Wandern entlang der Küste Englands. Im Januar.

5 Minuten

Community-Beitrag
Wandern entlang der Küste Englands. Im Januar.

Sabbatical & Wanderlust

Bild 1_SWCP

Konfuzius nannte den Weg das Ziel und Rousseau war der Meinung, dass alle Menschen die Wahrnehmung machen würden, dass man auf hohen Bergen, wo die Luft rein und dünn ist, freier atmen und sich körperlich leichter und geistig heiterer fühlen würde.

Wandern bedeutet Erholung an der frischen Luft und bietet eine Möglichkeit, vom Alltag abzuschalten. Die einzige Aufgabe ist es, von A nach B zu kommen, und wenn das Ziel erreicht ist, ist man im Idealfall körperlich erschöpft und zufrieden über die Leistung, die man erbracht hat.

Ein passender Start für mein Sabbatical, wie ich fand, und eine Möglichkeit, mir fernab meiner Heimatstadt München den Kopf frei pusten zu lassen und über die Zukunft nachzudenken.

Bild 2_SWCP

Da der South West Coast Path ganzjährig bewanderbar ist, packte ich Mitte Januar meinen Wanderrucksack inkl. Diabetes-Equipment für 3 Wochen und buchte einen Flug nach London. Von dort ging es per Zug und Bus über Taunton zum Ausgangspunkt Minehead in Somerset. Spät abends kam ich im ersten Bed & Breakfast an. Es war stockdunkel und regnete in Strömen. Ich fror, trug alle Jacken, die ich eingepackt hatte, und verfluchte die Idee, in England zu wandern. Im Januar.

Am nächsten Tag zeigte sich jedoch die Sonne, ein Wettervorbote für die gesamte Wanderung.

The beginning: Der South West Coast Path

Die erste Etappe führte 14,5 km und 700 Höhenmeter von Minehead nach Porlock. Schon die ersten Meter füllten mich mit der Art vollkommenen Glücks, die ich so nur vom Wandern in der Natur her kenne.

Der Trail schlängelte sich zum Großteil an der Küste entlang, der Eichel-Markierungskennzeichnung des National Trails nach. Es ging über Hochebenen, die noch mit Schnee bedeckt waren, und durch Wälder, zwischen den Bäumen Klippen und die wilden Wellen des Atlantiks sichtbar.

Bild 3_SWCP

Der South West Coast Path, kurz SWCP, gehört zum Netz europäischer Fernwanderwege und ist zugleich Großbritanniens längster ausgeschilderter National Trail. Mit 630 Meilen (1.014 km) verläuft er von Minehead in Somerset entlang der Küste durch Devon und Cornwall nach Poole Harbour in Dorset. Ursprünglich wurde der Weg zur Abwehr gegen Schmuggler angelegt, auf dem die Küstenwache patrouillierte. Heute wird der Weg vom National Trust gepflegt und von Freizeitwanderern genutzt.

Läuft man den gesamten Trail, erklimmt man in Summe über 35.000 Höhenmeter (fast viermal die Höhe des Mount Everest!), da der Weg bei jeder Flussmündung steigt und fällt. Die Belohnung: eine beeindruckende Aussicht!

Bild 4_SWCP

Nur sehr selten traf ich andere Wanderer, alle mit deutlich leichterem Gepäck, vermutlich für eine Tagestour gerüstet. Trotz Wanderführer* verlief ich mich gleich am ersten Tag. Da es um 17.00 Uhr bereits dunkel wurde und es keinen Handyempfang gab, platzierte ich in einem Anfall der Panik eine Bananenschale mitten auf dem Weg, bevor ich weiterlief. (Falls ich verschollen ging, würde man mich so leichter finden, vermutete ich…)

Oh Rosemunde!

Irgendwann erreichte ich Porlock. Einer von zahlreichen kleinen Küstenorten mit Schokoladen und Toffee-gefärbten Cottages, die aussehen wie Kulissen aus einem Rosamunde-Pilcher-Film.

Im Victorian Teahouse, einem Café wie aus Großmutters Zeiten, aß ich eine Sahne-Brokkolisuppe, um der Januar-Kälte zu entfliehen. Ich übernachtete in Gill’s Bed & Breakfast, die dort mit ihrem Golden Retriever wohnte und 364 Tage im Jahr für Gäste geöffnet hat. Neben einem Fön fand ich dort außerdem eine Wärmflasche. Halleluja! Der Abend war gerettet!

Diabeteseinstellung

Bild 5_SWCP

Dank der regelmäßigen täglichen Bewegung von bis zu sieben Stunden hatte ich eine ruhigere Blutzuckerkurve als zu Hause. Für das Frühstück gab ich keinen oder nur einen Teil des Bolus ab. Zudem reduzierte ich die Basalrate für die Wanderzeit je nach Anstrengung auf 50-70 %. Bei einem erhöhten Blutzucker vor dem Schlafengehen war ich außerdem zögerlicher, was Insulinkorrekturen anging. Bis auf wenige Ausrutscher nach unten bzw. oben pendelte sich der Blutzucker zwischen 80 und 180 mg/l (4,4 und 10,0 mmol/l) ein.

