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Erhöhte Leberwerte werden oft zufällig entdeckt. Sie sind häufig vorübergehend, gerade wenn man keine Beschwerden hat. Sie sollten die Werte immer wieder überprüfen lassen, um ernste Erkrankungen auszuschließen.
Bei der ersten Nachuntersuchung beim Hausarzt war dieser sehr erschrocken: In den Augen zeigte sich eine Gelbfärbung, und im Blut waren die Leberwerte massiv erhöht. Der Hausarzt reagierte richtig und setzte die „Rhythmus-Medikamente“ sofort wieder ab – dies war auch möglich, weil Peter K. wieder einen stabilen Herzrhythmus hatte! Die Bindehaut beider Augen war nach einer Woche wieder klar, und die Leberwerte waren glücklicherweise fast wieder im Normbereich, der Herzrhythmus blieb stabil.
Erhöhte Leberwerte sind ein häufiger Laborbefund – oft zufällig entdeckt und meist nicht Zeichen einer schweren Grunderkrankung. In der Reha-Klinik sehen wir sie häufig nach Operationen. Die Narkosemittel, aber auch Schmerzmittel, Medikamente bei psychischen Erkrankungen und solche gegen Herzrhythmusstörungen können die Auslöser sein.
Die am häufigsten diagnostizierte Lebererkrankung mit erhöhten Leberwerten ist die Fettleber – ursächlich ist unsere „westliche“ Fehlernährung, nicht selten aber auch übermäßiger Alkoholkonsum und die längerfristige, oft unkontrollierte Einnahme von Medikamenten. Bei sehr jungen Menschen mit ständiger Müdigkeit, Übelkeit, fehlendem Geschmacksempfinden und normalem Gewicht kann es sich auch um den seltenen Morbus Wilson handeln – eine Krankheit, bei der sich zu viel Kupfer im Körper anreichert.
Andererseits kommt es pro Jahr bei etwa 200 bis 500 Menschen in Deutschland „aus heiterem Himmel“ zu plötzlichem Leberversagen – dies kann im Extremfall tödlich verlaufen. Leberschädigungen bis hin zum Leberversagen können aber auch auftreten durch längere Einnahme von Medikamenten wie Paracetamol und Phenprocoumon (Handelsname z. B. Marcumar), und Medikamenten pflanzlicher Herkunft (z. B. Kava-Kava (seit 12/2019 nicht mehr zugelassen), Aloe vera), akut aber auch durch das Pilzgift Amanitin (z. B. im Knollenblätterpilz).
Die bei der Blutentnahme kontrollierten Leberwerte sind dann erhöht, wenn die Leberzellen geschädigt wurden. Wenn Leberwerte nur etwa doppelt so hoch wie normalerweise sind, kann man in der Regel einige Monate abwarten, vielleicht bestimmte Medikamente weglassen und dann nochmals kontrollieren. Durch die Kombination verschiedener Leberwerte (z. B. AST, ALT, Gamma-GT) kann so in etwa 95 Prozent der Fälle eine sichere Diagnose gestellt werden:
Man kann heute schon von einer „Fettleber-Welle“ sprechen – bedingt durch krankhaftes Übergewicht (Adipositas), Bewegungsarmut und Typ-2-Diabetes. Aber wohl auch Stress, Umweltgifte und verschiedene Medikamente z. B. gegen erhöhte Fettwerte, Bluthochdruck, Schmerzen, rheumatische Erkrankungen sowie der Gerinnungshemmer Marcumar können zur Entwicklung einer Fettleber beitragen. Vom Bild der Fettleber (Steatose) spricht man, wenn im Ultraschall mehr als 5 Prozent der Leberzellen Fettansammlungen mit mittelgroßen Fetttropfen haben und vergrößert sind.
Als „nichtalkoholisch“ oder „NAFLD“ wird die Fettleber bezeichnet, wenn der Alkoholgenuss glaubhaft bei Frauen < 20 g und bei Männern < 40 g pro Tag liegt. Als „NASH“ bezeichnet man die chronisch fortschreitende NAFLD. Sie kann sich bei Patienten mit krankhafter Vermehrung des Bindegewebes der Leber (Leber-Fibrose) in 2 bis 5 Prozent zur Leber-Zirrhose weiterentwickeln; dadurch können Leberkrebs oder sogar Leberversagen drohen.
Bisher erfolgte die Diagnose einer NAFLD aufgrund der Ultraschalluntersuchung – mit Lebervergrößerung, erhöhter Dichte (im Vergleich zur Niere) sowie plumper Form – und/oder MRT-Untersuchung („Kernspin“) sowie ohne Alkohol-Missbrauch laut Patientenangabe. Die Leberwerte sind nicht sicher verwertbar – meist findet man leicht erhöhte AST- und ALT-Werte und einen erhöhten Gamma-GT-Wert.
