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Das Echt Essen-Gasthaus im Februar: Ein faszinierendes Refugium der Ruhe ist die Hallig Langeneß mit dem sympathischen Hotel Anker’s Hörn.
Endlich Stille: Wer mit der Fähre die knapp zwei Stunden von Schlüttsiel bei Husum nach Langeneß fährt, taucht in eine andere Welt: Eine Welt ohne Schilder, ohne Werbung, praktisch ohne Autos; eine Welt ohne Straßenlampen, wo die Nacht noch Nacht ist.
Weltweit einzigartig sind die Halligen im Wattenmeer zwischen Husum und Sylt. Denn es sind Inseln, die bei Sturmfluten regelmäßig überflutet werden. Dann ragen nur noch die rund drei Meter hohen, aufgeschütteten Warfen mit ihren Häusern aus dem Wasser – und die Hallig ist dann nicht mehr erreichbar, wie es etwa kurz vor Weihnachten wieder der Fall war.
Langeneß ist mit 18 Warfen und rund zehn Kilometern Länge und durchschnittlich einem Kilometer Breite die größte der zehn Halligen im naturgeschützten Wattenmeer.
Anker’s Hörn auf der Mayenswarf ist eines von zwei Hotels auf der Hallig, ansonsten gibt es auf den meisten Warfen Ferienwohnungen – aber nur so viele, dass es auch im Sommer nie zu voll wird. Zu voll wird es auch nicht im grundsympathischen Anker’s Hörn mit maximal 22 Gästen.
Fast alle Zimmer bieten einen fantastischen Meeresblick – denn anders als etwa Sylt, das sich hinter riesigen Deichen wegduckt, sind die Halligen praktisch eins mit dem Meer – und so passt der Slogan des Hauses trefflich: „Hotel im Meer“.
Uutblick heißt die Lounge im höchsten Punkt des Hauses – und der Ausblick ist in der Tat spektakulär: Nach Süden die seenartigen Priele, welche die Hallig durchziehen. Im Westen grüßt die Insel Föhr mit den wenig einladenden Hochhäusern von Wyk.
Südwärts ist die Hallig Hooge zu sehen, bei gutem Wetter die Sandinsel Amrum – und bei sehr gutem Wetter ist ein Zipfel von Sylt zu erahnen. Apropos Aussicht: Das Panoramafenster der kuscheligen Sauna bietet einen herrlichen Blick ins Wattenmeer – und lockt mit einem spektakulären Sonnenuntergang.
Die jungen Gastgeber Virginia und Malte Karau führen ihr vor drei Jahren neu gebautes Hotel, in dem mittags die drei Mädchen des Paares für eine fröhliche Stimmung sorgen.
Ansonsten geht es eher ruhig zu: Morgens ein ordentliches Frühstücksbuffet im lichtdurchfluteten Restaurant mit Meeresblick, mittags essen auswärtige und Hotel-Gäste kleine Gerichte, gibt es selbst gebackenen Kuchen – und ab 18 Uhr wird ein dreigängiges Menü serviert, bei dem meist zwischen Fleisch und Fisch gewählt werden kann. So gegen 22 Uhr leert sich der Saal – die Gäste gehen hier früh schlafen.
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Eine gutbürgerliche Küche bereitet der seit zwei Jahren hier arbeitende polnische Koch. Gerne erinnere ich mich an eine ausgezeichnete Blumenkohlsuppe, an eine mit Fleisch gefüllte, ausgehöhlte Kohlrabi; an ein intensiv schmeckendes Steak mit knusprigen Bratkartoffeln; an ein saftiges Kalbskotelett mit Bohnen; ein Highlight war der auf der Haut gebratene Kabeljau mit leicht karamellisierten Karotten
Natürlich hatte ich mehr heimischen Fisch erwartet – aber wie so oft an der Nordseeküste hakelt es hier ein wenig. Die wenigen einheimischen Fischer konzentrieren sich lieber auf die Krabben, die Belieferung über die Fähre ist im hygienepingeligen Deutschland schwierig (die Dänen sehen das offenbar lockerer).
Allerdings, das vertraute mir ein Einheimischer, sind die Bewohner der Hallig auch nicht von übertriebenem Fischfangehrgeiz angetrieben, denn „hier wird zu vieles subventioniert, das hemmt die Eigeninitiative“. Immerhin habe ich eine ordentlich zubereitete Scholle und einen Dorsch gegessen.
