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heute möchte ich das Thema FreeStyle-Libre-Sensor aufgreifen. Es gibt bisher lediglich eine einzige Krankenkasse, die Techniker Krankenkasse, die dieses System unkompliziert bezuschusst. Die übrigen Krankenkassen halten sich damit zurück. In vielen Modell-Rechnungen, die in den Foren diskutiert werden, ergeben sich bei der FreeStyle-Libre-Erstattung keine finanziellen Nachteile für die Krankenkassen im Vergleich zu Blutzuckermessstreifen. Ich habe etwas genauer nachgeschaut und versucht, eine nachvollziehbare Erklärung für das zögerliche Verhalten der Krankenkassen zu finden. Zunächst möchte ich mit einer Klärung beginnen, welche gesetzlichen Grundlagen für den FreeStyle-Libre-Sensor zur Erstattung in Frage kommen. Danach gehe ich ein wenig auf die Verschreibung und Erstattung von Medikamenten, insbesondere auf Generika, ein. Zum Schluss möchte ich einen Bogen zu Rabatt-Modellen für Blutzuckermessstreifen spannen. Daraus ergibt sich dann eine doch plausible Erklärung für das Verhalten der Krankenkassen.
Als der FreeStyle-Libre-Sensor letztes Jahr auf den Markt kam, wurde er von dem Unternehmen als Zuckermessgerät ins Rennen geschickt und nicht als ein System, das kontinuierlich misst. Es ist kein CGM-System. Die gesetzliche Grundlage für die Erstattung von Messstreifen wird im Sozialgesetzbuch, fünftes Buch, §31 (1, 3) beschrieben. Dort wird nicht nur der Anspruch auf Harn- und Blutteststreifen festgehalten, sondern auch, dass die Zuzahlung nicht angewendet wird. Allerdings unterliegen die Messstreifen, wie die Medikamente auch, dem Wirtschaftlichkeitsgebot, z.B. Sozialgesetzbuch, fünftes Buch, §12.
Kurz zusammengefasst kann man sagen, dass Blutzuckermessstreifen ohne Zuzahlung ersetzt werden, allerdings, wie Medikamente auch, muss die Verordnung ökonomisch sein.
Nun zum FreeStyle-Libre-Sensor selbst. Fällt dieser unter die oben genannten Gesetze? Es ist ein Zuckermessgerät. Es hat einen Messsensor, der 14 Tage subkutan unter der Haut getragen wird. Auch den Blutzuckermessstreifen kann man als Sensor bezeichnen. Beide liefern ein Signal durch einen kleinen Strom. Eine technische relevante Unterscheidung zwischen Sensor und Messstreifen gibt es nicht.
Das FreeStyle-Libre-System ist ein Zuckermessgerät, das zweimal im Monat einen neuen Sensor benötigt. Es können zur Erstattung die gleichen Gesetze angewandt werden, die für Blutzuckermessstreifen gelten.
Die Kosten des FreeStyle-Libre-Sensors im Vergleich zu Blutzuckermessstreifen in einem Jahr. Eine kurze Überschlagsrechnung ohne Berücksichtigung, dass der FreeStyle-Libre-Sensor Messstreifen für Kontrollmessungen benötigt und die Messstreifen Lanzetten zur Blutentnahme. Der Geschäftspreis für Blutzuckermessstreifen beträgt etwa 25€ pro 50-Stück-Packung inklusive Mehrwertsteuer, der FreeStyle-Libre-Sensor für 14 Tage kostet inklusive Mehrwertsteuer 59,90€.
Brutto: 26 Sensoren x 59,90€ Brutto = 1557,40€ pro Jahr
Brutto: (4 x 700 Messstreifen pro Quartal)/50 x 25€ = 1400€ pro Jahr
Es entsteht eine Kostenlücke von 157,40€ für den FreeStyle-Libre-Sensor.
Bei einem realistischen Quartalsbedarf von 700 Messstreifen ergeben sich nur wenig höhere Kosten, so dass eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen auch von Gesetzes wegen möglich wäre.
Doch nun zu den Preis-Mechanismen, die Medikamentenverordnungen günstig machen sollen. Zwar findet man auf dem Rezept ein Medikament. Erlaubt der verschreibende Arzt, dass der Apotheker ein wirkstoff- und dosisgleiches Medikament, das günstiger ist als das verordnete, herausgibt, indem er kein Kreuz im Aut-idem-Feld setzt, wird der Apotheker anhand der Verordnung eines der günstigsten Medikamente herausgeben. Für Blutzuckermessstreifen gilt das auch: Blutzuckermessstreifen können ohne Marke verordnet werden und der Apotheker ist dann gehalten, Messstreifen aus der Gruppe der günstigsten Anbieter herauszugeben. Hier entstehen dann Probleme bei uns Patienten mit unserem Messgerät. Dieser Weg ist also keine Möglichkeit, um große Rabatte bei den Messstreifen zu erhalten. Er erzeugt nur Spannungen zwischen uns Diabetikern und dem Apotheker, wenn wir nicht die passenden Messstreifen erhalten.
Doch da gibt es noch die Ampel. Bei der Verschreibung sieht der Arzt am Computer bei seiner Software anhand einer Ampel, welches Medikament günstig ist (grün) und welches teuer ist (rot). Bei Medikamenten, die dazwischenliegen, zeigt die Ampel orange an oder noch andere Farben. Anhand dieser Ampel kann die Verordnungspraxis des Arztes in bestimmten Fällen durch die KV mit Boni bewertet werden.
