Änderungsantrag gut überlegen!

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Änderungsantrag gut überlegen!

Kommen Beeinträchtigungen hinzu, kann man seinen bisherigen Grad der Behinderung (GdB) neu prüfen lassen. Aber Vorsicht: Auch eine Herabstufung ist möglich!

Änderungsantrag ist mit Risiken verbunden

Wer aufgrund körperlicher oder geistiger Einbußen dauerhaft beeinträchtigt ist, der kann amtlich feststellen lassen, dass eine Behinderung vorliegt. Hierzu wird das Ausmaß der Beeinträchtigung vom Versorgungsamt als Grad der Behinderung (GdB) per Bescheid festgestellt – auf einer Skala zwischen 0 und 100. Ab einem GdB 50 gilt man als schwerbehindert und kann einen Schwerbehindertenausweis erhalten.

Öfter verschlimmert sich der Zustand jedoch im Laufe der Zeit, es kommen Beeinträchtigungen hinzu. Es besteht dann die Möglichkeit, im Wege eines Änderungsantrags (auch Verschlimmerungsantrag) eine Erhöhung des GdB feststellen zu lassen. Viele Betroffene wissen nicht, dass dies auch mit einem Risiko verbunden ist:

Achtung bei Neubewertung: Herabstufung möglich!

Denn unter Umständen kann die Behörde zu einer Neubewertung der Gesamtsituation kommen und sogar eine Herabstufung vornehmen. Dies betrifft vor allem Diabetiker, die aufgrund einer früheren Rechtslage einen Schwerbehindertenausweis erhalten haben.

Jedoch haben sich die Voraussetzungen hierfür geändert; es ist seither deutlich schwieriger, dass allein aufgrund des Diabetes die Schwerbehinderteneigenschaft festgestellt wird:

  • Wer Tabletten (orale Antidiabetika) einnimmt, bei dem wird keine Schwerbehinderung mehr festgestellt – zumindest solange nicht andere, erhebliche Komplikationen vorliegen.
  • Auch bei Patienten mit konventioneller Insulintherapie (CT) darf allenfalls ein GdB zwischen 30 und 40 festgestellt werden.

Um zu einer Schwerbehinderung zu kommen, ist also eine intensivierte Insulintherapie (ICT) oder eine Pumpe (CSII) erforderlich. Dies allein reicht aber nicht: Zusätzlich hat man nachzuweisen, dass mit der Krankheit erhebliche Einschnitte verbunden sind, die sich gravierend auf die Lebensführung auswirken.

Allein ein hoher Therapieaufwand (Messen, Spritzen, Nahrungszubereitung) spielt hierfür keine Rolle, es müssen erhebliche zusätzliche Beeinträchtigungen vorliegen. Wir haben hierüber im Diabetes-Journal mehrfach berichtet.

Gesamtbewertung unter Berücksichtigung der kompletten Situation

Wird aufgrund einer Verschlimmerung bzw. hinzugekommener Beschwerden ein Erhöhungsantrag gestellt, dann muss die Behörde grundsätzlich nachprüfen, ob die Voraussetzungen hierfür überhaupt vorliegen. Jede angegebene Gesundheitsstörung wird dazu gesondert bewertet, die Behörde stellt hierfür einen Einzel-GdB fest; diese einzelnen GdB werden dann allerdings nicht zusammengezählt, sondern es wird unter Berücksichtigung der kompletten Situation eine Gesamtbewertung vorgenommen.

Beispiel:

Für den Diabetes wurde in der Vergangenheit eine Schwerbehinderung (GdB 50) zuerkannt. Aufgrund zwischenzeitlich hinzugekommenen Bluthochdrucks und Schwerhörigkeit auf einem Ohr hat der Patient nun einen Erhöhungsantrag gestellt.

Die Behörde hat diese jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet – aber ist im Ergebnis dennoch bei dem bisherigen GdB von 50 geblieben. Die Begründung: Die hinzugekommenen Beeinträchtigungen sind nicht so erheblich, dass sie eine Erhöhung des Gesamt-GdB rechtfertigen würden.