Leberwerte: Normwerte und Veränderungen bei NAFLD | |||
Leberwert | Normwert | Veränderung bei NAFLD | |
AST (auch als GOT bezeichnet) | Männer: bis 50 U/l, Frauen: bis 35 U/l | ca. 2- bis 3-fach erhöht | |
ALT (auch als GPT bezeichnet) | Männer: bis 50 U/l, Frauen: bis 35 U/l | Männer: bis 50 U/l, Frauen: bis 35 U/l | |
Gamma-GT | Männer: bis 60 U/l, Frauen: bis 40 U/l | kann 2-fach erhöht sein | |
Alkalische Phosphatase | Männer: 40 – 130 U/l, Frauen: 35 – 105 U/l | kann 2-fach erhöht sein | |
AST/ALT-Quotient (de-Ritis-Quotient) | 0,6 – 0,8 | unter 1: geringer Leberschaden, über 1: schwerwiegenderer Leberschaden |
Grob gesagt stammt mehr als die Hälfte des Fettes in der Fettleber aus unseren eigenen Fettzellen, die irgendwann nicht mehr in der Lage waren, noch mehr Fett zu speichern – trotz immer größeren Volumens („Fettzellen platzen fast“). Durch krankhaftes Übergewicht (Adipositas) und Insulinresistenz, sprich reduzierte Empfindlichkeit gegenüber Insulin, häufen sich in den Leberzellen vor allem freie Fettsäuren aus Triglyzeriden (Neutralfetten) an, die in energiereichen Lebensmitteln, Fast Food, Süßigkeiten, Softdrinks und Fertiggerichten enthalten sind oder daraus entstehen. Eine NAFLD ist somit eng mit einer Adipositas verbunden.
Warum und wann eine NAFLD sich in eine NASH weiterentwickelt, ist bisher nicht geklärt. Es scheinen dabei aber Darm-Bakterien (Mikrobiom) und die Aktivierung unserer unspezifischen Immunabwehr eine Rolle zu spielen. Da aber nicht alle Übergewichtigen eine NAFLD entwickeln, sind wohl auch genetische und Umweltfaktoren daran beteiligt.
Mit der Entwicklung von Übergewicht und einer Fettleber steigt auch das Risiko für einen Typ-2-Diabetes. Verfettete Leberzellen produzieren vermehrt das Protein Fetuin-A, das die Wirkung des Insulins reduziert und die Produktion bestimmter Botenstoffe verändert. Dadurch scheint das Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zuzunehmen – zum Beispiel für Herzinfarkt und Schlaganfall.
Bisher gibt es noch keine medikamentöse Therapie der NAFLD. Möglicherweise könnte bis zur Entwicklung spezieller Medikamente ein anderes Vorgehen sinnvoller sein: Die Ursache der NAFLD muss beseitigt werden! Womöglich kann das „Leberfasten“ (bekannt durch den Ökotrophologen Dr. Nicolai Worm) das Problem langfristig beseitigen.
Früher und noch bis heute hört man oft, dass rund 50 Prozent der täglichen Nahrung aus Kohlenhydraten bestehen sollten – dies war und ist durchaus wichtig für Menschen, die sehr stark körperlich arbeiten. Nur sagen Sie selbst: Bei unserer heutigen Lebensweise erscheint es sinnvoller, Kohlenhydrate zu reduzieren zugunsten von Proteinen und/oder Fetten. Denn wenn mehr Kohlenhydrate gegessen als verbraucht werden, entsteht Fett! Dass derartige „Fastentage“ insulinempfindlicher machen, kennen einige von Ihnen von den „Hafer-Tagen“ – sehr effektiv, um bei Übergewichtigen und bewegungseingeschränkten Patienten die Insulinempfindlichkeit zu verbessern!
Erhöhte Leberwerte sind glücklicherweise oft nur von vorübergehender Dauer – besonders, wenn keine anderen Beschwerden vorliegen. Sie sollten aber immer kontrolliert und ernst genommen werden. Denn chronische Leberwerterhöhungen insbesondere mit Beschwerden wie Hautveränderungen (auch Juckreiz!), anhaltender Müdigkeit ohne erkennbaren Grund usw. können auch gefährliche Erkrankungen als Ursache haben. Eine Fettleber als Ursache kann zunächst oft „diätetisch“ angegangen werden mit Ernährungsumstellung sowie mit Leberfasten – ein besserer Verlauf der Blutzuckerwerte ist oft die Folge.
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (7) Seite 30-32
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