Korrekte 22,50 Euro kostet das dreigängige Menü. Erfreulich: Die Desserts, die ich nur probiert habe, sind nicht zu süß. Erfreulich auch die kleine, übersichtliche Weinkarte, bei der es mir der süffige Rotwein Vollmond für 18,50 Euro die Flasche aus dem Weingut Gehring in Nierstein angetan hat. Die nicht zu großen Gänge, paar gute Gläschen, ausreichend Bewegung halten auch bei einem Fünf-Tage-Aufenthalt den Blutzucker in schicklichen Bahnen.
Hören, was nicht zu hören ist. Sehen, was nicht zu sehen ist – das ist das heimliche Motto von Langeneß. Nicht zu hören ist: Lärm, vor allem kein Verkehrslärm, denn es fahren kaum Autos. Dafür das Schnattern der Wildgänse, das faszinierende Rauschen, wenn Hunderte von ihnen gleichzeitig losfliegen.
Nicht zu sehen sind: Reklametafeln, Schilder, Lampen, Leitungen, alles würde ja bei der Sturmflut weggerissen. Plattes Land, darauf die Hügel der Warfen, das ist alles, herrlich. Zuckerl für Netz-Junkies: Mobiles Internet und Handy funktionieren überall.
Nicht alle lieben diese Kargheit, freuen sich über den Urlaub für Ohren und Augen, manche fliehen nach spätestens drei Tagen vor „so wenig los“. Für einen hibbeligen Stadtmenschen wie mich ist es aber genau das Richtige. Selten habe ich mich so ausführlich bewegt.
Täglich stundenlang auf dem mit schweren Steinen befestigten, holprigen, na ja Weg, direkt am Meer die Hallig umrundet, kilometerweit bei Ebbe und sauerstoffsatter Luft ins Watt gelaufen, täglich über die weichen Wiesen gejoggt. Selten so lange geschlafen, selten so tief und intensiv geträumt.
Plötzlich auch etwas gemacht, was ich noch nie gemacht habe: Die Kraft meiner Stimme entdeckt. Ich stand im tosenden Wind, artikulierte Töne, ganz laut, ganz leise, nur für mich – es konnte mich ja niemand hören. Eine beindruckende Erfahrung, die ich nicht mehr missen möchte. Nur, in der Stadt geht das nicht. Also aufs Land oder noch besser wieder auf die Hallig.
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„Manger la mer“ nennen es die Bretonen. Aber „das Meer essen“ geht auch auf Langeneß wunderbar: Überall gibt es wilde Austern, gibt es die violetten Miesmuscheln. Riesig sind die Austern teilweise, oft mit den Felsen verbunden.
Irgendwann habe ich mir ein Herz gefasst, die Austern gesammelt – und mit dem Flaschenöffner meines Schweizer Taschenmesser (was anderes hatte ich nicht) aufgebrochen. Großartig schmecken diese meeresfrischen Austern, ich könnte süchtig nach diesen Protein- und Mineralienbomben werden.
Wenn Sie es nachmachen wollen: Im hinteren Teil, da wo die Auster dicker ist, das Messer ansetzen – und dann, ganz wichtig, die Auster auf das Messer ziehen, nicht umgekehrt. Geht nicht ganz leicht, gibt manchmal ein paar Schnittwunden, aber meistens klappt es. Dran riechen, schmeckt sie frisch, ist noch Meerwasser drin, genießen, sonst wegwerfen.
Nicht sammeln dürfen die Gastronomen die Austern und für ihre Gäste zubereiten, obwohl die Austern inzwischen als Plage gelten, weil sie die Miesmuscheln dezimieren. Seltsame Wege geht der Naturschutz manchmal.
Ein echter Echt-Essen-Wirt ist Malte Karau. Denn er hat eine eigene Rinderherde, so wie die von mir schon vorgestellten Häuser Mohren am Bodensee und Truube im Appenzellerland. Welsh Black heißt die aus Wales stammende Rasse, die drei Eigenschaften hat: „Robust, ruhig und schwer“.
Tatsächlich stehen die schwarzen Kühe meistens draußen auf der Weide, auch bei Wind und Wetter – weshalb sie ungeeignet für die Massentierhaltung sind. Denn die findet nur in Ställen statt – und da würden die Tiere mit ihrem dichten Fell schwitzen, würden zu wenig Fleisch ansetzen.
