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Wer in Bolivien Diabetes hat und arm ist, kann sich Insulin kaum leisten. Umso wichtiger ist die Hilfe durch das Hilfsprojekt Insulin zum Leben. Projektbeauftragte Heidrun Schmidt-Schmiedebach hat ein Camp für Typ-2-Diabetiker begleitet.
Anfang April brach ich auf zu meiner zweiten Reise nach Bolivien – drei Flugzeuge und 25 Stunden Reisezeit später kam ich in Cochabamba an. Die Stadt liegt in den Anden, 2 600 Meter über dem Meeresspiegel. Am Flughafen entdeckte der Zoll meine Insulinschätze, ließ mich aber dank eines Zertifikats passieren. Begrüßt wurde ich von Dr. Dorothea Kochs. Die deutsche Ärztin arbeitet seit 14 Jahren ehrenamtlich für die Armen in einem Gesundheitsposten am Fuß der Anden; seit acht Jahren bekommt sie Insulin von Insulin zum Leben (IZL) in Deutschland.
Begleitet wurde sie von Doctora Patricia Blanco, einer einheimischen Ärztin, Diabetologin und Typ-1-Diabetikerin. Patricia erhält seit 2008, nach meinem ersten Besuch in Bolivien, Insulin für ihre überwiegend jungen Typ-1-Diabetiker. In Bolivien ist – außer den Beschäftigten im öffentlichen Dienst – kaum jemand krankenversichert. Alle Nichtversicherten müssen das teure Insulin selbst kaufen, und das kann kaum jemand. „Der Staat kümmert sich nicht darum“, sagt Dorothea. Wohnen durfte ich bei ihr und ihrem Mann. So konnte ich den bolivianischen Alltag näher kennenlernen.
Zweck der Reise war es, ein Camp für Typ-2-Diabetiker durchzuführen, also überwiegend für Patienten über 50 Jahre. Normalerweise gibt es nur Camps für Typ-1-Diabetiker. Unser Campamento fand in einem Katechetenhaus der katholischen Kirche statt – einfache Zimmer mit Stockbetten, Seminarräume, ein großer Speisesaal, ein schöner Zier- und Nutzgarten.
Das Campamento war meine Idee. Dorothea beklagte Ende 2010 die schlechten HbA1c-Werte. Für die Messung spart jeder Patient ein Jahr lang; und Dorothea war so enttäuscht, dass ihre Bemühungen nicht erfolgreich waren.
Meine spontane Antwort war: „Wie kannst du mit einer Blutzuckermessung pro Monat eine gute Einstellung schaffen? Das geht gar nicht! Wir müssten die Diabetiker mindestens drei Tage und zwei Nächte beherbergen, durchgehend den Blutzucker messen, sie dann nach Hause schicken und nach mindestens drei Tagen Alltagsleben daheim wieder in den Gesundheitsposten einbestellen, um die Therapie anzupassen.“
Dorothea war skeptisch: „Das machen meine Diabetiker nicht mit. Sie verlassen nicht ihre Familie und verzichten auf ihre Arbeit – das bedeutet Einkommensverluste.“ Aber weit gefehlt. Beim nächsten Diabetikertreffen erzählte sie von meiner Idee und war erstaunt über das positive Echo.
Meine Intention war es, ein solches Diabetikercamp mit Spendengeldern von Insulin zum Leben zu finanzieren, denn ich bin überzeugt: Die erste Schulung im Leben eines Diabetikers ist eine Investition in sein Leben. Er vergisst sie nie! Der Vorstand der Interessengemeinschaft von DDB und BdKJ stimmte zu, und die Vorbereitungen begannen.
Als die 60 Patienten freitags ankamen, hatten manche Busreisen von bis zu 18 Stunden hinter sich. Jeder bekam einen von einer Deutschen gesponserten und genähten Brustbeutel. Darin waren: Blutzuckermessgerät, Stechhilfe, Lanzetten, eine Dose mit 50 Teststreifen, Therapieplan und das Programm des Camps. Der Beutel erwies sich als Segen: Alle Patienten hatten immer alles dabei, und bei der Blutzuckermessung nachts um 2 Uhr hing der Beutel am Bett. Chaos beim Suchen blieb allen erspart.
Das Camp begann mit der Erklärung des Messgeräts, denn die Patienten sollten sowohl im Camp als auch daheim regelmäßig messen. Wir wollten schließlich innerhalb von acht Tagen die bestmögliche Therapieanpassung erreichen. Das Betreuungsteam bestand aus vier Ärzten und sechs Assistentinnen.
