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Oft wird behauptet, dass Patienten mit intensivierter Insulintherapie (ICT) oder Insulinpumpe Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis haben. Tatsächlich ist es so: Zur Feststellung einer Behinderung müssen sich Versorgungsämter an der Versorgungsmedizin-Verordnung orientieren; dort sind für nahezu alle Krankheiten Vorgaben (versorgungsmedizinische Grundsätze) festgelegt.
Auch für Diabetes gibt es eine solche Vorgabe (Anlage zu § 2 VersorgungsMedVO), hiernach liegt eine Schwerbehinderung vor bei:
Diese Vorgaben wurden nun mitunter so interpretiert, dass der hohe Aufwand, der mit einer ICT bzw. einer Insulinpumpentherapie verbunden ist, bereits die geforderten erheblichen Einschnitte mit gravierender Auswirkung auf die Lebensführung erfülle.
Um einen Schwerbehindertenausweis zu erhalten, mussten aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erhebliche Beeinträchtigungen an der Teilhabe im sozialen Leben vorliegen. Dies bedeutet, dass man durch Krankheit oder andere Gesundheitsstörungen derart beeinträchtigt wird, dass das Leben im Alltag erheblich erschwert ist.
Das Bundessozialgericht hat dies in seiner aktuellen Entscheidung (B 9 SB 2/12 R, Urteil vom 25.10.2012) nun nochmals bestätigt: Für die Feststellung einer Schwerbehinderung reicht es nicht, dass ein Diabetiker eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführt. Vielmehr muss die betreffende Person insgesamt gesehen auch krankheitsbedingt erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt sein.
Das Gericht hat also seine bisherige Rechtsprechung fortgeführt, was allerdings nicht überraschend ist. Ich hatte dies bereits 2010 prognostiziert, unmittelbar nach Inkrafttreten der einschlägigen Vorschriften (Diabetes-Journal 8/2010, S. 44 – 47). Leser des Diabetes-Journals haben also frühzeitig Bescheid gewusst und konnten ihren Antrag richtig begründen.
Allerdings liegt bislang noch keine Urteilsbegründung vor. Ich bin gespannt, ob das Gericht Vorgaben machen wird, wie die unterschiedlichen Begrifflichkeiten auszulegen sind:
Für einen Grad der Behinderung (GdB) von 20 ist nach der Versorgungsmedizin-Verordnung erforderlich, dass die Betroffenen durch zusätzliche Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind. Ein GdB von 30 bis 40 setzt weitere Einschnitte voraus, während für eine Schwerbehinderung (GdB 50) die genannten erheblichen Einschnitte vorliegen müssen, die sich auch noch gravierend auf die Lebensführung auswirken sollen.
Man muss kein Jurist sein, um zu erkennen, dass derart schwammige Rechtsbegriffe vielfältig interpretiert werden und zu unterschiedlichen Auslegungen bzw. Ergebnissen führen können. Deshalb erkennen manche Versorgungsämter den Schwerbehindertenstatus relativ unproblematisch zu, während andere extrem hohe Hürden setzen. Höchste Zeit also, dass das Bundessozialgericht hier entsprechende Kriterien vorgibt. Sobald die Urteilsbegründung vorliegt, werde ich im Diabetes-Journal darüber berichten.
Trotz dieses Urteils wird die Feststellung einer Schwerbehinderung aufgrund des Diabetes oft möglich sein. Grundsätzlich müssen Sie aber belegen, dass Sie erhebliche Einschränkungen erfahren, die sich gravierend auf Ihre Lebensführung auswirken. Ich empfehle, dass Sie dazu möglichst umfassend schildern, wie und inwieweit Sie durch den Diabetes beeinträchtigt werden bzw. was Sie dadurch nicht (mehr) machen können.
Gemäß § 5 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ist ein Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, muss spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden.
Allerdings ist der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt, auch schon früher die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung zu verlangen.
Umstritten war bislang, wie diese Vorschrift auszulegen ist. Die eine Auffassung war, dass der Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur dann bereits vor Ablauf der drei Tage verlangen dürfe, wenn konkrete Verdachtsmomente auf einen Missbrauch hindeuten, beispielsweise wenn der Arbeitnehmer regelmäßig an Brückentagen oder nach Feiertagen erkrankt. Ansonsten sei eine solche Weisung willkürlich und verletze das allgemeine arbeitsrechtliche Schikaneverbot.
