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Beim Camp D treffen sich rund 500 Jugendliche und junge Erwachsene mit Diabetes in einem riesigen Zeltlager, haben Spaß miteinander und tauschen sich aus. Dr. Thekla von dem Berge gehörte in diesem Jahr zu den 130 Betreuern. Sie hat ganz genau zugeschaut und hingehört und erzählt von beeindruckenden Begegnungen.
Der Alltag mit Diabetes stellt oft eine besondere Herausforderung für Jugendliche und junge Erwachsene dar. Vermutlich hat jeder bereits Phasen des Gefühls der körperlichen Minderwertigkeit durchgemacht oder befindet sich in einer dieser Phasen. Bei Camp D ist das anders. Hier muss niemand seinen Diabetes erklären.
© Novo Nordisk / Axel Gaube, Kaleidomania | „Bunt, vielfältig, inspirierend“ geht es zu beim Camp D. Im Vordergrund steht: sich kennenlernen, austauschen, vernetzen.
Beim Kennenlernen folgen den Fragen nach Wohnort, Alter, Schule/Berufsausbildung zwanglos Fragen wie: „Wie lange hast du Diabetes?“, „Hast du eine Pumpe oder spritzt du?“, „Du misst noch Blutzucker???“ Ein junger Mann berichtet, dass er 22 Jahre alt sei, seit 20 Jahren Diabetes habe und seit acht Jahren niemandem mehr begegnet sei, der ebenfalls Diabetes hat. Dies habe ihn motiviert, am Camp D teilzunehmen. Er sagt, er könne kaum glauben, dass die Mehrheit der Menschen in diesem Camp ebenfalls Diabetes hat – so wie er. Hier ist niemand „Außenseiter“.
Das zeigt sich auch daran, dass das Essen mit BE- bzw. KH-Angaben gekennzeichnet ist. Eine Teilnehmerin seufzt beim Befüllen des Tellers und sagt: „Luxusurlaub für einen Diabetiker!“ Während des Camps bilden acht Teilnehmer sowie zwei Betreuer eine „Kleinfamilie“. Diabetologen, Psychologen und Diabetesberaterinnen tragen rote T-Shirts mit der Rückenaufschrift „Quatsch mich an“, nicht-medizinische Betreuer und Sportler mit Diabetes cyanfarbige T-Shirts. Insgesamt waren in diesem Jahr 130 ehrenamtliche Betreuer im Einsatz!
Sponsor dieses einzigartigen Events ist das Unternehmen Novo Nordisk, gemeinsam mit dem Platin-Sponsor Roche Diagnostics Deutschland und weiteren Unterstützern (diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe, Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes, Deutscher Diabetiker Bund (DDB) und Mediq Direkt Diabetes GmbH). Möglich wird das Event aber nur durch das Engagement vieler Betreuer und Helfer.
Weitere Infos: www.campd.info
In zwölf verschiedenen Workshops wird den Teilnehmern ein abwechslungsreiches und informatives Programm geboten. Ob Zukunftsplanung, Loggen, Bloggen, Posten, Reisen, Dia-Bulimie, Sport, Sexualität und Kinderwunsch, Digitalisierung, Partytime, Rechte oder „Digital Future 2025“-Hackathon: Die zentralen Lebensbereiche der jungen Erwachsenen sind vertreten. Ziel ist es, den Teilnehmern einen direkten thematischen Austausch mit bekannten Experten aus Medizin, Sport, Psychologie und Kommunikation zu ermöglichen.
© Novo Nordisk / Axel Gaube, Kaleidomania | Einen Kochworkshop gab es auch, mit TV-Koch Ole Plogstedt (Rezepte auf campd.info).
Während der Mahlzeiten wird viel über das Leben mit Diabetes diskutiert. Im Mittelpunkt stehen immer wieder die schwankenden Blutzuckerwerte. Gemeinsam finden die jungen Erwachsenen zusammen mit den Diabetologen und Diabetesberaterinnen für (fast) jeden Wert eine Erklärung.
Jan ist 16 Jahre und hat seit zwei Jahren Diabetes. Er hat Angst vor nächtlichen Unterzuckerungen. Sein Sensorverlauf zeigt vor allem nachts zu hohe Werte – wenn Jan diese dann am nächsten Morgen betrachtet, fühlt er sich elend. „Hm, ihr meint also auch, dass meine Basalrate zu niedrig ist? Sagt mein Diabetologe ja auch immer!“ Seine Sitznachbarn schauen auf seinen Sensorverlauf, nicken und machen ihm Mut, die Basalrate zu erhöhen. „Wir passen schon auf dich auf!“, sagt Frank, mit dem er sich ein Zelt teilt.
