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Die Kontaktlinse von Google – eine neue Hoffnung auf eine nichtinvasive Glukosemessung? Sprich: Ohne Blutentnahme den Blutzucker messen?
Es ist wenige Wochen her, dass Google, der Marktführer unter den Internet-Suchmaschinen, eine Medienkampagne zum Bekanntwerden seiner Entwicklung führte: der Kontaktlinse zum Zuckermessen! Dutzende Medien allein in Deutschland stürzten sich auf die Nachricht – Zeitungen brachten die Meldung auf der ersten Seite. Der Facebook-Kanal des Diabetes-Journals verzeichnete innerhalb weniger Stunden tausende Leser, wie man hört. Ein Thema also, das Menschen mit Diabetes sehr interessiert, sehr bewegt – aus nachvollziehbaren Gründen.
Also fragen wir uns: Wo ist sie, diese Kontaktlinse? Wo sind die wissenschaftlichen Daten? Wo ist die Website, auf der man die Details nachlesen kann? Das ist nämlich nötig.
Googles Labor ist ja nicht die erste Gruppe, die in der Tränenflüssigkeit Zucker messen will. Nach Sichten der wissenschaftlichen Literatur muss man damit rechnen, dass die Schwankungen des Zuckers in der Tränenflüssigkeit ca. 20 bis 45 Minuten nachhinken hinter der Blutzuckerschwankung; da würden wir doch gern genauer wissen: Wie sieht es mit dem Instrument von Google aus?
Wie sieht es mit dieser Schwankung von Tag zu Tag aus? Wenn man vielleicht mehr getrunken hat: Geht es dann schneller? Oder ist diese Verzögerung individuell konstant? Wie will die Gruppe von Google daraus den Blutzucker von Diabetikern abschätzen? Bereits die kontinuierlichen Messgeräte (kontinuierliches Glukosemonitoring/CGM) weisen bekanntlich ca. 5 bis 10 Minuten Verzögerung zwischen dem gemessenen Wert und dem Blutglukosewert auf.
Die meisten der großen Zahl derer, die bis heute versuchten, nichtinvasiv Glukose zu messen, scheiterten an dem Problem der Spezifität – mit anderen Worten: Es wurde nicht nur Glukose, sondern manch anderes mitgemessen; das führte zu falschen Werten. Nun, dies ist hier wohl nicht der Fall: In der Tränenflüssigkeit wird mit der Google-Kontaktlinse soweit erkennbar nur die Glukose gemessen. Aber wie genau ist es? Können wir sicher sein, dass bei dem Projekt die Blutglukose gemessen und nicht irgendetwas anderes zum Vergleich herangezogen wird?
Mich beunruhigt, dass keine Daten zu finden sind, welche Werte genau gemessen werden. Aus meinem Blickwinkel ist das die grundlegende Frage. Da helfen die weiteren faszinierenden technischen Anwendungen nicht: „Die Glukosewerte würden auf dem Handy oder auf einer Armbanduhr erscheinen“, heißt es. Dieser Hinweis beim Kennenlernen des Systems lenkt meiner Meinung nach eher ab von der Schwierigkeit, dass die Werte in der Tränenflüssigkeit nachhinken.
Google weckt viele Hoffnungen.Wenn sich herausstellt, dass sie nicht gerechtfertigt sind, ist das schlecht für die Szene – das heißt für die Wahrscheinlichkeit, dass in naher Zukunft einmal ein solches Gerät auf den Markt kommt. Erneute Enttäuschung lässt den Optimismus schwinden, dass es mal etwas wird mit dem blutlosen Messen – und potentielle Geldgeber hätten weniger Lust, zu investieren.
Übrigens: Ich bin als Autor insofern befangen, als ich selbst seit vielen Jahren an der Entwicklung eines nichtinvasiven Glukose-Messsystems arbeite.
von Prof. Hermann von Lilienfeld-Toal
Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0,
Fax: (0 61 31) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (3) Seite 21
5 Minuten
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