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Sport macht Spaß, Sport hält fit, Sport verbessert die Insulinempfindlichkeit, Sport verbessert die Stoffwechsellage. So weit so klar. Deshalb rät uns ja unser Arzt so hartnäckig dazu, deshalb können wir sportliche Motivationstipps in beinahe jedem Diabetesmagazin nachlesen. Allerdings können insulinpflichtigen Diabetikern beim Sport auch eine Menge kleinere oder größere Missgeschicke passieren. Dinge, über die Stoffwechselgesunde im Traum nicht nachdenken müssen. Das ist zwar blöd, aber leider nicht zu ändern. Also ran an die Herausforderung! Ich habe einmal sechs typische Probleme zusammengestellt, die einem im Zusammenhang mit Sport und Diabetes begegnen können – und was ich persönlich in so einem Fall unternehme.
Warum? Bewegung verbraucht zusätzlich Glukose, gleichzeitig wirkt das vorhandene Insulin stärker als sonst. Der Blutzuckerspiegel sinkt. Je weniger trainiert ich bin (oder wenn eine Sportart bzw. ein bestimmter Bewegungsablauf noch sehr ungewohnt für mich ist), desto mehr kommt dieser Effekt zum Tragen. Was hilft? Nach einer längeren Trainingspause oder bei neuen Bewegungsabläufen starte ich sicherheitshalber mit einem Blutzucker von 150 bis 160 mg/dl (8,3 bis 8,9 mmol/l). Außerdem habe ich immer Sport-KE in Form von Traubenzucker und/oder Saftschorle dabei, damit ich im Zweifelsfall schnell Kohlenhydrate „nachladen“ kann.
Warum? Bei Blutzuckerwerten jenseits der 200 mg/dl (11,1 mmol/l) fühle ich mich einfach nicht fit. Die Beine werden bleischwer, manchmal fängt sogar das Bild vor meinen Augen ein bisschen zu flimmern an. Optimal trainieren kann ich persönlich bei einem Blutzuckerwert zwischen 110 und 160 mg/dl (6,1 und 8,9 mmol/l). Was hilft? Wenn ich vor dem Sport also einen hohen Wert messe, dann überlege ich zunächst, wann ich den letzten Bolus abgegeben habe und ob deshalb eine Chance besteht, dass der Blutzucker in Kürze von allein sinken wird. Wenn nicht, entscheide ich je nach geplanter Sportintensität, ob ich noch eine halbe Einheit Insulin zur Korrektur spritze oder doch lieber mit dem hohen Wert starte. Da ich das FreeStyle Libre Glukose-Messsystem nutze, kann ich auch während des Trainings immer wieder nach meinem Zuckerwert schauen, deshalb habe ich keine Angst vor vorsichtigen Korrekturen auch vor dem Sport.
Warum? Sport verbessert die Insulinempfindlichkeit, so dass weniger Insulin gebraucht wird, um die Glukose in die Zellen zu befördern. Wenn noch ein ordentlicher Bolus wirkt, kann das ganz schön nach hinten losgehen. Mir ist das in diesem Frühjahr beim Ostseelauf in Timmendorf so ergangen: Der Laufstart war für 9:30 Uhr angesetzt, Frühstück im Hotel gab es aber erst ab 8:00 Uhr. Ich aß bewusst wenig, um zu vermeiden, dass mir mein Frühstück beim Laufen schwer im Magen liegt. Und ich spritzte bewusst weniger Insulin, als ich sonst für ein solches Frühstückchen gebraucht hätte. Doch auch vorsorglich reduziertes Insulin ist eben Insulin und wirkt so lange, wie es nun einmal wirkt. Als wir nach dem Startschuss lostrabten, war der Frühstücksbolus also noch voll aktiv und fühlte sich durch die Bewegung umso mehr angestachelt, jegliche Glukose im Blut einzusammeln und woandershin zu verfrachten. Ich musste permanent mit Traubenzucker gegen sinkende Werte anessen und fühlte mich nicht top leistungsfähig. Was hilft? So unangenehm es auch ist, in so einem Fall hilft nur früheres Aufstehen und ein entsprechend früheres Frühstück. Ein kompletter Verzicht auf’s Frühstück funktioniert für mich allerdings auch nicht, siehe Punkt 4…
