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Kontinuierliche Messsysteme bereichern die Möglichkeiten der Glukoseüberwachung ganz erheblich. Was genau leisten die Systeme und wofür stehen die für viele schwierig zu lesenden Abkürzungen “CGM”, “rtCGM”, “FGM” und “iscCGM”? Chefredakteur Prof. Thomas Haak informiert.
Bei den Sensoren zur kontinuierlichen Gewebsglukosemessung unterscheidet man die Systeme FGM bzw. iscCGM und rtCGM: FGM steht für “Flash Glucose Monitoring”, iscCGM für “Intermittent Scanning Continuous Glucose Monitoring” und rtCGM für “Real-Time Continuous Glucose Monitoring”. “Real Time” zeigt an, dass es sich um Echtzeitmessungen handelt und nicht um Aufzeichnungen, die vor einem längeren Zeitraum gewonnen wurden.
Der große Unterschied zwischen den beiden Systemen liegt darin, dass FGM/iscCGM vom Patienten ein aktives Handeln erfordert: Er muss einen Scanner, z. B. das mitgelieferte Messgerät oder ein Mobiltelefon, auf dem die passende App installiert ist, aktiv über den Sensor bewegen. Der Sensor wird am Oberarm getragen und sendet mit der “near field communication” (drahtlose Übermittlung) Daten aus dem Sensor direkt auf das Lesegerät. Dafür muss man beide Geräte nahe zusammenbringen – es geht aber problemlos auch durch dickere Kleidung hindurch.
Dabei gewinnt man zum einen Daten über den Zuckerverlauf der letzten 8 Stunden – und auch die Momentaufnahme des aktuellen Gewebezuckers. Aus den letzten 15 Minuten wird ein Trendpfeil generiert, der signalisiert, ob der Blutzucker stabil bleibt, steigt oder fällt. Wenn man länger als 8 Stunden nicht scannt, gehen die als Erstes aufgezeichneten Daten verloren.
Im Gegensatz dazu zeigen rtCGM-Systeme den im Gewebe gemessenen Zucker kontinuierlich an. Die Daten werden also ohne das Zutun des Trägers auf das Lesegerät oder eine App auf einem passenden Mobiltelefon gesendet. Auch das Senden auf eine Smart-Watch ist mit dem richtigen System möglich.
Gemeinsam ist den beiden Systemen, dass die Daten über ein Auswertungsprogramm auch auf einen Computer übertragen werden können. Von dort sind dann spezielle Auswertungen der Zuckerverläufe möglich und die Daten können auch aktiv weitergesandt werden – z. B. über Internet zum Diabetesteam.
Der größte Unterschied ist, dass FGM/iscCGM im Gegensatz zu rtCGM keine Warnmeldungen abgeben kann; beide Systeme zeichnen den kompletten Verlauf des Gewebezuckers auf, allerdings meldet sich ein rtCGM beim Über- oder Unterschreiten von Grenzwerten. Es alarmiert sozusagen den Träger und weist ihn aktiv durch Vibrieren oder Tonsignale auf einen zu hohen oder zu tiefen Gewebezucker hin.
Beim FGM ist das Handeln des Trägers notwendig: Er muss also aktiv seinen Gewebezucker abrufen und aus den angezeigten Daten die richtigen Schlüsse für das weitere Vorgehen ziehen. Demnach sind rtCGM-Geräte die bessere Alternative, wenn eine Unterzuckerungs-Wahrnehmungsstörung besteht und der Patient durch eine kontinuierliche Glukoseüberwachung vor zu tiefen Werten gewarnt werden muss.
rtCGM-Systeme müssen täglich 1- bis 2-mal kalibriert werden; der aktuelle Blutzucker muss also gemessen und dann in das rtCGM-System als aktueller Wert eingegeben werden. Ist der gemessene Blutzuckerwert falsch (durch Saft an den Fingern o. ä.), wird das rtCGM-System falsch kalibriert, was sich auf die angezeigten Werte bis zur nächsten Kalibrierung auswirkt.
Dies ist der Grund, warum bis auf wenige Ausnahmen rtCGM-Systeme offiziell nicht zur Insulindosierung zugelassen sind. Dennoch vertrauen viele Patienten den rtCGM-Systemen und dosieren trotzdem ihr Insulin anhand der Gewebezuckermessungen. Es gibt rtCGM-Systeme, die die Werte auf das Display einer Insulinpumpe senden oder sogar aktiv in die Pumpensteuerung eingreifen. Bei oder bereits vor einer Unterzuckerung stoppen diese z. B. die Insulinzufuhr.
FGM/iscCGM ist jedoch dafür entwickelt worden, dass Blutzuckermessungen in der Routine entfallen können – das System soll also das mehrfache Stechen ersetzen. Falls man jedoch einem Wert nicht traut, z. B. weil man sich so fühlt, als sei man im Unterzucker, und das Gerät zeigt normale Werte an, dann müssen Kontrollmessungen mit einem Blutzuckermessgerät getätigt werden.
Wichtig zu wissen ist auch,dass man nach einer Hypoglykämie und der Kohlenhydrataufnahme nicht unmittelbar kontrollieren kann, ob der Blutzuckeranstieg ausreichend war. Dies liegt daran, dass eben der Gewebezucker gemessen wird und dieser nach einer Hypoglykämie dem Blutzucker über einen längeren Zeitraum “nachhängt”.
Und der Preis? Das auf dem Markt befindliche FGM-System ist deutlich preisgünstiger als die rtCGM-Systeme. Da auch Wirtschaftlichkeitsüberlegungen eine Rolle spielen, muss jeder Patient gemeinsam mit seinem Arzt genau überlegen, welches System medizinisch notwendig ist und ihm den bestmöglichsten Nutzen bringt. Doch hierzu später mehr im weiteren Verlauf des Titelthemas.
Während FGM im Wesentlichen dazu geeignet ist, Blutzuckermessungen zu ersetzen und eine vollständige Dokumentation der Glukoseverläufe über mehrere Stunden zu haben, ist das rtCGM ein System, das wertvolle Hilfe bei Unterzuckerungswahrnehmungsstörungen bietet, da hier eine aktive Warnfunktion integriert ist. Beide Systeme haben gezeigt, dass sie in der Lage sind, eine stabile Blutzuckereinstellung zu gewährleisten und Zeiten des vielleicht auch unbemerkten Unterzuckers deutlich zu reduzieren.
von Prof. Dr. med. Thomas Haak
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (5) Seite 12-17
5 Minuten
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