Ruhig sind sie auch, trotz teilweiser mächtiger Hörner habe ich mich inmitten der Herde nie unsicher gefühlt. Schwer bedeutet, dass sie das vorhandene Gras (und nichts anderes fressen sie) gut in Fleisch umsetzen, bis zu 800 Kilo schwer werden.
Stattliche 20 Kühe umfasst die Herde, die lebt wie früher: Natürlich von einem Stier gedeckt und nicht künstlich besamt. Die Tiere gebären weitgehend eigenständig – und das im Rhythmus der Gezeiten und damit des Mondes, einem der ursprünglichsten Taktgeber von Mensch und Tier. „Über 90 Prozent der Geburten finden bei zunehmender Flut statt“, hat Malte Karau beobachtet.
Eine ökologische Tierhaltung ist das, die langfristig auch die Artenvielfalt erhöhen wird. Denn auf einem Pflanzenkongress letztes Jahr in Österreich habe ich gelernt, dass vernünftig beweidete Flächen (einschließlich der Wälder!) mehr verschiedene Pflanzen hervorbringen.
Nächste Seite: Geschmackstark und saftig +++ Sanfter kulinarischer Protest +++ Paradies für Vogelfreunde +++ kleine, feine Idylle: Hallig Oland
Geschmackstark und saftig soll Welsh Black sein – wobei in Langeneß diese Rasse zum ersten Mal auf einer Salzwiese grast, eine Weltpremiere. Im Herbst will der gelernte Koch Malte Karau, der nun auch Landwirt ist, sechs oder sieben Kühe schlachten. Ein Teil des Fleisches wird in seinem Hotel verarbeitet, einen großen Teil will er nach draußen verkaufen.
Ich werde auf jeden Fall bestellen, bin auf den hoffentlich feinen Salzgeschmack gespannt. Oder ich fahre noch einmal auf die Hallig, schließlich locken ja auch noch die Austern.
Lämmer hält Bauer Karau schon länger – und nun denkt er auch noch über Schweine nach, natürlich ganz besondere: Das Rotbunte Husumer Protestschwein schwebt ihm vor, eine alte Rasse, welche die damalige dänische Minderheit gezüchtet hat, nachdem sie auf preußischen Befehl ihre dänische Flagge nicht mehr zeigen durfte. Mit einem breiten weißen Streifen um den roten Bauch erinnern die Schweine an die rot-weiße dänische Flagge. Das gefällt mir:
Eine traditionelle, wohl schmeckende Rasse – und ein sanfter kulinarischer Protest gegen die Einheitsware der Industrielandwirtschaft. Weiter so, Malte Karau!
Ein Paradies für Vogelfreunde ist der westliche Teil von Langeneß: Hier brüten hunderttausende Vögel, hier rasten viele Zugvögel auf ihren langen Reisen von Sibirien, von Kanada nach Afrika. Im nährstoffreichen Wattenmeer finden sie einen reich gedeckten Tisch. Durch die Brutgebiete führt ein kleiner Damm zu einer Aussichtsplattform – und weiter geht es in rund einer Stunde über den holprigen Damm mitten durchs Wattenmeer nach Oland, der ältesten Hallig.
Ein Traum von einer Hallig ist Oland: Eine einzige Warf, darauf reetgedeckte Häuser und eine intime kleine Kirche, deren hölzener Glockenturm neben dem Kirchengebäude steht. In rund fünf Minuten ist die Hallig mit ihren wenigen Ferienwohnungen, dem selten geöffneten Gasthaus, keinem Geschäft (auch Langeneß hat keinen Laden mehr) umrundet.
Über einen Damm ist die Hallig mit dem Festland verbunden. Begehbar ist der Damm nicht, eine rumplige Lorenbahn transportiert Gäste und Güter zu dieser kleinen Idylle.
Langeneß und Oland sind ideal für Menschen, die mal wirklich runterkommen wollen – und die im Anker’s Hörn einen naturnahen Komfort zu vernünftigen Preisen finden.
Die Zimmer kosten pro Person im Doppelzimmer rund 50 Euro. Empfehlenswert ist das Arrangement AusZeit, das für fünf Tage einschließlich Frühstück und Abendessen pro Person im Doppelzimmer 365 Euro kostet.
von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
, Internet: www.lauber-methode.de
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