Im März dieses Jahres hatte ich die Gelegenheit, für eine Recherche eine Kreuzfahrtreise zu unternehmen. Einzige Bedingung: Ich musste in Begleitung meines Diabetes reisen, denn die zentrale Frage lautete: „Kreuzfahrt und Diabetes – wie passt das zusammen?“ Klar, dass ich mir eine solche Chance nicht entgehen ließ, auch wenn ich aus freien Stücken nie auf die Idee gekommen wäre, eine Kreuzfahrt zu buchen. Und auch nach der Reise, die mich von Hamburg über das britische Southampton, Le Havre in Frankreich, Zeebrügge in Belgien bis Rotterdam und wieder zurück nach Hamburg führte, bleibe ich skeptisch.
Tolle Atmosphäre beim Ablegen aus dem Hamburger Containerhafen
Fantastischer Ausblick oben auf dem Jogging-Parcours auf Deck 15 beim Halt in Rotterdam
Infoveranstaltungen oder Bühnenshows – im Theatrium ist immer reger Betrieb. So viel Rundum-Bespaßung muss man mögen…
Eine Kreuzfahrt ist eine tolle Sache für Menschen, die auch sonst am liebsten Cluburlaub buchen. Doch als überzeugte Individualtouristin habe ich keine allzu große Freude an den organisierten Ausflügen, langen Schlangen am Buffet, am Animations- und Bühnenprogramm, an Freizeitstress und Reizüberflutung, wie sie nun einmal den Alltag auf einem Kreuzfahrtschiff prägen. Doch ich habe während der Kreuzfahrt auftragsgemäß meinen Diabetes mit all seinen speziellen Wünschen genau im Auge behalten und kann euch nun die 12 ultimativen Kreuzfahrttipps für Diabetiker verraten:
- Unbedingt eine Auslandskrankenversicherung abschließen! Kreuzfahrtschiffe fahren meist unter ausländischer Flagge, weswegen man sich an Bord grundsätzlich im Ausland befindet. Im Bordhospital muss man privat bezahlen und kann die Rechnung später bei seiner Auslandskrankenversicherung einreichen. Mit der normalen gesetzlichen Krankenkasse funktioniert das nicht immer problemlos – oder nur bis zur Höhe des Betrags, der auch bei einer Behandlung im Inland fällig gewesen wäre.
- Ausreichend Vorrat an Diabetes-Zubehör mitnehmen! Klingt vielleicht banal, ist aber immens wichtig, denn auf hoher See gibt es schließlich keine Apotheke, in der man sich fix mit Insulin, Teststreifen, Sensoren etc. bevorraten könnte. Allerdings kann der Bordarzt bei Bedarf ein Rezept für fehlende Diabetesutensilien ausstellen, das man beim nächsten Landgang dann in einer Apotheke einlösen kann.
Ich packe meinen Koffer und nehme mit… Insulinpens, Reservesensor, jede Menge Traubenzucker, Ladekabel für mein FreeStyle-Libre-Lesegerät, Batterien, Blutzuckermessgerät, Testkassette, Kinesiotape, Insulinampullen…
- Keine Angst vor medizinischen Notfällen! Auf jedem Kreuzfahrtschiff gibt es ein Bordhospital mit erfahrenen Bordärzten und Krankenschwestern, die AIDA prima ist sogar mit 16 Krankenbetten ausgestattet. Im Notfall schwärmt sofort ein „Medical Response Team“ aus, um den Patienten zu bergen. Im Bordhospital gibt es jede Menge medizinisches Equipment von Röntgen über Labor bis Ultraschall, dort kann man im Notfall kompetente Erstversorgung leisten. Wenn ein Passagier eine spezielle Behandlung benötigt, die an Bord nicht möglich ist, kann er zur Not auch per Hubschrauber ausgeschifft und in ein Krankenhaus gebracht werden.
- Bei Alarm erst Insulin & Co. aus der Kabine holen! Sollte der Kapitän im Notfall entscheiden, dass das Schiff evakuiert werden muss, müssen sich Diabetiker keine Sorge um ihre lebenswichtigen Utensilien machen. Bei der obligatorischen Notfallübung erklärte der Sicherheitsbeauftragte zu meiner Beruhigung: „Wenn der Alarm ertönt, müssen alle Passagiere ihre Kabine aufsuchen. Bitte holen Sie Ihre Rettungsweste und wichtige Medikamente und gehen erst dann zum Sammelpunkt. Gäste mit Handicap werden von Crewmitgliedern zum Sammelpunkt geleitet.“ Zum Glück blieb es bei der Übung – den Ernstfall erleben wohl auch nur sehr wenige Passagiere jemals…
- Kein Problem auch für Menschen mit Behinderung! Ich habe an Bord viele Menschen gesehen, die im Rollstuhl oder mit einem Rollator unterwegs sind. Bei AIDA kümmert sich eine eigene Abteilung um Barrierefreiheit an Bord. Jedes Deck ist per Fahrstuhl erreichbar, der Boden ist überall glatt und gut befahrbar, in den Buffet-Restaurants sind eigene Tische für Gäste mit Gehbehinderungen reserviert. Bei Ausflügen hilft eine Treppenraupe Rollstuhlfahrern, an Land zu gelangen. Im Fitnessstudio gibt es spezielle Geräte, mit denen auch Rollstuhlfahrer an Cycling-Kursen teilnehmen können. Auch für Hör- und Sehbehinderte gibt es viele Orientierungshilfen an Bord. Ich kann mir vorstellen, dass eine Kreuzfahrt pure Erholung ist, wenn man sich im Alltag viel mit unnötigen Barrieren herumschlagen muss.
