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Das Echt essen-Gasthaus im April: Kräuter und essbare Blumen sind das Markenzeichen der Saisonküche von Lothar Koch, die im Frühling besonders gut schmeckt.
Vor dem Essen sollst Du laufen – war meine Devise an einem traumschönen Frühlingstag. Also verließ ich den Zug von Freiburg nach Breisach im Winzerdorf Ihringen. Marschierte durch das propere Örtchen direkt in die Reben, die hier als steile Terrassen angelegt sind.
Ein wunderbarer Treppenweg führt in die Höh, überall blühen wilde Blumen, Narzissen, Tulpen, Pulsatilla, sogar die seltene Iris. Im Westen grüßt Breisach mit seinem mächtigen Münster, dahinter die Vogesen. Im Süden lockt die Rheinebene, im Osten der Schwarzwald mit den berühmten Aussichtsbergen Belchen und Blauen.
Eine Bank wartet oben auf den Wanderer, und die Besitzer informieren liebenswürdig über die Nutzung der Sitzgelegenheit: „Du kannst sie benutzen für Speis und Trank. Für Liebende bietet sie auch genügend Platz“. Ja, ja, der Kaiserstuhl liegt nahe beim lebenslustigen Frankreich.
Leider verwirrten mich die Träume an meine ferne Jugend – und ich verlief mich tierisch, war nach knapp eineineinhalb Stunden fast wieder am Ausgangspunkt. Also runter vom Berg zum Bahnhof Achkarren und von da auf dem Weg parallel zur Bahn nach Riegel ins schöne Niederrotweil.
Einen ordentlichen Hunger hatte ich nun nach zwei Stunden. Deshalb schnell vorbei an der Wehrkirche St. Michael, die in unruhigen Zeiten den Menschen Schutz geboten hat.
Aber gottseidank sind die Zeiten grad mal nicht kriegerisch und so konnte ich friedlich die Stufen in das hinter der Kirche liegende Gasthaus zum Kaiserstuhl erklimmen. Drinnen empfängt eine von zwei schlichten Stuben, eine freundliche Bedienung naht, die Mühe hat sich gelohnt!
Aus der elterlichen Schankwirtschaft hat Lothar Koch zusammen mit seiner Frau Walburga in rund 30 Jahren dieses Gasthaus aufgebaut, das noch aussieht, wie früher die Gasthäuser ausgesehen haben.
Nachhaltig nennt sich das heute, es wird immer nur so viel investiert, wie der Betrieb erwirtschaftet – schließlich werden auch noch drei Kinder groß gezogen. „Kochen Sie mir den Frühling mit vielen Kräutern und Gemüsen von hier“, lautet meine Bestellung. Lothar Koch nickt zustimmend – und los geht´s.
Mit einem kleinen Kräuter-Lauch-Törtchen grüßt die Küche zum Auftakt. Dazu ein Stengel von der nussigen Vogelmiere, fein geschnittener Bärlauch und Blüten von Gundelrebe und Salbei. Ein frischer Schluck Kaiserstühler Riesling würde hierzu gut passen. Aber weil meine Wanderung ziemlich kräftezehrend war, belasse ich es bei Mineralwasser.
Dabei bietet die Karte einen guten Querschnitt durch die guten Kaiserstühler Weine – und alles gastfreundlich kalkuliert, größtenteils kostet die Flasche zwischen 20 und 25 Euro. Auch von den eigenen Reben gibt es den Wein, er wird in der örtlichen Winzergenossenschaft gekeltert. Wird alles beim nächsten Mal probiert!
Pis en lit heißt der Löwenzahn in Frankreich. Warum das stimmt, merkt jeder, der nach dem Essen häufiger mal „muss“. Diuretisch nennen die Mediziner den leicht bitteren Gelbblütler, der gerade im Frühjahr ein idealer „Durchschwemmer“ ist.
Als „Ginseng des Westens“ lobt die Freiburger Pflanzenexpertin Ursel Bühring in meinem Buch Traditionelle Deutsche Medizin die Taraxacum officinale, die auch die Leber stärkt, die Verdauung ankurbelt, frisches Blut bildet – und so hilft, die Frühjahrsmüdigkeit zu vertreiben.
