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Die Macht der Sprache: Tine mag es überhaupt nicht, wenn von „guten“ und „schlechten“ Glukosewerten die Rede ist. Wieso sie sich daran stößt und welche Alternativen sie für geeigneter hält, verrät sie in ihrer Kolumne.
Ein Herzensthema von mir ist Sprache, die wir in Zusammenhang mit Diabetes oder anderen chronischen Krankheiten verwenden oder die von anderen über uns verwendet wird. Denn unser aller Denken und Handeln, wie wir in der Gesellschaft miteinander umgehen, wie wir leben mit Diabetes, das alles wird von unserer Sprache maßgeblich beeinflusst!
Sprache wandelt sich stetig, sie passt sich einer wachsenden und sich verändernden Gesellschaft an, ist immer auch politisch. Daher versuche auch ich, meine Sprache ständig anzupassen, mehr dazu zu lernen, sie immer inklusiver zu gestalten.
Vor einiger Zeit kam ich mit einer Bekannten ins Gespräch, mit der ich normalerweise eher wenig zu tun habe. Neben dem üblichen Smalltalk brachte sie natürlich irgendwann meinen Diabetes auf den Tisch, auch wenn ich das selbst nicht unbedingt gebraucht hätte (er muss echt nicht dauernd Thema sein, nimmt er doch in meinem Leben wirklich schon genug Platz ein).
Ob ich denn gute Werte hätte oder schlechte, fragte sie mich. Einfach so, vollkommen ohne Kontext, eine sehr persönliche Frage. Ich war irritiert, und die Worte kreisten sofort in meinem Kopf umher. In mir drehte sich alles. Ich musste mich sehr konzentrieren, kniff meine Augen zusammen, legte meinen Kopf in die Schräge und schaute sie an.
Was sind gute, was sind schlechte Werte? Natürlich ist mir bewusst, dass sie diese Worte nicht böswillig wählte oder, um mich bewusst zu bewerten. Sehr wahrscheinlich war ihr nicht klar, was sie mit den Worten alles ausdrückte. Ich kann das gut verstehen, denn ich wusste es bis vor einigen Jahren auch nicht besser und sprach selbst von guten und schlechten Werten.
Wenn der Arzt nur von guten und schlechten Werten (anstatt von hohen und niedrigen Werten und Werten im Zielbereich) spricht, brennt sich das schnell in den eigenen Sprachgebrauch ein und wird erst mal nicht in Frage gestellt. Schlechte Werte lösen dann häufig unterbewusst etwas im Kopf aus, das spüren lässt: Wir haben etwas falsch gemacht, wir sind schlecht, wir sind unsere schlechten Werte.
Hören oder sagen wir das Wort „schlecht“, assoziieren wir damit Wörter wie „minderwertig“ oder „ungenügend“. Damit geht eine sofortige Bewertung der Blutzuckerwerte einher, teilt sie in zwei Lager: gute Werte hier, schlechte Werte dort.
Ich möchte nicht, dass sich Menschen in 2019 noch jedes Mal schlecht fühlen müssen, wenn ein Wert über den Zielbereich hinausschießt. Wir sind nicht besser oder schlechter, weil der Wert mal bei 92 (5,1), mal bei 200 mg/dl (11,1 mmol/l) steht. Wir haben schon genug zu tun mit diesem Job, der 24/7 an uns klebt und für den wir keinen Lohn bekommen. Seid gut zu Euch!
Eure Tine
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (10) Seite 44
5 Minuten
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