können bereits viele Jahre vorliegen, bevor es zu schmerzhaften Symptomen kommt. Dieses Nicht-Spüren der Veränderungen, das mit einem verminderten Schmerz-, Temperatur- und Berührungs-Empfinden einhergeht, kann so schon die Ursache für Geschwüre mit der Gefahr der Amputation sein.
Für die erfolgreiche Behandlung ist die frühzeitige und richtige Diagnose entscheidend. Ein Kriterium dafür sind die typischen Beschwerden. Darüber hinaus verwenden Ärzte eine Art Punktesystem (Score), das hilft, eine Diagnose zu stellen. Zwei dieser Scores sind der Neuropathie-Symptom-Score (NSS) und der Neuropathie-Defizit-Score (NDS). So ist es zum Beispiel wichtig, festzustellen, ob ein Patient Schmerzen oder Missempfinden spürt oder ob er nichts spürt und Reflexe sowie Vibrations- und Temperatur-Empfinden nicht mehr oder abgeschwächt nachweisbar sind. Für die Untersuchung verwenden Ärzte „einfache“ Hilfsmittel wie Zahnstocher, die Rydel-Seiffer-Stimmgabel, einen Wattebausch und ein Monofilament (siehe Info-Kasten).
An erster Stelle steht natürlich, dass man versucht, die eigentliche Ursache auszuschalten. Zu den allgemeinen Maßnahmen zählen
Als nicht medikamentöse Therapien haben sich besonders physikalische Therapieverfahren bewährt wie
Wenn dies nicht oder nicht mehr zu einer Besserung der Beschwerden führt, behandelt man symptomatisch – man behandelt nicht die Ursache, sondern lindert nur die Beschwerden durch bestimmte Medikamente.
Um die Schädigung der Nerven zu reduzieren bzw. positiv zu beeinflussen, hat es zahlreiche Untersuchungen mit Tieren gegeben. Daraus hat man Medikamente entwickelt, die zum Teil die Beschwerden der Patienten bessern können.
Alpha-Liponsäure, Benfotiamin
Alpha-Liponsäure wirkt antioxidativ und wird z. B. als Infusions-Behandlung mit anschließender vorübergehender Einnahme von Tabletten eingesetzt. Möglich ist auch Benfotiamin, ein fettlöslicher Abkömmling von Vitamin B1, das ebenfalls eventuell den Krankheits-Prozess beeinflussen kann.
Antiepileptika, Antidepressiva
Hier werden insbesondere Antiepileptika (Medikamente eigentlich zum Behandeln einer Epilepsie, also eines Krampfleidens) in Kombination mit Antidepressiva (Medikamente eigentlich zum Behandeln einer Depression, die aber hier nicht gleichzeitig vorliegen muss) zur Behandlung des Schmerzes im Rahmen der diabetischen Neuropathie eingesetzt. Dazu gehören insbesondere die Wirkstoffe Duloxetin und Pregabalin.
Opioide
Gerade durch Opioide kann oft eine deutliche Schmerz-Reduktion erreicht werden. Die Nebenwirkung Verstopfung muss dabei berücksichtigt werden. Neuere länger und gleichmäßiger wirkende Medikamente verursachen dieses Problem oft nicht mehr. Klassische Wirkstoffe sind z. B. Tramadol und Oxycodon, ein neuerer Wirkstoff z. B. Tapentadol.
Antirheumatika, Entzündungs-Hemmer
„Anti-Rheuma-Mittel“, z. B. Diclofenac, Ibuprofen und Paracetamol und auch Metamizol helfen in der Regel bei Nerven-Schmerzen nicht oder nur sehr wenig. Außerdem haben diese Medikamente einige Nebenwirkungen, die beachtet werden müssen. Lokal können auch Pflaster mit Chili (Capsaicin) vorübergehend helfen.
Eine völlige Schmerz-Freiheit ist oft nicht möglich. Bereits eine leichte Reduktion der Schmerzen verbessert aber oft dramatisch die Lebens-Qualität.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (6) Seite 32-35
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