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Aber keine Angst, im Kaiserstuhl gibt´s keine Krankenküche, sondern wird mit dem gesunden Kraut ein kleines kulinarisches Freudenfeuer entfacht. Verfeinert werden die Löwenzahnblüten, Knospen und Blätter mit Bärlauch, Sprossen, Ei, gekochten Kartoffeln – und alles wird durch eine milde Marinade verbunden. Den letzten Kick geben würzige Blätter vom Vitamin C-strotzenden Scharbockskraut .
Walburga Koch backt dazu ein feines Brot, das seinen intensiven Geschmack vom Brotklee bekommt, den die Kochs aus Südtirol beziehen. „Meine Welt ist das Backen“, schwärmt die quirlige Frau von Lothar Koch, die auch den herzlichen Service leitet.
Besonders begeistert hat mich ein leicht brösliges Dinkelbrot, das mit viel Hefe, kräftigem Bergbohnenkraut, leicht bitterem Beifuß, Koriander und Honig gebacken. Die meisten Kräuter findet sie im eigenen Garten, viele bei ihren ausgedehnten Rundgängen durch die freie Natur oder als sportlich Durchtrainierte bei ihren Mountainbiketouren.
Ein ganz raffiniertes Gericht: In eine intensive Gemüsebrühe werden frische Schlüsselblumen eingekocht – und heraus kommt ein einzigartiger sanft-samtiger Geschmack. Das Rezept für die schmale Waffel auf dem Tässchen mit der Suppe hat Walburga Koch einem italienischen Koch abgeluchst: Es ist ein Nudelteig, der hauchdünn ausgewalzt, mit Olivenöl bestrichen und bei hoher Hitze in einem Gasofen gebacken wird.
Immer eine kleine Gratwanderung, denn wenn es nur ein wenig zu lange dauert, wird das Ganze leicht ledrig. Ich hatte Glück, meine mit Provence-Kräutern bestreute Waffel war knackig zart. Alles gekrönt von einem mutigen Klacks Schlagsahne, aus dem frische Schlüssele „wachsen“.
Eine der ersten Heilpflanzen im Jahr ist die Schlüsselblume. Mit ihren Wirkstoffen löst sie die letzten Nester des zähen Winterschleims und dämpft aufkommende Frühjahrsgrippen mit ihren entzündungshemmenden Eigenschaften. Aber bitte nicht wild sammeln, die Pflanze steht unter Naturschutz. Ideal ist ein eigener Garten, wie ihn die Kochs haben.
„Wo gibt´s die Morcheln zu kaufen?“ fragen die drei fitten Radfahrer vom Nebentisch, die einen ganzen Korb mit dem seltenen Frühjahrpilz bestaunen. „Nirgends“, antwortet Lothar Koch, „den bekomme ich von Sammlern, die mir aber nur ganz kleine Mengen liefern dürfen“.
Denn dieser begehrte Speisepilz lässt sich nicht züchten, wächst nur wild. Schlankende Ballaststoffe, fitte Proteine und das Sportler-Mineral Magnesium machen die Morchel auch noch zu einem Gesundgenuss.
Gleich zwei Sorten kann Lothar Koch anbieten: Die begehrte Spitzmorchel und die etwas weniger intensive Bechermorchel, die von der Form tatsächlich an ein Gefäß erinnert. In einer hellen Béchamelsauce aus Milch, Butter und Mehl liegen die Morcheln – und damit die Sauce selbst auch noch ein Gedicht ist, werden die Pilze in der Sauce mitgeschwenkt.
Ein kräftiger Priesterknödel aus Brot, Spinat und Knoblauch passt zum nussigen Pilzaroma. Frischer Salbei, frischer Gundermann und frischer Koriander sowie gelbe Brokkoliblüten aus dem eigenen Garten runden das Gericht ab, das allein die Reise in den schönen Kaiserstuhl wert ist
Wer auch Morcheln im Gasthaus zum Kaiserstuhl will, sollte vorher anrufen, ob den Sammlern das Fundglück auch hold war.
Zwei authentische Quellen für bestes Fleisch hat Lothar Koch: Zum einen im tiefen Schwarzwald der Plattenhof bei St. Peter, der eine eigene Herde mit rund 100 Stück Vieh hat, selbst schlachtet und wurstet – und wo es auch ein Gasthaus mit herzhafter Küche gibt.