Open-House-Verträge boomen zur Zeit. Sie werden bei Krankenkassen für viele Medikamente angewendet, so auch für Blutzuckermessstreifen. Es wird für die Blutzuckermessstreifen ein Tiefstpreis von der Krankenkasse festgelegt, der erstattet wird. Hersteller können dem Vertrag beitreten oder auch nicht. Verhandelbar ist er nicht. Für jeden Hersteller gelten die gleichen Konditionen. Aber warum sollte ein Hersteller freiwillig auf Geld verzichten? Nur die Messstreifen mit Open-House-Vertrag werden in der Ampel grün angezeigt. Der Arzt wird nun alle neuen Patienten mit Geräten dieses Messstreifens ausstatten und langsam wird der Patientenstamm mit neuen Geräten ausgestattet. Treten mehrere Hersteller dem Vertrag bei, merkt der Patient meistens nicht den kleinsten Druck bei der Geräteauswahl. Eine elegante Möglichkeit, um Spannungen zwischen Arzt und Apotheker zu vermeiden, die bei der Herausgabe des günstigsten Messstreifens entstehen würden. Apothekerverband und der Verband der Ersatzkassen haben die Messstreifen in zwei Preisgruppen A und B mit Untergruppen und Mengenrabatten eingeteilt. Eine bestimmte Quote, die sich immer wieder ändert, darf bei der Abgabe in der Apotheke aus der teueren Gruppe A stammen.
Nach dem Open-House-Vertrag der AOK Rheinland/Hamburg müssen die Hersteller folgende Erstattungspreise für diese Gruppen garantieren.
Preisgruppe A1: 18,25 Euro netto (ohne Umsatzsteuer)
Preisgruppe A2: 15,00 Euro netto (ohne Umsatzsteuer)
Preisgruppe B: 13,00 Euro netto (ohne Umsatzsteuer)
Diese Preise liegen deutlich unter den in den Apotheken angesetzten Preisen und den zwischen Apothekerverband und Verband der Ersatzkassen ausgehandelten Preisen.
Eine neue Rechnung mit den Rabattpreisen aus dem Open-House-Vertrag der AOK Rheinland/Hamburg. Nun möchte ich Beispielhaft für die teuerste Preisgruppe A1 und die günstigste Preisgruppe B die Kosten für einen Jahresbedarf an Messstreifen berechnen und lege wieder einen Quartalsbedarf von 700 Stück zu Grunde. Die neuen Kosten werde ich dann mit den Jahreskosten für den FreeStyle-Libre-Sensor, die sich auf 1557,40€ belaufen, vergleichen. Da es sich bei den Rabattpreisen um Netto-Preise handelt, gesellt sich noch die Mehrwertsteuer hinzu.
Für die Preisgruppe A1 erhält man folgende Kosten für das Jahr:
Brutto: (4 x 700 Messstreifen pro Quartal)/50 x 18,25€ x 1,19 = 1216,18€ pro Jahr
Die nach Preisgruppe A1 bezahlten Blutzuckermessstreifen sind nun deutlich günstiger als der FreeStyle-Libre-Sensor. Es entsteht eine Kostenlücke 1557,40€ – 1216,18€ = 341,22€ pro Jahr zu den FreeStyle-Libre-Sensoren.
Für die Preisgruppe B erhält man folgende Kosten für das Jahr:
Brutto: (4 x 700 Messstreifen pro Quartal)/50 x 13,00€ x 1,19 = 866,32€ pro Jahr
Die nach Preisgruppe B bezahlten Blutzuckermessstreifen erzeugen nahezu die Hälfte der Jahreskosten im Vergleich zu denen des FreeStyle-Libre-Sensors. Es entsteht eine Kostenlücke von 1557,40€ – 866,32€ = 691,08€.
Mit dem Open-House-Vertrag der AOK Rheinland/Hamburg werden die Erstattungskosten für Messstreifen deutlich reduziert. Dies ist nur ein Rabatt-Modell. Sicher wird es darüber hinaus bei den Krankenkassen weitere unterschiedliche Rabattstrategien bezüglich der Blutzuckermessstreifen geben. Hier kann man sicher endlos recherchieren.
Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit wird der FreeStyle-Libre-Sensor zurzeit bis auf eine Ausnahme nicht von den Krankenkassen ersetzt. Medizinische Aspekte spielen hierbei keine Rolle. Dies ist bedauerlich. Allerdings ist nicht aller Tage Abend und ich denke, die Erstattung durch die Kassen wird kommen, keine Frage. Der Hersteller Abbott verkauft bei einer sehr starken Nachfrage fast nur an Selbstzahler. Die Entwicklungs- und Investitionskosten werden erwirtschaftet. Eine weitere Expansion auf dem Markt der Selbstzahler wird überschaubar sein, so dass Abbott kurz- und mittelfristig die Kundschaft der Krankenkassen in das Auge fassen muss. Umgekehrt gibt es medizinisch notwendige Gesichtspunkte und das starke Verlangen der Patienten nach diesem System, so dass Rabattverträge eher kurzfristig möglich sein sollten. Soweit meine positive Hoffnung.
Viele Grüße Euer Thomas
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