DIAlog – Die Renovierung

3 Minuten

Community-Beitrag
DIAlog – Die Renovierung

„Also, weißt du, das Ganze mit der Renovierung war eher so… bildlich gemeint.“ Verzweifelt ließ ich meinen Blick schweifen.

Der Diabetes hingegen sah mich mit unschuldigen Augen an. „Was meinst du?“

„Under construction“ – die Renovierung beginnt

Ich kickte einen der herumliegenden Kartons weg. Es hatte doch so schön geklungen. Einfach einmal alles abreißen und von vorne beginnen. Doch der Diabetes hatte es jetzt schon geschafft, drei Farbeimer zu verschütten, mir mit dem Hammer auf den Daumen zu hauen und irgendwas ist zwischendurch in Flammen aufgegangen.

Quelle: Huda Said

Kurz: Es war eine reinste Baustelle.

Da hatte ich nun lang und breit große, dramatische Reden geschwungen – doch was brachte es, etwas ändern zu wollen, wenn nichts geschah?

Als ich von anderen Menschen mit unfreiwilligen Mitbewohnern las und mit ihnen sprach, konnte ich nicht anders, als mich für einen Moment erleichtert zu fühlen. Zu wissen, dass sie mit denselben Problemen zu kämpfen hatten, gab mir einen kleinen Trost. Gleichzeitig war da am Ende meistens dieses kleine „ich hab die Kurve gekriegt“, das wunderschöne „keine Ahnung, wie ich damals diese Werte ausgehalten habe“, der Erfolg.

Letztendlich sitze ich dann da und schäme mich ein wenig, aber kann nicht anders, als neidisch zu sein und mich zu fragen: Warum können der Diabetes und ich nicht auch einfach in einem Bilderbuch-IKEA-Häuschen leben?

Als ich es wagte, diesen Gedanken mit dem Diabetes zu teilen, konnte er sich vor Empörung kaum zurückhalten. „Du willst, dass ich so bin wie alle anderen?“, erboste er sich, „entschuldige, aber ich bin einzigartig. Unique. Nicht so ein Mainstream-Ding. Also echt mal, ein bisschen Respekt bitte.“ Mit diesen Worten zischte er ab und Momente später hörte ich ihn Fensterscheiben einschlagen.

Mein Diabetes und seine persönliche Krise

Toll, jetzt hatte ich selbst meinem Diabetes eine Identitätskrise verschafft.

Dabei wollte ich doch am liebsten nur alle an den Schultern packen und fragen: WIE???

Warum konnte es nicht einfach ein YouTube-Tutorial geben? Himmel, selbst für eine Anleitung auf Chinesisch wäre ich dankbar.

Stattdessen war ich überfordert und gleichzeitig genervt von mir selber. Es konnte doch nicht sein, dass ich mit acht meinen Diabetes besser unter Kontrolle hatte als mit achtzehn?

Aber vielleicht lag ja hier das Problem. Vielleicht muss man manchmal selbst den Diabetes neu kennenlernen. Vielleicht war es deswegen nicht verwunderlich, dass er mich auslachte, wenn ich mich stundenlang im Internet vertiefte. Low Carb? Praxiswechsel? Closed-Loop-System? Neue Pumpe? Oder sogar zurück zum Pen?  Als ob sich hinter all diesen Möglichkeiten ein Wunder verbergen würde. Doch manchmal war man eben selber für seine Wunder zuständig – welches eben nicht daraus bestand, dass miserable Werte plötzlich grandios wurden, sondern mit allem dazwischen.

Quelle: Huda Said

Deswegen bin ich gerade nun mal frustriert. Und mein Frust zeigt mir, dass es mir eben nicht mehr egal ist, welche Zahl auf dem Display steht. Sich einen Moment zu nehmen, das Gefühl für den Diabetes zurückgewinnen. Wie ein alter Bekannter, den man eine Weile nicht gesehen hatte. Ganz Grundsätzliches zu hinterfragen – und sei es auch nur, ob man aus Gewohnheit x Einheiten für die morgendliche Müslischüssel abgab oder ob das tatsächlich so stimmte.

Das mag zwar nach lächerlich wenig klingen, aber es ist ein erster Schritt. Wenigstens eine von tausend Herausforderungen lösen, auch wenn der Rest noch nicht klappt. Ein Anfang. Und war es nicht das, wonach ich die ganze Zeit suchte?


Hier findet ihr die ersten beiden Teile von Hudas Diabetes-Renovierung:

DIAlog – die Begegnung und DIAlog – der Geburtstag

Ähnliche Beiträge

Stigmatisierung von Menschen mit Adipositas: Der Begriff „Schuld“ ist fehl am Platz!

Oftmals bekommen Menschen mit Adipositas ungefragt und ohne differenzierte Diagnose-Stellung viele allgemeine Empfehlungen, auch von denjenigen, die sie Behandeln. Expertinnen und Experten fordern, dass Ärztinnen und Ärzte Betroffenen Respekt und Hoffnung statt Zuweisung von Schuld oder Stigmatisierung vermitteln sollten. Zudem müsse die Adipositas-Behandlung besser vergütet werden.
Stigmatisierung von Menschen mit Adipositas: Der Begriff „Schuld“ ist fehl am Platz

2 Minuten

„Manchmal hat’s mit Zucker nichts zu tun“

Das Leben besteht aus so viel mehr als Diabetes – gerade bei Kindern und Jugendlichen. Mit ihrem Buch „Manchmal hat’s mit Zucker nichts zu tun“ hat Dr. med. Katja Schaaf ein flammendes Plädoyer für eine ganzheitliche Perspektive geschrieben: auf den noch jungen Menschen, auf das Familiensystem, auf den Alltag einer Dia-Familie in all seiner Komplexität.

< 1 minute

Community-Beitrag

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert