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❶ Zur Diabetesversorgung wäre mein 1. Wunsch, dass die Entscheidungsträger die Belange von uns chronisch Kranken berücksichtigen. Das ist auch ihre gesetzliche Verpflichtung.
2. Wunsch: Die bzw. der Neue müsste sich für eine Änderung der gesetzlichen Regelungen starkmachen, so dass der Patientenbeteiligung ein stärkeres Gewicht eingeräumt wird.
3. Wunsch: Die Erkenntnis, dass die Daten, die uns im Zusammenhang mit evidenzbasierter Medizin zur Belegung des Nutzens von Medikation und Therapie abverlangt werden, nur dann gewonnen werden, wenn deutschlandweit ein Diabetesregister eingeführt wird, das sowohl die Medikationen und Therapien im Einzelnen erfasst, aber auch die jeweiligen Verläufe der Krankheiten einschließlich des Auftretens von Folgeerkrankungen bis hin zu sozialen Auswirkungen.
❷ Die Honorarverteilungsregelungen für die Ärzte, die vielfach qualitätsorientiertes Arbeiten nicht zulassen und/oder den Wunsch, ein von Vertrauen geprägtes Verhältnis zwischen Arzt und Patient entstehen zu lassen – wegen drohender Regresse. Weiter auch die Herausnahme von Medikamenten durch Verordnungsausschlüsse oder Nutzenbewertungen mit aus Kostenüberlegungen resultierenden Ergebnissen eines angeblich zu geringen oder gar nicht bestehenden Zusatznutzens, als Beispiel seien hier genannt die SGLT-2-Hemmer.
Schließlich die Zurückdrängung der kontinuierlichen Glukosemessung als wichtige Innovation zur Vermeidung lebensgefährlicher Hypoglykämien durch Einordnung als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, um die Verordnungsfähigkeit zu unterbinden, obwohl die Messung und Intervention vorrangig in den Händen des Patienten liegt.
❸ Aus meiner Sicht muss die Qualität wieder verbessert werden, da die Diabetesversorgung unter Kostengesichtspunkten in der Vergangenheit im Kreuzfeuer der Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses lag. Die Versorgung ist bereits ausgedünnt, so dass wir im Bereich des Typ-2-Diabetes in Zukunft eine verstärkte Insulinisierung erwarten müssen, obwohl gute und auch innovative orale Medikationen zur Verfügung stünden.
Wir als Patienten können an den Stellschrauben drehen, indem wir unsere Forderungen über eine unbeeinflusste Patientenorganisation, nämlich den Deutschen Diabetiker Bund, nach draußen tragen. Andere Beteiligte, nämlich die diabetologische Ärzteschaft, muss darauf drängen, dass sie Fachgesellschaften sind, auch wieder als solche bei den gesundheitspolitischen Entscheidern angesehen werden.
❶ Bisher gibt es nur unzureichende Strategien, wie die Pandemie Diabetes aufgehalten werden kann. Darüber hinaus fehlen verlässliche Daten zur Häufigkeit (Prävalenz) und Anzahl der Neuerkrankungen (Inzidenz) beim Diabetes, ebenso wie ein nationales Diabetesregister. Mit einem "Nationalen Diabetesplan" können die Voraussetzungen geschaffen werden, den aktuellen Versorgungsstand zu analysieren, Schwachstellen und Versorgungslücken zu identifizieren und Lösungsmöglichkeiten für eine verbesserte Prävention, Versorgung und Forschung des Diabetes zu entwickeln.
Neben der Stärkung der Grundlagen-, aber auch der Versorgungsforschung und Verbesserung der Versorgung sind konkrete gesetzliche Rahmenbedingungen und ein koordiniertes gesundheitspolitisches Vorgehen für sowohl die Verhaltens- wie auch die Verhältnisprävention des Diabetes entscheidend.
❷ Zu nennen ist vor allem die Entwicklung des Disease-Management-Programms, das keine verbindlichen Schnittstellen aufweist. Die Problematik, dass Patienten oft nicht nur eine chronische Erkrankung haben, sondern mehrere, wird nicht berücksichtigt. Wichtig wäre eine Weiterentwicklung zu einem umfassenden Chronic Care Management, also einem Management für chronisch Kranke.
❸ Bei gesundheitspolitischen Fragestellungen sollte es eine frühe Einbindung der wissenschaftlichen Fachgesellschaft, z. B. beim Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) geben. Die Versorgung von Menschen mit Diabetes muss auf allen Ebenen – Hausarztpraxis, diabetologische Schwerpunktpraxis und qualifiziertes Krankenhaus – sichergestellt sein. Es wird also ein Netz von Einrichtungen benötigt, die den Patienten durch die gesamte Versorgungskette abgestimmt begleiten und somit auch kosteneffizienter arbeiten können. Die Versorgungslandschaft Diabetes muss neu entwickelt werden.
Große Sorge bereitet die abnehmende Zahl diabetologischer Lehrstühle in Deutschland. Dadurch wird auch die Patientenversorgung mittelfristig gefährdet.
❶ Wir brauchen eine tiefergehende Versorgungsforschung, um Ressourcen effektiver einzusetzen! Die Behandler des Diabetes arbeiten nicht ausreichend Hand in Hand; Finanzmittel könnten effektiver zum Nutzen der Patienten eingesetzt werden. Notwendig ist eine neuartige und wirkliche Integrationsversorgung, die alle Ebenen – Hausarzt, Diabetes-Schwerpunktpraxis, Krankenhaus, Reha, Pflege … – einbezieht: eine sektorenübergreifende Versorgung.
