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Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich nur noch wie eine Maschine den ganzen Tag damit zu tun habe, Regeln zu befolgen und meiner Gesundheit Herr zu werden. Wie ferngesteuert tippe ich dann auf meiner Pumpe herum oder trinke Apfelsaft bei einer Unterzuckerung, obwohl ich gerade erst Wasser getrunken habe und keinen Durst verspüre. Da habe ich das Gefühl, meine Seele bleibt irgendwie auf der Strecke. Sie wird gar nicht erst gefragt. Doch müsste bei richtiger Motivation sie nicht mit ins Boot geholt werden? Zumindest fühlt sich das viel besser an, wenn sie dabei ist. So ging es mir beim Sport immer. Da war meine Seele sogar der Anführer im Kopf. Der Körper sagte: „Ich kann nicht mehr“, doch die Seele sagte: „Los, das wollen wir unbedingt schaffen.“ Empfunden habe ich das als großes Spiel mit Riesen-Spaß.
Doch an manchen Tagen im Diabetes-Alltag fühlt sich das leider gar nicht so an. Ganz im Gegenteil, es macht gar keinen Spaß, sich zum Katheter-Wechsel zu drillen und Apfelsaft in den vollen Bauch zu quetschen. Genau in solchen Momenten versuche ich, mir über meine Situation klar zu werden. Ich schreibe es mir von der Seele. Erstmal beginnen die Zeilen recht negativ, weil ich mich eben nicht gut fühle. Doch wenn ich mich mal so richtig „ausgekotzt“ habe, bekomme ich plötzlich eine ganz andere Sichtweise auf die Dinge. Der Nebel lichtet sich und dann ist alles ganz anders und gut so.
Wie das „von der Seele schreiben“ bei mir so aussieht, möchte ich dir zeigen. Hier also meine Gedanken zum Thema Freiheit, vielleicht denkst du ja manchmal ähnlich:
Messen, spritzen, Katheter wechseln, Insulin wechseln, Material bestellen, Arzttermine, Blutabnahme, messen, rechnen, schätzen, essen – manchmal mag einem der Diabetes-Alltag schon aufwendig vorkommen. Und der Aufwand lässt sich wohl kaum leugnen.
Aufwand wegen winziger Mengen einer klaren Flüssigkeit, die dem Körper fehlt. Aufwand wegen einer einzigen fehlenden Funktion eines einzigen Organs. Aufwand, der sich wie ein Vollzeitjob ohne Bezahlung anfühlt. Aufwand, der keine Pausen kennt. Aufwand, der abhängig macht. Aufwand, der das ganze Leben begleitet. Aufwand, der wie eine Klette für immer bleibt. Aufwand, der manchmal schmerzt. Aufwand, den der Körper manchmal zu ignorieren scheint. Aufwand, der manchmal verzweifeln lässt. Aufwand, der sich manchmal kaum zu lohnen scheint. Aufwand, der zwingt, Dinge zu tun, nach denen einem der Sinn absolut nicht steht.
Gefangen im eigenen Körper mit aufgebundenen Regeln, die manchmal das gesamte Denken einnehmen. Regeln, die unseren Alltag bestimmen und vorschreiben, was zu tun und zu lassen ist.
Es ist hart, Diabetes zu haben, und sicher hat jeder mal einen Tiefpunkt. Der inneren Freiheit beraubt, sehnen wir uns nach dem Loslassen. Nach dem Einfach-drauflos-Essen, nach dem unbeschwerten Leben ohne jeglichen Aufwand und ohne Spritzenschmerz.
Doch es ist, wie es ist, und ich glaube, es gibt nur einen Weg, der uns glücklich sein lässt, und der geht so: Nur wenn wir unsere Ketten wahrnehmen, uns ihner bewusstwerden und sie akzeptieren, erst dann können wir sie losreißen.
Deshalb hilft nur, die Regeln und den Aufwand hinzunehmen, unser Schicksal anzunehmen und das alles für selbstverständlich zu halten. Denn jeder ist selbstverständlich. Jeder hat das Recht auf Gesundheit, selbstverständlich. Und jede Gesundheit ist selbstverständlich jeden Aufwand wert. Mehr noch: Mit dem Therapieaufwand zeigen wir die Liebe zu uns selbst. Je mehr wir uns für unsere Gesundheit ins Zeug legen, umso mehr scheinen wir uns um uns zu kümmern und uns zu lieben. Sei dir jeden Aufwand wert. Denn du bist es wert.
Also lasst Taten sprechen. Lasst uns Aufwand betreiben. Lasst diesen Aufwand ganz selbstverständlich werden, so selbstverständlich, dass er schon gar kein Aufwand mehr ist, sondern eine Wohltat und ein Zeichen für die Liebe zu uns selbst.
Nur so sprengen wir die Ketten und sind frei – und Freiheit ist ein Genuss für die Seele.
Und nochmal: Gönn dir diesen Genuss, akzeptiere, was ist, liebe dich selbst und lass deine Taten sprechen.
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