Warum? Wenn die letzte Mahlzeit schon lange her ist, muss der Körper die Glykogen- und später auch die Fettreserven anzapfen, um die Muskeln mit Energie zu versorgen. Glücklicherweise kann der Körper Glukose ja ganz wunderbar aus seinen Reserven selbst herstellen. Allerdings braucht auch diese Glukose Marke Eigenbau Insulin, damit sie von den Zellen verwertet werden kann. Und wenn der letzte Bolus ebenso wie die letzte Mahlzeit schon sehr lange her ist, kann der Körper nur auf das ständig vorhandene Basalinsulin zurückgreifen – was unter Umständen nicht ausreicht, um den steigenden Blutzuckerspiegel in Zaum zu halten. Mir ging das dieses Jahr bei gleich zwei Läufen so: Seit der letzten Mahlzeit waren schon sechs Stunden vergangen, ich war mit tollen Werten gestartet, die leider nach wenigen Kilometern auf deutlich über 200 mg/dl (11,1 mmol/l) anstiegen. Nachdem ich gründlich über diese Sache nachgedacht und sie mit meinem Diabetologen besprochen habe, weiß ich, dass ein Insulinmangel Schuld an dem Blutzuckerchaos war. Was hilft? Wenn die letzte Mahlzeit schon länger als z.B. fünf Stunden her ist und ich davon ausgehen muss, dass mein Körper sich aus seinen Reserven bedienen wird, esse ich vor dem Sport eine Kleinigkeit wie einen Müsliriegel oder eine Banane und decke das mit einem Minibolus von 0,5 Einheiten ab. Dieser Bolus entfaltet dann beim Sport genau die Kraft, die ich brauche, damit die aus den Speichern freigesetzte Glukose verwertet werden kann. Mein Diabetologe riet mir allerdings, diesen Trick nur anzuwenden, wenn ich die Möglichkeit habe, meinen Zuckerverlauf kontinuierlich zu überwachen (wie etwa mit dem FreeStyle Libre), damit ich nicht doch einmal eine Hypoglykämie riskiere.
Warum? Je nachdem, ob man mit moderater oder mit hoher Herzfrequenz trainiert, entwickeln sich die Zuckerwerte oft ganz anders. Bei Training mit maximaler Herzfrequenz wird häufig das Stresshormon Adrenalin ausgeschüttet, welches den Blutzucker ansteigen lässt. Das hat evolutionäre Gründe, denn im Grunde sind wir zumindest physisch immer noch auf das Leben in der Steinzeithöhle gepolt: Wenn Gefahr droht, braucht der Körper schnell eine Extraportion Energie, damit er rasch fliehen oder angreifen kann. Adrenalin macht’s möglich – kann einen bei der Blutzuckerkontrolle während des Sports aber auch einmal zur Verzweiflung treiben. Was hilft? Die individuelle aerobe/anaerobe Schwelle herausfinden. Das kann man entweder mit einer sportmedizinischen Leistungsdiagnostik und dann durch Training mit Pulsuhr bewerkstelligen. Ich vergesse es allerdings meist, meine Pulsuhr umzuschnallen. Doch ich kenne einen ganz einfachen Gradmesser: Wenn ich mich beim Laufen problemlos und in ganzen Sätzen unterhalten kann, ist mein Puls höchstwahrscheinlich nicht so hoch, dass mir der Adrenalinspiegel den Zuckerverlauf zerschießen kann. Beim Zieleinlauf eines Triathlons ist mir das allerdings herzlich egal: Da gebe ich richtig Gas, auch wenn das Herz ordentlich wummert. Und habe im Ziel dann meist einen etwas höheren Blutzuckerwert.
Warum? Nach dem Training sind die Glykogenspeicher in den Muskeln und in der Leber mehr oder weniger leer. Das ist ein Zustand, den unser sicherheitsbedachter Körper nicht lange hinnehmen möchte. Deshalb zieht er sich nach Ende der sportlichen Belastung Glukose aus dem Blut und bunkert sie wieder für die nächste größere Anstrengung. Dieser kleine Beutezug macht sich durch sinkende Blutzuckerwerte bemerkbar. Bei mir setzt dieser Muskelauffülleffekt meist erst ein paar Stunden nach der sportlichen Belastung ein – zumindest, wenn es sich um eine ordentliche Belastung wie z.B. einen Triathlon handelt. Was hilft? Messen, messen und nochmal messen. Und dann natürlich essen, essen und nochmal essen!
Fazit: Ordentliche Blutzuckerwerte beim Sport sind zwar kein Ding der Unmöglichkeit, aber sie fallen einem auch nicht in den Schoß. Man muss seinen Stoffwechsel schon sehr genau beobachten und analysieren – und akzeptieren, dass eine Strategie, die heute aufgeht, morgen vielleicht nicht genauso gut funktioniert. Und zwar aus Gründen, die wirman dann erst übermorgen verstehen wird.
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