Nicht nur der FKK-Bereich, auch andere wichtige Orte sind mit Braille-Schrift gekennzeichnet.
- Ein bisschen Disziplin an den Buffets sollte sein! Im Urlaub darf man sich natürlich auch mal etwas gönnen. Und man bucht eine Kreuzfahrt schließlich nicht, um Diät zu halten. Doch 12 (!) verschiedene Restaurants wie an Bord der AIDA prima, mit der ich unterwegs war, können einen doch ziemlich in Versuchung führen. Angeblich nimmt der durchschnittliche Passagier während einer Kreuzfahrt etwa anderthalb Kilo zu.
Und ewig lockt das Dessert…
- Kohlenhydrate selbst berechnen! Zumindest auf der AIDA prima sind die Küchenchefs zwar auf Zack, was Informationen über Allergene, Zusatzstoffe, Gluten oder Laktose angeht. Aber der Restaurantchef konnte mir auch mit einem ganzen Nachmittag Zeit für Recherche nicht beantworten, wie viele Kohlenhydrate mein gewähltes Menü enthält. Auf einer Kreuzfahrt muss man zwar nicht selbst putzen, kochen oder Handtücher wechseln, aber das Diabetesmanagement kann man leider nicht delegieren.
- Eine Kreuzfahrt ist nichts für Bewegungsmuffel! Wer das Schiff ausgiebig erkunden und an Land durch die Städte spazieren möchte, ist automatisch viel in Bewegung. Mein Tipp für das kleine Extra an Bewegung: Nicht auf den Aufzug warten, sondern grundsätzlich die Treppe nehmen! Das freut die Blutzuckerwerte und am Ende auch die Waage. Und natürlich den Schrittzähler – meiner zeigte jeden Tag im Schnitt 17.000 Schritte an!
Bei einer Kreuzfahrt werden einem viele lästige Pflichten des Alltags abgenommen. Das Berechnen der Kohlenhydrate gehört leider nicht dazu!
Viel Bewegung glättet das Glukoseprofil ungemein!
- Trotzdem auch die Sportangebote nutzen! Der Fitnessbereich auf der AIDA prima hat mich wirklich beeindruckt: neue, supermoderne Geräte, kompetente Trainerinnen und Trainer, tolles Kursangebot. Auch andere Kreuzfahrtschiffe werben mit umfangreichem Sportangebot. Am besten die Fitnesstrainer über den Diabetes informieren, damit sie im Notfall schnell reagieren können. Auf meine Anregung hin hat die Fitnesstrainerin auf der AIDA prima zum Beispiel dafür gesorgt, dass nun im Fitnessbereich immer Traubenzucker greifbar ist. Das fand ich toll – da kann bei einer Hypoglykämie nicht mehr viel schiefgehen.
Der Fitnessbereich mit vielen modernen Geräten und einem großen Kursraum hat mich wirklich begeistert!
- Vorsicht bei Cocktails & Co.! An den Bars tummeln sich insbesondere zum Ende der Reise Männer, die noch unbedingt überschüssiges Getränkeguthaben auf ihrer Bordkarte abfeiern müssen. Es ist natürlich nett, auf unzählige Cocktails eingeladen zu werden – aber man sollte gut mitzählen und hinterher darauf achten, mit einem nicht allzu niedrigen Blutzuckerwert schlafen zu gehen.
Bei allzu vielen spendierten Drinks kann man schon mal den Überblick verlieren… Dann lieber mit etwas höheren Zuckerwerten schlafen gehen, um keine nächtliche Hypoglykämie zu riskieren.
- Nicht alle Hinweisschilder ernst nehmen! Bei einem Spaziergang über das weitläufige Außendeck entdeckte ich tatsächlich ein Hinweisschild am Whirlpool, wonach Menschen mit Diabetes den Whirlpool aus Sicherheitsgründen nicht benutzen sollen. Also mich hat das nicht beeindruckt – es war schön, im Whirlpool zu liegen und aufs offene Meer zu schauen!
- Sparsam mit dem teuren WLAN haushalten! Hand aufs Herz: Wer in der Diabetes-Community aktiv ist, schickt gern täglich Selfies inklusive des aktuellen Blutzuckerwerts über Instagram, Facebook & Co. An Bord eines Kreuzfahrtschiffs kann das teuer werden! Meine 3GB Datenvolumen waren sehr fix verbraucht und hätten regulär 99 Euro gekostet!