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In Gondar, der früheren Hauptstadt Äthiopiens, brachte mich Peter auf mein nächstes Etappenziel während meiner Reise am Horn von Afrika Ende 2013. Sein Tipp: Der Simien-Nationalpark mit dem höchsten Gebirge des Landes, das mit dem Gipfel des Ras Dashen über 4.500 m erreicht, sei ein einmaliges Naturerlebnis. Auch wenn er oben in den Bergen nachts im Zelt gefroren und wegen des geringen Sauerstoffgehalts nach Luft geschnappt habe. Ich las im Reiseführer nach: „Beachten Sie die Höhenlage, die Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit haben kann. Die Tagestemperaturen liegen zwischen 12 und 25 Grad, nachts kann es bis unter den Gefrierpunkt gehen – also warme Sachen für das Campen einpacken!“
Mit dem Bergführer Eyosi und Birara, einem Scout mit Kalaschnikow, brach ich zu einer zweitägigen Tour in die Berge auf. Vor dem Start informierte ich die beiden, dass ich als Typ-1-Diabetikerin unterwegs häufiger meinen Blutzucker kontrollieren und bei niedrigen Werten Kohlenhydrate zu mir nehmen müsse. Ich rechnete damit, dass ich wegen der vielen Bewegung unterzuckern würde.
Birara trug meinen Rucksack die Berge hoch und runter, wir mussten häufig Talsenken überwinden. Vorbei an Riesenlobelien, Johanniskrautsträuchern, Lämmergeiern, Blutbrustpavianen, und das alles vor bizarren Felsformationen. Immer ging mir der schon etwas ältere Scout, der sein Tempo bei Steigungen nicht verlangsamen musste, voraus, unser Abstand vergrößerte sich. Die letzten anderthalb Stunden am ersten Tag gingen schnurstracks bergauf, über große Steine, durch tiefe Erdfurchen. Meine Beine fühlten sich an wie Pudding, ich hätte keinen Schritt weiter geschafft als bis zum Gich Camp auf 3.600 m. Und noch eine neue Erfahrung: Trotz der großen Anstrengung hatte ich unterwegs keine Unterzuckerung, sondern hohe Blutzuckerwerte, was ich auf die Höhenlage zurückführe.
Kurz vor Sonnenuntergang zwängte ich mich in zwei Fleecepullover plus Jacke und zog zwei Hosen übereinander an. Mein hastig eingenommenes Abendbrot bestand wie mein verfrorenes Frühstück am nächsten Morgen aus einem vegetarischen Hotdog – Banane im Brötchen. Über zwölf Stunden – von 18:30 bis 7:00 Uhr war es dunkel – kämpfte ich im klammen Zelt im Schlafsack mit einem Handtuch über dem Gesicht gegen die Kälte. Höchstens drei Stunden davon habe ich schlafen können, meistens schaute ich voller Erwartung auf meinen Wecker mit Thermometer.
Im Zelt sank die Temperatur nachts auf 1 Grad. Mit dem Atmen bekam ich keine Probleme, dafür morgens beim Blutzuckermessen. Nachdem es mir gelungen war, mit vor Kälte steifen Fingern einen Teststreifen aus dem Röhrchen zu klauben und ins Messgerät zu stecken, bekam ich eine Fehlermeldung. Laut Gebrauchsanweisung soll ich mein OneTouch VerioIQ bei mindestens 5 Grad aufbewahren, da lag ich drunter. Nachdem ich das Gerät zwischen den Handflächen warm gerieben hatte, funktionierte es wieder.
Mit Hilfe eines Maultiers schaffte ich es am zweiten Tag auf über 4.000 m. Einmal ist das arme Tier ausgerutscht, geschmolzener Raureif verwandelte den Trampelpfad in eine Matschrutschbahn. Eyosi zeigte mir abessinische Steinböcke und erzählte viel über das Leben in Äthiopien.
Unterwegs machte er mich mit seinem Kollegen Eshetu bekannt, einem Typ-1-Diabetiker. Er spritzt morgens und abends Insulin, sein Monatsvorrat kostet 5 US-Dollar. Einmal pro Woche lässt er im Krankenhaus seinen Blutzucker messen. Unterzuckerungen bemerke er auch ohne eigenes Messgerät, versicherte mir der zurückhaltende junge Mann. Auf seinen Bergführungen habe er immer ausreichend Traubenzucker dabei. Als Eshetu ein Jahr vor unserer Begegnung an Diabetes erkrankte, wurde er oben auf dem Berg halb bewusstlos und musste hinuntergetragen werden. Später ist ihm einmal während einer Tour seine Einwegspritze zerbrochen, aber ein über Handy informierter Kollege brachte ihm ein Ersatzgerät hoch aufs Dach Afrikas.
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