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Kaum hat man ein neues Smartphone oder einen neuen Computer gekauft, gibt es schon ein neueres Modell. Auch bei der Diabetes-Technologie tut sich viel, insbesondere neue Insulinpumpen und CGM-Systeme mit zusätzlichen bzw. verbesserten Funktionen kommen in kürzeren Abständen auf den Markt. Können Patienten von der Krankenkasse die Umversorgung auf ein neues, moderneres Hilfsmittel verlangen? Hier die wichtigsten Informationen dazu.
Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse haben gemäß § 33 SGB V Anspruch auf die Versorgung mit einer Insulinpumpe oder einem System zum kontinuierlichen Glukose-Messen in Echtzeit (Real-Time-CGM, rtCGM), wenn ein solches Hilfsmittel medizinisch notwendig für den Erfolg einer Behandlung ist oder dabei hilft, eine wesentliche Behinderung zu vermeiden oder auszugleichen. Die Krankenkasse übernimmt dann die Kosten für die Anschaffung und stellt das Hilfsmittel als Sachleistung zur Verfügung. Auch die Kosten für eine Änderung, Reparatur oder Ersatzbeschaffung müssen von der Krankenkasse übernommen werden, ebenso notwendige Schulungen und Unterweisungen.
Immer öfter kommt es zur Situation, dass die Krankenkasse das vom Arzt verordnete bzw. vom Patienten gewünschte Insulinpumpen-Modell bzw. rtCGM-System ablehnt. Stattdessen wird nur ein kostengünstigeres System eines anderen Herstellers angeboten, der Vertragspartner der Krankenkasse ist. Begründet wird dies damit, dass die Krankenkasse das Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 12 SGB V zu beachten hat. Tatsächlich können Patienten daher nicht verlangen, immer das modernste oder “beste” System zu bekommen. Maßgeblich sind nämlich allein die Funktionen, die aus medizinischer Sicht notwendig sind und deren medizinischer Nutzen auch belegt ist.
Die Versorgung mit dem gewünschten Hilfsmittel wird man nur dann durchsetzen können, wenn das von der Krankenkasse angebotene System nicht ausreichend wäre, weil sich damit der medizinische Zweck nicht oder nur ungenügend erreichen ließe. Prüfen Sie daher zusammen mit dem Diabetes-Team, warum aus medizinischer Sicht nur das von Ihnen gewünschte System in Frage kommt bzw. warum das von der Krankenkasse angebotene Hilfsmittel nicht ausreichend ist. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn es dort zu einer Pflasterallergie kommt oder man die dortigen Katheter/Kanülen nicht verträgt. Auch die Möglichkeit zur Kopplung der Insulinpumpe mit einem rtCGM-System oder eine bestimmte Dosiergenauigkeit kann aus medizinischer Sicht wichtig sein. Mehr Gründe finden Sie in Ausgabe 12/2020 des Diabetes-Journals.
In manchen Fällen lässt sich medizinisch allerdings nicht ausreichend begründen, dass ein bestimmtes bzw. moderneres Hilfsmittel wirklich notwendig ist. Hier kann man vielleicht damit argumentieren, dass das moderne Hilfsmittel erforderlich ist, um die mit der Diabetes-Erkrankung einhergehende Behinderung auszugleichen. Bereits im Jahr 2017 hat beispielsweise das Sozialgericht Nürnberg (SG Nürnberg, Urteil vom 27.01.2017, S 11 KR 138/13) entschieden, dass die Krankenkasse ein bestimmtes CGM-System auch als Mittel zum Ausgleich einer Behinderung übernehmen muss. Das Gericht ist damals meiner Argumentation vollumfänglich gefolgt (bit.ly/3JtGNUz). In dem Urteil wird klargestellt, dass eine Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung und der Verlust des Bewusstseins, zu dem Hypoglykämien führen können, als Behinderung anzusehen sind. Durch das Alarmieren des rtCGM-Systems kann diese Behinderung zumindest teilweise kompensiert werden. Auch das Bundessozialgericht (BSG) hat in mehreren Entscheidungen (allerdings ohne Diabetes-Bezug) vorgegeben, dass die Kostenübernahme eines Hilfsmittels nicht allein von der medizinischen Notwendigkeit abhängt. In einem Verfahren (BSG, Urteil vom 07.05.2020, B 3 KR 7/19 R) ging es um die Kostenübernahme eines Spezial-Therapiedreirads für einen Patienten mit Gleichgewichtsstörung. Ein anderes Urteil (BSG, Urteil vom 10.09.2020, B 3 KR 15/19 R) betraf die Kostenübernahme einer modernen GPS-Uhr als Hilfsmittel für einen geistig behinderten Patienten mit Weglauf-Tendenzen. Das BSG hat jeweils entschieden, dass ein Hilfsmittel auch als Leistung zum Ausgleich einer Behinderung dienen kann, wenn es seinem Zweck entsprechend die Auswirkungen der Behinderung beseitigt oder mindert und damit der Befriedigung eines Grundbedürfnisses dient. Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich müssen also nicht zwingend mit dem vorrangigen Ziel eingesetzt werden, auf die Krankheit heilend einzuwirken.
Wenn man mit entsprechender Argumentation nicht weiterkommt und bereit ist, die Mehrkosten für das gewünschte System selbst zu zahlen, kann man bei der Krankenkasse das höherwertige Hilfsmittel unter Hinweis auf § 33 Absatz 1 SGB V beantragen. Um hier keine unliebsamen finanziellen Überraschungen zu erleben, sollten Sie sich im Vorfeld genau erkundigen, welche Zusatzkosten auf Sie zukommen, z. B. auch für Verbrauchsmaterial.
Eine Insulinpumpe oder ein rtCGM-System werden meist für einen längeren Zeitraum bewilligt. Ist man insoweit ausreichend versorgt, besteht während dieses Zeitraums grundsätzlich kein Anspruch auf erneute Versorgung bzw. auf eine Umversorgung mit einem anderen System. Wie bei einer Neuversorgung müsste man dazu nachweisen, dass das vorhandene Hilfsmittel aus medizinischer Sicht nicht (mehr) ausreichend ist oder nicht mehr zweckmäßig eingesetzt werden kann. Ansonsten gibt es auch hier die Möglichkeit der Mehrkostenerklärung.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (4) Seite 44-45
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