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Gesetzlich Versicherte haben Anspruch auf medizinisch notwendige Behandlungsleistungen sowie auf Versorgung mit erforderlichen Medikamenten und Hilfsmitteln. Probleme kann es geben, wenn man ein Medikament benötigt, das in Deutschland nicht erhältlich bzw. zugelassen ist. Dies kann auch Diabetiker tangieren – zum Beispiel wenn aufgrund häufiger Unterzuckerungen ein tierisches Insulin eingesetzt werden muss, das nicht mehr erhältlich ist.
Ein aktuelles Urteil des Sozialgerichts Nürnberg hat klargestellt, dass die Krankenkasse im begründeten Ausnahmefall die Kosten für ein solches Insulin übernehmen muss.
Ein langjähriger Typ-1-Diabetiker hatte erhebliche Probleme mit seiner Blutzuckereinstellung. Es kam häufig zu schweren Unterzuckerungen, die wiederholt den Einsatz eines Notarztes erforderlich machten – in relativ kurzer Zeit war das 26-mal der Fall.
Man weiß, dass hier ein Wechsel von dem gentechnisch hergestellten Humaninsulin auf ein tierisches Insulin – meist Schweineinsulin – Vorteile bieten kann. Die Hypoglykämiewahrnehmung scheint mit solchen tierischen Insulinen mitunter deutlich besser zu sein als mit Humaninsulin. Es gibt insoweit auch eine Empfehlung der
Allerdings ist in Deutschland solches Insulin nicht (mehr) erhältlich und nicht zugelassen. Der Patient hat sich daher mit einem Privatrezept aus der Schweiz ein Schweineinsulin
Nun beantragte er bei seiner Krankenkasse die Kostenübernahme für dieses Insulin (es ging um einen Betrag von 56,63 €) sowie für künftige Verordnungen. Dies wurde von der Kasse mit der Begründung abgelehnt, dass die Behandlung mit Schweineinsulin in der Kurzzeitbehandlung wohl sinnvoll sei, bei ihm aber jedoch eine längerfristige Behandlung durchgeführt werden solle. Dies sei wegen bekannter Nebenwirkungen medizinisch nicht zu befürworten.
Im Übrigen sei das Insulin in Deutschland nicht zugelassen; nach Rücksprache mit dem Medizinischen Dienst gebe es in Deutschland ausreichend Alternativen.
Grundsätzlich könnten Arzneimittel nur dann zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden, wenn für diese eine
Auch eine ausnahmsweise Kostenübernahme, wie es vom Bundesverfassungsgericht
Der Gutachter (Prof. Dr. Thomas Haak, der Chefredakteur des
Es sei davon auszugehen, dass der Kläger unter Schweineinsulin im Vergleich hierzu deutlich weniger schwere Unterzuckerungen erleiden werde. Solche gravierenden Stoffwechselentgleisungen seien dringend zu vermeiden, da sie zu Herzrhythmusstörungen mit möglicher Todesfolge führen können. Studien hätten solche Zusammenhänge gezeigt.
Das Gericht hat der Klage daraufhin stattgegeben und die Krankenkasse zur Kostenerstattung verurteilt: Grundsätzlich bestehe zwar nur dann ein Erstattungsanspruch für selbstbeschaffte Medikamente, wenn diese normalerweise von den Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen sind. Dies ist bei dem
Jedoch hat das Bundesverfassungsgericht
Es können also im Ausnahmefall auch (noch) nicht zugelassene Arzneimittel oder Methoden von der Krankenkasse erstattet werden, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
Für die Kostenübernahme eines in Deutschland nicht zugelassenen, aus dem Ausland importierten Arzneimittels müssen darüber hinaus folgende Kriterien erfüllt sein:
Sämtliche der Bedingungen sah das Gericht als erfüllt an: Aufgrund der schweren Unterzuckerungen sowie der bereits beim Kläger vorhandenen Folgeerkrankungen
Das Kriterium einer lebensbedrohlichen Erkrankung müsse daher als erfüllt angesehen werden. Für die Diabeteserkrankung des Klägers stand in seinem Fall somit keine dem medizinischen Standard entsprechende Therapie zur Verfügung: Zugelassen sind in Deutschland gentechnisch hergestellte Humaninsulinpräparate. Die vormals vorhandenen tierischen lnsulinpräparate sind vom Markt genommen worden, die entsprechenden Zulassungen wurden sämtlich zurückgegeben.
Eine Rückkehr zur Behandlung mit gentechnisch hergestelltem Humaninsulin war dem Kläger nicht zumutbar; es musste befürchtet werden, dass es dann wieder zu solchen häufigen schweren Hypoglykämien komme, was unter Einsatz des Schweineinsulins nicht mehr der Fall war.
Schließlich war das Gericht überzeugt, dass das Schweineinsulin auch eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf erwarten lässt: Nachdem hiermit keine Unterzuckerungen mehr aufgetreten sind, während es unter Humaninsulin zu 26 Notarzteinsätzen kam, sei ein positiver Effekt des Schweineinsulins nicht von der Hand zu weisen.
Auch die weiteren Voraussetzungen konnten bejaht werden: Der Import von
Das vorliegende Urteil ist nur zu begrüßen. In der Regel mach(t)en die Krankenkassen in solchen begründeten Ausnahmefällen zwar nur selten Probleme; ansonsten können Betroffene sich nun aber auf dieses Urteil stützen. Allerdings darf man nicht übersehen: Eine Kostenübernahme solcher nicht zugelassener Insuline wird auch weiterhin nur im tatsächlich begründeten Ausnahmefall durchgesetzt werden können – und dies auch nur dann, wenn die zahlreichen Voraussetzungen erfüllt sind.
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