Eine wichtige Rolle spielten natürlich die Mahlzeiten – drei Hauptmahlzeiten und drei Zwischenmahlzeiten. Verwendet wurden regionale Produkte, Zubereitung und Menge waren angepasst an die Ernährungsempfehlungen für Diabetiker. Geschult wurde wie bei uns in Deutschland, mit Hilfe der Conversation-Map in Spanisch, Ernährung anhand von Abbildungen und den servierten Mahlzeiten, Injektionstechnik mit Nadel- und Spritzstellenwechsel anhand praktischer Beispiele.
In den Pausen spazierten die Teilnehmer im Garten umher. Sie konnten es nicht fassen, nicht selbst kochen und abwaschen zu müssen, sondern einmal Zeit für sich zu haben. Abends wurde gespielt und getanzt – so machten die Teilnehmer die wichtige Erfahrung, dass Bewegung den Blutzucker senkt. Denen mit niedrigem Blutzucker tat die Spätmahlzeit besonders gut.
Beim Abschied erzählte eine Frau unter Tränen: „Bisher musste mir immer mein Mann das Insulin spritzen, weil ich so große Angst davor hatte. Hier habe ich es gelernt und kann es nun alleine. Wenn ich nach Hause komme, ist meine ganze Familie entlastet.“ Ein Mann strahlte: „Seit acht Jahren konnte ich mir zum ersten Mal wieder den Blutzucker messen, bevor ich zu Bett ging. Ich habe so gut und tief geschlafen!“
Viele Patienten kamen zur Nachkontrolle, einigen war es durch Straßenblockaden unmöglich. Bei einer Patientin konnte die Insulindosis fast halbiert werden – im Camp waren ihre häufigen Unterzuckerungen aufgefallen. Bei nahezu allen Patienten konnte die Therapie verbessert werden. So war das Camp ein voller Erfolg.
Erschrocken war ich, als wir ausrechneten, wie viele Einheiten Insulin diese Patienten pro Monat brauchen – eine echte Herausforderung für Insulin zum Leben.
Insulin- und Hilfsmittelspenden können ungekühlt und bitte freigemacht an das Insulinlager geschickt werden:
Insulin zum Leben
c/o Biokanol Pharma GmbH
Kehler Straße 7
76437 Rastatt
Bitte Mindesthaltbarkeitsdatum beachten! Der Zoll lässt keine Waren einführen, die „verfallen“ sind. Überschrittenes Haltbarkeitsdatum bedeutet: Die Sachen wandern in den Müll. Deshalb unsere erneute Bitte, nur Dinge zu schicken, die mindestens noch vier Monate haltbar sind.
Der Schwerpunkt liegt auf Insulin und Teststreifen, danach auf Verbrauchsmaterial wie Pennadeln, Lanzetten und Einmalspritzen (nur U 100). Pens, Blutzuckermessgeräte und Stechhilfen sind mehr am Lager, als gebraucht werden. Deshalb bitte vorher anfragen, ob Bedarf besteht.
Geldspenden für die teuren Transportkosten sind willkommen. Spendenkonto:
BdKJ Insulin zum Leben
Volksbank Hameln
BLZ 254 621 60
Konto-Nr.: 670 320 801
Der Bund diabetischer Kinder und Jugendlicher e. V. (BdKJ) ist berechtigt, Spendenbescheinigungen für Insulin zum Leben auszustellen. Unter Verwendungszweck bitte ausschließlich die vollständige Anschrift eintragen.
Haben Sie Fragen an die Projektbeauftragte oder wollen Sie Flyer/Plakate bestellen? Hier die Kontaktdaten:
Heidrun Schmidt-Schmiedebach
Tel.: 0 72 22/20 09 72
Fax: 0 72 22/1 76 29
E-Mail: heidi.schmidt-schmiedebach@gmx.de
Mehr über Insulin zum Leben und Insulin For Life inc. unter www.insulin-zum-leben.de und www.insulinforlife.org.
von Heidrun Schmidt-Schmiedebach
Projektbeauftragte „Insulin zum Leben“
Tel.: 0 72 22 – 20 09 72, Fax: 0 72 22/1 76 29, E-Mail: heidi.schmidt-schmiedebach@gmx.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2011; 60 (7) Seite 46-47
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