Sina ist 18 Jahre alt und zum ersten Mal allein von zu Hause fort. Sie berichtet, dass ihre Mutter ihr ständig WhatsApp-Nachrichten schicke, um sich nach ihren Blutzuckerwerten zu erkundigen und sie an ihre Therapie zu erinnern. Das nervt Sina, sie sei schließlich erwachsen. Ihre Mutter solle aufhören, sich zu sorgen. Während sie das sagt, hat sie Tränen in den Augen. „Meine Mutter hat sich 14 Jahre lang tagtäglich um meinen Diabetes gekümmert – jetzt bin ich dran.“
© Novo Nordisk / Axel Gaube, Kaleidomania | Im weißen Sternenzelt (und auch sonst überall auf dem Gelände) war das Motto: „Meet the Experts“.
Der alterstypische Drang von Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach Unabhängigkeit betrifft die Diabetestherapie ebenso wie alle anderen Lebensbereiche. Jugendliche fühlen sich insbesondere durch Fragen nach Blutzuckerwerten und die ständige Erinnerung an die Therapie kontrolliert und in ihrer Unabhängigkeit bedroht. Konflikte mit den Eltern sind dann unausweichlich. Ein offenes und ehrliches Gespräch zwischen den Betroffenen kann hier hilfreich sein. Ziel des Gespräches sollte sein, eine angemessene Kooperation zwischen Eltern und Jugendlichen für den Diabetes-Alltag festzulegen.
Neben dem Workshop-Tag spielt bei Camp D der Sporttag eine zentrale Rolle. Es werden Beach-Volleyball, Fahrradtouren, Fußball, Feldhockey, Kickboxen, Parkour, Slacklining, Stand Up-Paddling, Yoga und Zorbing geboten. Erfolgreiche Leistungssportler mit Diabetes fungieren als Sportpaten und Vorbild – so z. B. die ehemalige sechsfache Kickbox-Weltmeisterin Anja Renfordt oder Timur Oruz, Hockey-Nationalspieler und Bronzemedalliengewinner der Olympischen Spiele von Rio 2016.
© Novo Nordisk / Axel Gaube, Kaleidomania | Auspowern und Koordinationstraining beim Kickboxen.
Sport fördert nicht nur die individuelle Persönlichkeitsentwicklung, sondern stärkt ebenso das Selbstbewusstsein und die Körperwahrnehmung. Spielerisch werden wichtige Werte wie Fairplay, Respekt, Toleranz und Teamplay erlernt.
„Puh, ganz schön anstrengend so viel Sport! Ich hatte gerade schon eine Hypo. So ätzend!“, beschwert sich ein junger Mann. Timur Oruz klinkt sich ein: „Verstehe ich nicht, wieso ätzend? Hast du denn heute Morgen weniger gebolt als üblich?“ Augenrollen und Lachen. „Natürlich nicht!“, ist die Antwort. Auch Timur lacht: „Dann wissen wir ja auch, warum du eine Hypo hast und lernen daraus: Sport tut unserem Körper gut und wir brauchen weniger Insulin!“
© Novo Nordisk / Axel Gaube, Kaleidomania | Auf riesigen Luftpolstern wurde gechillt, gequatscht, sich ausgetauscht.
Im Zelt wird getuschelt: „Ich sag doch, Katheter im Oberschenkel zwicken! Jetzt kann ich bestimmt nicht schlafen.“ Ein anderes Mädchen erwidert kichernd: „Der bleibt jetzt liegen, manchmal dauert es ein bisschen, bis es nicht mehr zwickt. Und wenn er weiter zwickt, denkst du die nächsten Tage umso mehr an mich!“ Gelächter! Der ungezwungene Wissens- und Erfahrungsaustausch fördert erfolgreich das Selbstmanagement in der Therapiedurchführung.
Das Camp D 2018 endet mit tosendem Applaus, Standing Ovations, La-Ola-Wellen und Glitzerkonfetti. Der Abschied fällt schwer, es kullern Tränen bei Teilnehmern und Betreuern. So schön war‘s! Das Ziel des europaweit einzigartigen Events ist erreicht! Camp D inspiriert und motiviert. Die neu gewonnenen sozialen Kontakte und Eindrücke werden das Handeln der Teilnehmer positiv beeinflussen und die Realisierung eigener Lebensentwürfe unterstützen – trotz und mit ihrem Diabetes.
Dr. med. Thekla von dem Berge
Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin,
Diabetes-Zentrum für Kinder und Jugendliche „Auf der Bult“,
Janusz-Korczak-Allee 12, 30173 Hannover,
E-Mail: vondemberge@hka.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2018; 10 (3) Seite 14-16
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