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"Die erste Injektion oder das Setzen des ersten Katheters sind bedeutende Momente, an die sich Familien oft noch lange erinnern", sagt Dr. Ulrike Menzel. Sie ist Oberärztin am Altonaer Kinderkrankenhaus (AKK) und leitet seit 2010 das dortige Diabeteszentrum. Hier sorgt ein Team aus Ärztinnen und Ärzten, Diabetesberaterinnen, einem Psychologen, Ernährungsexperten, Sozialarbeitern und weiterem Fachpersonal dafür, dass Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern lernen, den Diabetes kompetent und eigenverantwortlich im Alltag zu behandeln. Sie sollen auch mit der chronischen Erkrankung altersgerecht aufwachsen und sich gut fühlen.
"Ohne dieses Team könnten wir unsere Patienten nicht so gut betreuen", sagt Ulrike Menzel. Ca. 650 Patienten versorgt das Team ambulant in Dauerbehandlung. Das AKK ist zusammen mit dem MVZ am selben Standort eines der größten Diabeteszentren für Kinder und Jugendliche in Deutschland.
Ein bis zwei Kinder bzw. Jugendliche, bei denen ein Diabetes neu festgestellt wird, werden hier pro Woche stationär behandelt. Im Schnitt sind es 80 Neu-Diagnosen pro Jahr. Tendenz steigend. Vor allem, stellen Menzel und ihr Team fest, werden die Kinder immer jünger. "Kleinere Kinder haben viel größere Blutzuckerschwankungen. Dann kommen auch bei den Familien stärkere Sorgen auf. Insgesamt ist die Betreuung aufwendiger", sagt sie.
In den ersten Tagen sei eine besonders enge Begleitung der Familien mit vielen Gesprächen notwendig. Die Diagnose sei für die meisten ein Schock und am Anfang stehe oft die Schuldfrage: Habe ich etwas falsch gemacht? "Daran müssen wir zuerst arbeiten. Die Familien haben nichts falsch gemacht", sagt Menzel. Wenn die Kinder nach der Aufnahme wieder aktiver werden und die Eltern merken, dass die Insulin-Therapie wirkt, kommen sie langsam zur Ruhe, berichtet sie. "Bei der Aufnahme fangen die Kinder oft schon an zu weinen, wenn man sie nur ansieht. Wenn sich das alles stabilisiert, können wir richtig mit dem Schulungsprogramm beginnen."
Technik spiele eine zentrale Rolle. AID-Systeme erleichterten es den Familien, bedeuteten aber auch Herausforderungen bei der Schulung. Wie schnell gerade die Kleinen akzeptieren, dass sie fortan eine Insulinpumpe tragen müssen, fasziniert Ulrike Menzel immer wieder. Grundschulkinder hätten manchmal Probleme mit dem Messen und Spritzen. Schwerer falle es oft Teenagern, die Therapie durchzuführen, wenn ihnen bewusst werde, dass sie nun mit einer chronischen Erkrankung leben und sich dadurch anders fühlen.
"Wenn die Diagnose zu einer bereits schwierigen Lebenssituation durch Migration, Flucht oder schwierigen Familienverhältnissen kommt, ist es teilweise sehr heftig für die Jugendlichen", sagt Menzel. Für solche Fälle gibt es im Zentrum psychologische und sozialpädagogische Ansprechpartner.
Neben Manifestationen und akuten Stoffwechselentgleisungen besteht der Alltag aus Einzel- und Gruppenschulungen. Einzelschulungen finden auf der peripheren Station statt, Gruppenschulungen auf einer separaten Schulungsstation. Kinder und Jugendliche leben hier über eine Woche in ihren jeweiligen Altersgruppen zusammen: Sie übernachten in Zweibettzimmern, haben theoretischen Unterricht, kochen und essen gemeinsam in der großen Wohnküche, gehen bowlen, klettern oder Eis essen. Sie üben die alltäglichen und besonderen Situationen im Leben mit dem Diabetes.
In speziellen Transitionsschulungen werden junge Erwachsene ab 17 Jahren beim Übergang ins Erwachsenenleben unterstützt. Ein Highlight ist die Segelfreizeit. "Manche warten lange darauf, bis sie 16 Jahre alt sind und endlich teilnehmen können." Bei den Schulungen und Aktivitäten gehe es immer auch um gemeinsame Erlebnisse und das Gefühl, nicht allein mit dem Diabetes zu sein. "Das motiviert die Kinder und Jugendlichen und hilft ihnen. Es entstehen auch intensive Freundschaften", berichtet Ulrike Menzel. Auch die Eltern haben in tagesklinischen Kleinkindschulungen die Gelegenheit, sich auszutauschen.
Mindestens einmal im Quartal kommen die Familien in die Ambulanz. "Wir haben einige Familien, denen es schwerfällt, die wir häufiger sehen müssen", sagt Menzel. Immer wieder stünde das Team im Konflikt zwischen medizinischem Anspruch und finanzieller Wirklichkeit. "Man bekommt oft schneller ein MRT als ein Arztgespräch. Das ist schade", sagt sie. Es sei bewiesen, dass häufigere Kontakte zum Diabetesteam den Betroffenen helfen.
Ulrike Menzel hofft darauf, dass die Gesundheitsreform der Beratung den Stellenwert einräumt, den sie verdient, damit Diabetesteams die Familien künftig noch besser unterstützen können.
Kontakt:
Diabeteszentrum für Kinder und Jugendliche am Altonaer Kinderkrankenhaus Bleickenallee 38, 22763 Hamburg Telefon: 0 40/8 89 08-4 55 Internet: www.kinderkrankenhaus.net |
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