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Seit dem 1. Januar 2024 ist das rosafarbene Papierrezept Geschichte. Okay, zumindest für einen Teil der Dinge, die man sich als Mensch mit Diabetes in regelmäßigen Abständen in einer Apotheke besorgen muss. Beim Bundesgesundheitsministerium heißt es dazu verheißungsvoll:
Seit dem 1. Januar 2024 ist die Nutzung des E-Rezepts für verschreibungspflichtige Medikamente verpflichtend. Für Patientinnen und Patienten bedeutet die Umstellung mehr Komfort und weniger Wege in die Arztpraxis. Vor allem durch die einfache Einlösung bei der Apotheke über drei Möglichkeiten: Einlösung per eGK, App oder mit dem Papierausdruck.
Auch den Praxen verspricht das Ministerium Arbeitserleichterung durch das E-Rezept:
Das erleichtert auch den Praxisalltag: Händische Unterschriften und Wege entfallen, Folgerezepte können ohne erneuten Patientenbesuch ausgestellt werden. Das Medikamentenmanagement ist verbessert, und auch den Apotheken erleichtert das Einlösen mit der eGK den Arbeitsalltag.
Als ich Anfang Januar also zu meinem ersten Quartalstermin im neuen Jahr in meine Diabetespraxis stapfte und eingangs meine Rezeptwünsche mitteilte – „Bitte meinen üblichen Vorrat Penkanülen, eine Packung Blutzuckerteststreifen und eine Packung kurzwirksames Insulin Liprolog, von meinem Langzeitinsulin Lantus habe ich zurzeit noch genug.“ – war ich gespannt, wie das Spiel nun mit dem neuen E-Rezept ablaufen würde. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass mir meine Krankenkasse irgendwelche Informationen zum E-Rezept geschickt hatte.
Doch ich hatte in den einschlägigen Medien bereits gelesen, dass der Start des E-Rezepts überwiegend holprig verlaufen war. Offenbar hatte die Mehrheit der Praxen mit der Technik und den Datenverbindungen zu kämpfen, einer Umfrage zufolge hatten nur 26 Prozent gar keine technischen Probleme mit dem E-Rezept. Als Ursache nannten sie Probleme mit der Telematikinfrastruktur (TI) – also jener Plattform, die in Deutschland eine schnelle und sichere Kommunikation zwischen Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen ermöglichen soll. Wenn du wissen möchtest, wie häufig sie genau das leider nicht tut, sprich einfach das Personal jeder beliebigen Praxis in Deutschland auf die TI an. Du musst allerdings auf eine längere Schimpftirade gefasst sein, denn die TI ist für viele Ärztinnen und Ärzte angesichts ihrer vielen Ausfälle echt ein rotes Tuch.
Auch für unsereins als Patient*innen waren die ersten E-Rezepte nicht immer eine komfortable Angelegenheit. Das hatte ich zumindest bei einigen Leuten in den sozialen Medien mitbekommen. Denn ihre E-Rezepte waren nicht sofort mit Verlassen der Praxis einsetzbar. „Das E-Rezept ist erst ab 14 Uhr freigegeben“, erfuhren sie. Wer also – wie so viele Menschen – die Gewohnheit hat, direkt von der Arztpraxis in die benachbarte Apotheke zu sprinten und dort die Rezepte gleich einzulösen, der hatte in diesen Fällen das Nachsehen und musste sich im Verlauf des Tages noch einmal auf den Weg machen.
In meiner Diabetespraxis erfuhr ich, woran das liegen dürfte: Offenbar hatte in diesen Fällen der Arzt bzw. die Ärztin nicht sofort während des Sprechstundentermins das ausgestellte Rezept digital signiert, sondern diesen Klick-Akt lieber auf die Mittagspause verschoben, um auf einen Schlag alle ausgestellten Rezepte des Vormittags freizugeben. Die Medizinische Fachangestellte riet mir, meinen Diabetologen vorsichtshalber daran zu erinnern, dass er mein Insulinrezept doch bitte gleich digital signieren möge. Mein restlicher Diabetesbedarf – also Penkanülen und Blutzuckerteststreifen – könne ohnehin nicht via E-Rezept verordnet werden.
Dafür gab es also doch wieder einen klassischen rosa Zettel. Mein Diabetologe tat mir den Gefallen, das Insulinrezept gleich digital zu signieren – allerdings nicht ohne über die aus seiner Sicht verfehlte Digitalisierungsstrategie unseres Gesundheitsministers zu schimpfen. Ein E-Rezept auszustellen sei für ihn deutlich zeitaufwändiger als ein Papierrezept. Und solange Blutzuckerteststreifen und Hilfsmittel nicht ebenfalls via E-Rezept verordnet werden können, sei ja noch nichts gewonnen. Ich kann seinen Ärger gut nachvollziehen – auch wenn ich es tatsächlich cool fände, wenn ich alle meine Rezepte nicht zwingend physisch in der Praxis abholen muss, sondern mit meiner Versichertenkarte direkt in der Apotheke einlösen kann.
Bei meinem „ersten Mal“ funktionierte das zumindest für mein Insulin in der Apotheke gegenüber anstandslos. Die Apothekerin steckte meine Versichertenkarte in ihr Lesegerät, konnte das E-Rezept abrufen und händigte mir meinen neuen Insulinvorrat aus. Für meine Blutzuckerteststreifen schob ich den bekannten rosa Zettel über den Tresen. Und meine Penkanülen bestelle ich ohnehin lieber beim Diabetes-Versandhandel, weil ich dort – anders als in der Apotheke vor Ort – keine Zuzahlung leisten muss. In meiner Schreibtischschublade sammele ich weiterhin Freiumschläge, mit denen ich das Papierrezept gratis dorthin schicken kann. Bis zum endgültigen Abschied vom rosa Zettel und dem vollständig digitalisierten Gesundheitswesen dürfte es also wohl noch eine Weile dauern.
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