Das Disease-Management-Programm (DMP) Diabetes muss zum Wohl der Patienten weiterentwickelt werden und die bisherigen Ergebnisse müssen bundesweit ausgewertet werden. Die Lebensqualität der Menschen mit Diabetes muss durch gezielte Beratung, Schulung und Empowerment erhalten bleiben. Das kann nur geschehen bei einer angemessenen Honorierung der "sprechenden Medizin"!
❷ Die Abschaffung der Erstattung von Teststreifen für nichtinsulinpflichtige Menschen demotiviert viele Typ-2-Diabetiker in ihrem professionellen Selbstmanagement. Die Selbstkontrolle ist einer der grundlegenden Bausteine, die jeder Patient in einer Diabetesschulung vermittelt bekommt. Jeder Mensch mit Diabetes muss in der Lage sein, eine Blutzuckermessung sachgerecht durchzuführen.
Die "Kinderkrankheiten" bei der frühen Nutzenbewertung neuer Medikamente durch das AMNOG. Der potentielle Nutzen für Patienten wird nicht ausreichend ausgelotet, denn langfristige Wirkungen können noch nicht bewertet werden. Wir erleben jetzt, dass manche Anbieter neue Medikamente gar nicht auf den deutschen Markt bringen, so dass die Gefahr besteht, dass die Einschränkung von Therapieoptionen in der Zukunft weiter zunimmt.
Eine erschwerte Erstattung von Insulinpumpen und CGM-Systemen zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) sind nicht weiter tragbar. Beide Hilfsmittel bieten den Betroffenen mehr Sicherheit und Lebensqualität. Von der CGM profitieren Typ-1-Diabetiker, besonders Kinder unter 8 Jahren, Patienten mit schweren Unterzuckerungen und schlechter Blutzuckerstoffwechsellage sowie Betroffene, die berufsbedingt nicht regelmäßig Blutzucker messen können und/oder durch Unterzuckerungen gefährdet sind.
❸ Wir brauchen einen Nationalen Diabetesplan, der die bestmögliche Versorgung langfristig sichert. Hierfür benötigen wir vor allem ein Diabetesregister, in dem alle relevanten Patientendaten erfasst werden. Wir fordern z. B. alle gesetzlichen Krankenkassen auf, ihre Daten zu publizieren, um die aktuelle Diabetes-Prävalenz beurteilen zu können.
Und wir müssen dafür sorgen, dass unsere wissenschaftliche Fachgesellschaft DDG im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bei der Entscheidung über Diabetestherapien genauso gehört wird wie die Patienten selbst.
Dass die Behandlung des Diabetes im Jahr 48 Mrd. Euro an direkten Kosten verursacht, zeigt, dass wir hier ein gesamtgesellschaftliches Problem haben, das dringend gelöst werden muss. Angesichts der immer weiter steigenden Zahl der Erkrankten ist es sonst eine Frage der Zeit, bis eine gute Versorgung nicht mehr gesichert sein wird.
❶ Dem Hausarzt kommt bei der Behandlung chronisch kranker Patienten mit Diabetes eine Schlüsselfunktion zu. Der Hausarzt ist in der Lage, eine 360°-Sicht auf den Patienten zu leisten und die Gesamtsituation in den Blick zu nehmen, was für die dauerhafte Begleitung mit dem Ziel der Vermeidung von Folgekrankheiten zwingend notwendig ist. Diese Rolle muss durch die politischen Voraussetzungen gestärkt werden.
❷ In der Vergangenheit und vor allem mit den Disease-Management-Programmen (DMP) wurde die ganzheitliche Betrachtung der Patientinnen und Patienten außer Acht gelassen. Bei den DMP wird eine aktive Teilnahme der chronisch kranken Versicherten vorausgesetzt. Hiermit werden u. a. stark pflegebedürftige und immobile Versicherte ausgegrenzt. Bei den DMP hat man sich in Bezug auf die Vermeidung von Folgeerkrankungen außerdem primär auf den Parameter Blutzuckereinstellung gestützt.
Dies brachte aber nachweislich nur geringe Erfolge – so hat beispielsweise die Niereninsuffizienz als Todesursache trotzdem weiterhin zugenommen. Insgesamt wurde seitens der Politik eine effiziente und sektorenübergreifende Schnittstellenkompetenz nicht genügend von den Beteiligten gefordert und gefördert.
❸ Gesundheitspolitisch müssen wir an vielen Stellen neue Wege gehen. Für die bessere Versorgung chronisch kranker Menschen gilt dies insbesondere, und der Gesetzgeber sollte für diesen Zweck neue Versorgungsmodelle ordnungspolitisch zulassen und durch bessere Rahmenbedingungen fördern. Ein Beispiel dafür sind die Versorgungslandschaften, die der Deutsche Hausärzteverband mit kooperierenden Fachverbänden bundesweit als erste sektorenübergreifende Versorgungskonzepte ausgestaltet hat.
In Ergänzung zur hausarztzentrierten Versorgung wurden die Versorgungslandschaften als indikationsbezogene, sektorenübergreifende integrierte Versorgungskonzepte entwickelt, um neben Hausärzten auch die fachärztliche und stationäre Versorgung in einem einheitlichen Vertrag zu vernetzen. Hiermit sind wir mit anderen Fachgesellschaften wie dem Berufsverband der niedergelassenen Diabetologen (BVND) und den Diabetologen in Kliniken (BVDK) auf einem guten Weg, nachhaltige Veränderungen zu bewirken.
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