Wandern ohne Wanderschuhe

Bild 6_SWCP

Da die Sonne erst gegen 8.00 Uhr aufging, es jedoch ab 16.30 Uhr schon wieder dunkel wurde, wanderte ich meist vor Sonnenaufgang und mit Stirnlampe los. Unterwegs traf ich auf wilde Ponys und zahme Schafe. Lernte, dass, wenn man einen Cream Tea bestellte, keinen Schwarztee mit Sahne bekam, sondern ein süßes englisches Gebäckstück (scone) mit Schlagsahne und Marmelade. Ich passierte kleine Fischerdörfer und den „Great Hangman“, den mit 318 m höchsten Punkt des South West Coast Paths. Der Weg war abwechslungsreich und das Wetter wohlgesonnen.

Am dritten Morgen in Combe Martin, beim Anziehen meiner vom Kaminofen vorgewärmten Wanderschuhe, merkte ich jedoch, dass sich das Innenfutter an den Zehen verformt hatte. Durch die Hitze des Feuers waren sie plötzlich eine Nummer zu klein. Wer jemals mit zu kleinen Wanderschuhen gelaufen ist, weiß, dass es nichts Unerträglicheres gibt. Ich lief dennoch los, stoppte nach zwei Stunden jedoch mit schmerzenden Füßen.

Bild 7_SWCP

Für nur 10 Pfund fand ich Ersatz„wander“schuhe, die zumindest einigermaßen passten. Ich hatte keine Lust, meine Wanderung schon nach drei Tagen für gescheitert zu erklären.

So ging es weiter nach Woolacombe, vorbei an Stränden und Surfern, die den Januar-Wellen des Atlantiks trotzten. Im Sommer findet sich hier ein wahres Paradies, nicht nur für Surfer. In der Nebensaison hatten die vielen Cafés, Bars und Surfshops wegen Renovierungsarbeiten jedoch geschlossen. Mittlerweile hatte ich die Grenze von Somerset nach Devon überquert. Der Trail führte landeinwärts am Fluss Taw und an einem der wichtigsten Biosphärenreservate Englands, den Braunton Burrows, entlang.

The end: How to throw a towel, oder: Das Handtuch werfen.

Bild 8_SWCP

Am Tag darauf musste ich meine Wanderung erneut unterbrechen. In einer der Unterkünfte hatte ich mir Bettwanzen eingefangen. Eine deutsche Ärztin vor Ort verschrieb mir eine Cortisonsalbe, anschließend ließ ich alle Anziehsachen waschen.

Gedemütigt durch einen juckenden Po und die erneute unfreiwillige Unterbrechung, ging es am Tag darauf weiter nach Westward Ho!. Meine Füße waren von Blasen und Druckstellen übersät und schmerzten höllisch. Die10-Pfund-Wanderschuhe waren tatsächlich nicht mehr wert als ihr Preis. Kurzerhand schmiss ich sie in den Müll und erklärte meine Wanderung für beendet.

Ich war enttäuscht, wusste aber, dass es mit diesen Schuhen nicht sinnvoll war, auch nur 1 Meile zu laufen. Eine Wanderung ist nur dann gut, wenn man weiß, wann man aufhören muss.

Nach 124 km, 6.000 Metern Auf- und Abstieg und nur 7 Wandertagen schmiss ich das Handtuch und reiste die restliche Zeit bis zu meinem Rückflug nach Deutschland nach Bath, Bristol und London.

Fazit

Egal ob für einen Tagestrip oder für mehrere Tage (oder Wochen): Der South West Coast Path gehört meiner Meinung nach zu den schönsten Wanderwegen überhaupt. Man erlebt die abwechslungsreiche und wildromantische englische Natur mit Meer, Bergen und Schafen, dazwischen idyllische Fischerorte und Städtchen. Durch das gute Bus- und Zugnetz kann die Wanderung entlang der Küste flexibel gestaltet werden.

Auch ich will zurückkehren! Dann mit richtigen Wanderschuhen!

Bild 9_SWCP

HilfreicheTipps & Tools*

– Die App „Forever Map“: funktioniert wie Google Maps auf dem Smartphone, weltweit und ohne Internetverbindung. Tolle Sache.

– die South West Coast Association bringt neben einem detaillierten Wanderführer für jede Etappe jedes Jahr einen Wanderführer heraus, der aktuelle Unterkünfte und Sehenswürdigkeiten auflistet

Ähnliche Beiträge

Diabetes-Anker-Podcast: Typ-1-Diabetes früher erkennen und sogar aufhalten – ist das möglich, Frau Prof. Ziegler?

Wie lässt sich Typ-1-Diabetes erkennen, schon bevor Symptome auftreten? Und was wird in der AVAnT1a-Studie untersucht – und mit welchem Ziel? Darüber sprechen wir im Diabetes-Anker-Podcast mit Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler.
Diabetes-Anker-Podcast: Typ-1-Diabetes früher erkennen und sogar aufhalten – ist das möglich, Frau Prof. Ziegler?

3 Minuten

Kommt es am Ende doch auf die Größe an?

Insulinpumpen werden immer kleiner – ein Fortschritt für viele, doch für manche Menschen mit Diabetes ein Problem. Community-Autor Daniel legt dar, warum Pumpengröße und Insulinmenge aus seiner Sicht entscheidend für individuelle Bedürfnisse bleiben.
Kommt es am Ende doch auf die Größe an? | Foto: privat

5 Minuten

Community-Beitrag

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert