Abnehmen findet im Kopf statt

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Abnehmen findet im Kopf statt

Zusammenhänge zwischen Bauch und Kopf

Menschen mit einem Typ-2-Diabetes haben meist Übergewicht. Das Zuviel sitzt dabei meist am Bauch. Dieses Bauchfett wird auch viszerales Bauchfett oder Stamm-Fettsucht genannt. Dabei handelt es sich nicht nur um reines Speicherfett, sondern es ist auch ein endokrines Gewebe, also ein Gewebe, in dem viele Hormone oder Hormonen ähnliche Stoffe produziert werden. Fachleute nennen diese auch Adipokine und die Fettzellen, die diese produzieren, heißen Adipozyten.

Diese Substanzen sind mit dafür verantwortlich, dass es zu einem Metabolischen Syndrom kommt – vorausgesetzt, man hat die genetische Veranlagung dazu. Zum Metabolischen Syndrom gehören ein Bluthochdruck, erhöhte Fettwerte und eine Insulinresistenz mit erhöhten Zuckerwerten. Hier fängt ein Teufelskreis an: Je mehr Insulin produziert werden muss, umso eher ist der Körper auf Sparflamme. Insulin ist ein Hormon, das Zucker in die Zellen des Körpers schleust. Dort dient er dem Gewinnen von Energie. Wird keine Energie benötigt, wird die Glukose in der Leber in Glykogen umgewandelt, was als Energiespeicher dient. Glukose, die in Fettzellen aufgenommen wird, wird aber in eine andere Speicherform umgewandelt: Fett. Außerdem unterstützt Insulin das Einschleusen von Fettsäuren in Fettzellen und bremst den Abbau von Fett. Hat jemand also zu viel Insulin im Körper – Fachleute sprechen auch von einem Hyperinsulinismus – kann neben dem Zucker auch Fett in die Zellen eingebettet werden, wenn der Körper keine akute Energie benötigt. Das heißt: Dann nimmt man zu. Je mehr Fettgewebe man hat, umso mehr Adipokine werden gebildet. Diese Substanzen führen dann wieder dazu, mehr einzulagern, und so weiter. Ursprünglich ist dieser Mechanismus sehr wichtig für das Überleben der Menschheit gewesen – solange wir noch jagen und sammeln mussten. Heute in unserer Überfluss-Gesellschaft mit Lebensmitteln, die hoch verarbeitet und sehr kalorienhaltig sind, wird dies zu einem Problem.

Das egoistische Gehirn

Der Forscher Prof. Dr. Achim Peters aus Lübeck hat herausgefunden, dass es zwei Sorten von Stress-Typen gibt. Die einen produzieren unter Stress vorrangig Adrenalin – das Fluchthormon, um "vor dem Säbelzahntiger davonzulaufen". Die anderen produzieren vorrangig das Hormon Kortisol. Dieses Hormon führt dazu, dass das Gehirn sich quasi einen Energiespeicher im Bauchfett anlegt – im Sinne von "abwarten in der Höhle, bis der Säbelzahntiger weg ist". Das führt nun dazu, dass bei chronischem Stress immer mehr Energie im Bauchfett abgespeichert wird, was wiederum zu einer vermehrten Produktion von Adipokinen führt.

Darm und Gehirn hängen zusammen

Ein neuer Zweig der Wissenschaft erlebt gerade einen Boom. Durch neue Techniken ist es heute möglich, unkompliziert das Mikrobiom zu erforschen. Unter Mikrobiom versteht man sämtliche Mikroorganismen, die auf und in einem Körper leben. Zum Mikrobiom gehört das Darm-Mikrobiom. Durch die neuen Untersuchungs-Techniken weiß man heute, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes und mit Übergewicht weniger Arten im Darm haben. Zudem fehlen dort vor allem die Lebewesen, die wichtig für unsere Gesundheit sind. Dabei handelt es sich um diejenigen, die kurzkettige Fettsäuren produzieren, wie Propionat- und Butyrat-produzierende Arten. Diese Endprodukte der Bakterien sind unter anderem wichtig für Entzündungs-Reaktionen.

In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass dicke Mäuse, die Kot von dünnen Mäusen erhielten, schlank wurden und umgekehrt. In der Praxis haben sich solche Stuhl-Transplantationen noch nicht bewährt. Allerdings kann man seine Darmbewohner "anfüttern" und zum Bleiben überreden. Dies funktioniert, indem man ausreichend Ballaststoffe isst. Im Speiseplan sollten daher viele Vollkorn-Produkte, Hülsenfrüchte und viel Gemüse stehen.

Des Weiteren ist heute bekannt, dass bei einer geringen Artenvielfalt und beim Fehlen der guten Arten eher Depressionen auftreten können – was wiederum zu einer Vermehrung des Bauchfetts führen kann. Auch hier steckt ein Teufelskreis dahinter: Je schlechter es mir geht, umso mehr Hunger habe ich auf die "falschen" Lebensmittel mit viel Zucker und Fett.

Abnehmen von Kopf über Herz und Bauch

Wenn man sich vorgenommen hat, abzunehmen, entsteht dieser Gedanke zuerst im Kopf. Wenn er dort verbleibt, kann eine Gewichtsabnahme nur mit viel Disziplin erreicht werden. Sobald die ersten Hürden, wie Stress, auftauchen, gerät dies sofort in den Hintergrund und eine erneute Gewichtszunahme ist wahrscheinlich. Der Wunsch nach einer Gewichtsabnahme muss also aus dem Herzen kommen. Um dies zu erreichen, hilft die Methode der SMART-Ziele: S wie spezifisch, M wie messbar, A wie attraktiv oder Antrieb, R wie realistisch und T wie Termin. Wichtig dabei ist aber vor allem das "A" – dies spiegelt die Emotion wider. Eine Zahl auf der Waage ist meist nur eine Zahl und hat dabei keinen emotionalen Mehrwert. Wieder in die Lieblingshose zu passen oder sich ohne Mühe wieder selbst Socken anziehen zu können, bringen schon eher Emotionen hervor. Es lohnt sich, für sich selbst ein individuelles SMART-Ziel zu finden. Dann den Weg zu gehen mit gesünderer Ernährung und mehr Bewegung, geht (fast) von allein. Wenn obendrein noch die Darm-Mitbewohner mit ausreichend Ballaststoffen gefüttert und Stress durch mehr Achtsamkeit reduziert werden, sind Bauch, Kopf und Herz im Einklang.

Fazit

Abnehmen ist auch Kopfsache, aber weniger im Sinne der Disziplin, sondern eher im Sinne von: Kopf, Bauch und Herz müssen im Einklang zueinander sein. Dies gilt nicht nur im emotionalen Sinn, sondern auch hinsichtlich des richtigen Zusammenspiels zwischen unseren Mitbewohnern und unserem Lebensstil.


Schwerpunkt

Autor:

Dr. Astrid Tombek
Dipl. oec. troph. und Diabetesberaterin DDG
Diabetes-Klinik Bad Mergentheim
Theodor-Klotzbücher-Straße 12, 97980 Bad Mergentheim

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