Kein Bestandsschutz für bestehenden GdB

Es gibt keinen Bestandsschutz für einen einmal festgestellten Grad der Behinderung. Denn die Behörde macht ja niemanden zum Behinderten, sondern stellt nur fest, dass (und wie ausgeprägt) jemand behindert ist. Wenn die Voraussetzungen für einen GdB nicht (mehr) vorliegen, dann muss die Behörde eine Herabstufung vornehmen und den bisherigen Bescheid aufheben.

Daran ändert auch nichts, wenn ein Bescheid oder der Schwerbehindertenausweis unbefristet gültig sind. Aus diesem Grund ist man auch verpflichtet, zwischenzeitliche Verbesserungen des Zustands unaufgefordert mitzuteilen; auch führen die Behörden mitunter Nachprüfungsverfahren von Amts wegen durch.

Wer also aufgrund seines Diabetes einen Schwerbehindertenausweis erhalten hat, der muss damit rechnen, dass im Rahmen seines Erhöhungsantrags geprüft wird, ob die Voraussetzungen überhaupt noch vorliegen. Im obigen Beispiel könnte dies dazu führen, dass der bisherige GdB für den Diabetes von 50 auf 40 – oder gar 30 – herabgestuft wird und nur noch ein Gesamt-GdB von 40 bleibt.

Was bringt eine Erhöhung?

Man sollte also genau abwägen, ob man das Risiko eines Erhöhungsantrages eingehen will. Wer bereits einen Schwerbehindertenausweis hat und zum Beispiel eine Erhöhung auf einen GdB 60 oder 70 anstrebt, dem bringt das faktisch nur einen etwas höheren Steuerfreibetrag (Abb. 1).

Bei einem GdB 50 kann man einen Betrag von 570 € geltend machen, bei einem GdB 70 gibt es einen etwas höheren Freibetrag in Höhe von 890 €. Dies bedeutet, dass das zu versteuernde Einkommen vom Finanzamt um den Betrag reduziert wird und man dann nur noch aus dem verbleibenden Betrag seine Steuern bezahlen muss. Da es sich aber um relativ geringe Beträge handelt, würde der Unterschied zwischen GdB 50 und GdB 70 selbst bei Spitzenverdienern nur eine Steuerersparnis von 150 € bringen.

Wer nur geringes Einkommen hat und somit auch wenig Steuern zahlt, dem bringt die Steuerersparnis so gut wie nichts. Und wer gar keine Steuern zahlt, der hat überhaupt nichts von diesem Steuerfreibetrag. Denn es handelt sich bei einem solchen Pauschbetrag nämlich nicht um einen Auszahlungsanspruch, wie manchmal irrtümlich behauptet wird.

Achtung: vorzeitige Rente in Gefahr!

Haben Sie einen Schwerbehindertenausweis und steuern auf vorzeitige Altersrente wegen Schwerbehinderung zu? Dann rate ich dringend von einem Erhöhungsantrag ab; der Ärger wäre groß, wenn es zu einer Herabstufung käme und Ihnen dadurch der Zugang zur vorgezogenen Altersrente versperrt würde.

Anders sieht es aus, wenn bislang schon zu wenig festgestellt wurde, vor allem wenn noch kein Schwerbehindertenausweis zuerkannt ist. Liegen zusätzliche Beeinträchtigungen oder eine Verschlechterung der Gesamtsituation vor, dann ist ein Änderungsantrag sinnvoll. Schlimmstenfalls bleibt es beim bisherigen Zustand – man hat insoweit ja auch nichts verloren.

Fazit

Sie sollten genau überlegen, ob die gewünschte Erhöhung des GdB überhaupt etwas bringt und das damit verbundene Risiko einer Herabstufung rechtfertigt. Sie sollten keinen Erhöhungsantrag stellen, nur um einen höheren GdB auf dem Bescheid/Ausweis stehen zu haben.

Tipp:
Zu diesem Thema www.diabetes-und-recht.de können Sie eine kostenlose Broschüre mit Checklisten herunterladen, die bei der Begründung helfen.

von RA Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte

Kontakt:
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart sowie Friedrichstraße 49, 72336 Balingen
E-Mail: Sekretariat@rek.de
, Internet: www.diabetes-und-recht.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (8) Seite 60-61

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