Zum anderen der Mathislehof bei Kirchzarten hinter Freiburg. Von diesem Hof stammt das Schwarzwaldmädle Walburga Koch, das nach eigenem Bekunden wesentlich lebhafter als ihr bedächtiger Bruder Josef Andris ist, der den Hof jetzt bewirtschaftet.
Auch in diesem Bilderbuchhof gibt es eine eigene Herde, wird ebenfalls selbst geschlachtet. Natürlich ist es aufwendig, das Fleisch selbst bei diesen Erzeugern abzuholen. Aber dafür hat der Koch auch eine ausgezeichnete Qualität, denn das Weidevieh schmeckt gut und wenn es saftige Kräuter frisst, reichert sich das Fleisch mit herzschützenden Omega-3-Fetten an.
Den zarten Lammrücken bedeckte eine Kruste aus Bröseln und Bärlauch, was dem Frühlingsknoblauch einiges von seiner Schärfe nimmt. Passend dazu frittierte Brennesseln, gedünstete Radieschen, der erste in Öl geschwenkte grüne Spargel und feine Brennesselspätzle.
Wirklich ein Gericht, welches das Prädikat verdient: Aus der Natur gekocht.
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Kein Dogmatiker ist Lothar Koch. Natürlich kennt er auch gute Käser aus dem Kaiserstuhl und dem nahen Schwarzwald. Aber er geht halt am liebsten ins nahe Colmar und bringt von dort beste französische Rohmilchkäse mit, guten Beaufort, Comte.
Raffiniert dazu die mit Zimt selbst eingelegten Zwergkiwis aus dem eigenen Garten und ein saftiges selbst gebackenes Früchtebrot, was geradezu nach einem Schluck Kaiserstühler Gewürztraminer oder Muskat ruft. Wirklich ein Gericht, welches das Prädikat verdient: Aus der Natur gekocht.
Keine 50 Euro kostet dieses Menü. Ein Menü, das einen leicht und beschwingt aufstehen lässt, denn die vielen Kräuter sorgen für ungewohnten Wohlgeschmack und für eine hohe Bekömmlichkeit.
Zu Hochform laufen Lothar und Walburga Koch in ihrem Garten mit über 60 Pflanzen auf: Wie viele Paare, die es lange miteinander aushalten, sind sie in vielen Dingen unterschiedlicher Meinung – und finden doch immer wieder zueinander.
So fasziniert Walburga ein Garten, wo möglichst viel wild wächst, wo sie schauen kann, wie sich die Pflanzen entwickeln. Dagegen hätte der Lothar lieber eine größere Ordnung, damit auch ein Küchenhelfer auf die Schnelle das richtige Kraut findet.
Aber aller Dissens ist vergessen, wenn die beiden ihren Garten erläutern, sie vom selbst hergestellten Dünger mit „effektiven Mikroorganismen“ schwärmen; wenn am würzigen Muskatsalbei gerochen wird, „Sie müssen ihn vorher reiben“; wenn die Blätter des Pfefferbaums tatsächlich nach Pfeffer riechen; wenn sie voller Freude auf den ersten Waldmeister hinweist – und er sofort sagt, dass die Bowle am besten mit dem leicht angetrockneten Kraut gelingt. Überhaupt fällt ihm zu jedem Kraut, zu den alten Obstbäumen im Garten mindestens ein Rezept ein.
Am liebsten würde ich einmal eine Geschichte schreiben, wo ich ein Dutzend Pflanzen aus dem Garten vorstelle – und dazu kleine, nachkochbare Koch-Rezepte von Lothar Koch präsentiere. So wird Kräuterküche sinnlich erlebbar!
Das ideale Gasthaus für alle, die gerne aus der Natur essen, auf einen herzlichen Service und bezahlbare Preise wert legen.
Lothar u. Walburga Koch, 79 235 Niederrotweil, Telefon: 07662/237, Sonntag abend und Montag ist zu, sonst mittags und abends geöffnet. Es gibt zwei großzügige, ruhige Zimmer, die auch als Ferienwohnung genutzt werden können. www.gasthaus-zum-kaiserstuhl.de
von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
, Internet: www.lauber-methode.de
5 Minuten
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