Auf der anderen Seite wurde jedoch argumentiert, dass das Gesetz hierfür keine besondere Begründungspflicht vorgesehen habe. Der Arbeitgeber könne daher jederzeit bzw. schon am ersten Tag die Vorlage einer Krankschreibung verlangen.
Das Bundesarbeitsgericht hat nun in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 14.11.2012, 5 AZR 886/11) festgestellt, dass der Arbeitgeber grundsätzlich schon am ersten Krankheitstag eine ärztliche Krankmeldung (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) verlangen darf.
Nach Auffassung des Gerichts ist dafür nicht erforderlich, dass gegen den Arbeitnehmer ein begründeter Verdacht besteht, er habe in der Vergangenheit eine Erkrankung nur vorgetäuscht. Eine Ausnahme gelte nur dann, wenn im Tarifvertrag etwas anderes vereinbart sei.
Wenn also der Arbeitgeber verlangt, dass künftig sofort eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen ist, dann muss man dem nachkommen. Wer sich weigert oder die Bescheinigung erst später vorlegt, muss mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung rechnen.
Für manche Arzneimittel bzw. Wirkstoffgruppen sind Festbeträge vorgeschrieben; für diese Arzneimittel dürfen die gesetzlichen Krankenkassen nur diesen festgelegten Betrag erstatten. Wenn das verordnete Arzneimittel nun aber mehr kostet, erhält der Patient nur ein anderes, günstigeres Präparat.
Dieses muss denselben oder pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoff enthalten sowie eine therapeutisch vergleichbare Wirkung haben wie das verordnete Arzneimittel. Das verordnete bzw. gewünschte Arzneimittel kann der Patient grundsätzlich nur noch erhalten, wenn er die Differenz zum niedrigeren Festbetrag selbst bezahlt.
Das Bundessozialgericht hatte nun darüber zu entscheiden, ob es hiervon auch Ausnahmen geben kann (Urteil vom 3.7.2012, B 1 KR 22/11 R). Eine Patientin hatte ihre Krankenkasse darauf verklagt, ihr die Versorgung mit dem vom Arzt verordneten Arzneimittel Sortis ohne Begrenzung auf den Festbetrag zu gewähren.
Sortis zählt zu der Gruppe der Statine, für die es eine Festbetragsregelung gibt. Die Patientin gab aber an, dass die günstigeren Alternativpräparate bei ihr zu erheblichen Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten führen; nur Sortis verursache bei ihr keine Nebenwirkungen.
Das Bundessozialgericht hat der Patientin im Grundsatz Recht gegeben: "Wenn die zum Festbetrag erhältlichen Arzneimittel unerwünschte Nebenwirkungen verursachen, die über bloße Unannehmlichkeiten oder Befindlichkeitsstörungen hinausgehen" und damit quasi selbst "die Qualität einer behandlungsbedürftigen Krankheit" erreichen, dann sei eine Versorgung nur zum Festbetrag nicht mehr ausreichend und zumutbar. In solchen Fällen habe der Patient dann Anspruch auf Vollkostenübernahme des erforderlichen, teureren Arzneimittels.
Allerdings setzt das Gericht sehr hohe Hürden: Es muss vom Patienten zunächst bewiesen werden, dass bei ihm eine zusätzliche behandlungsbedürftige Krankheit oder eine behandlungsbedürftige Verschlimmerung einer bereits vorliegenden Krankheit nach indikationsgerechter Nutzung aller anwendbaren, preislich den Festbetrag unterschreitenden Arzneimittel eintritt.
Weiterhin ist nachzuweisen, dass diese zusätzliche Erkrankung/Krankheitsverschlimmerung zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch tatsächlich durch die Anwendung dieser günstigeren Arzneimittel bedingt ist. Und schließlich muss der Patient auch noch beweisen, dass es bei Anwendung des teureren Arzneimittels nicht zu solchen Nebenwirkungen kommt und dieses daher faktisch alternativlos ist.
Und selbst wenn alle diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist noch keine dauerhafte Versorgung gesichert. Die Krankenkasse muss zunächst nur für einen Zeitraum bezahlen, in dem die Therapie aussagekräftig bewertet werden kann. Nur wenn sich dann bestätigt, dass das teurere Medikament tatsächlich keine Nebenwirkungen hat bzw. keine sonstigen, günstigeren Alternativen zumutbar wären, kommt eine dauerhafte Versorgung mit dem teureren Arzneimittel in Betracht.
Im Ergebnis kommt eine solche Vollversorgung künftig daher wohl nur noch in seltenen Ausnahmefällen in Betracht.
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