Blutdruck hoch? Früh behandeln!

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Blutdruck hoch? Früh behandeln!

Einen zu hohen Blutdruck haben viele. Das tut zunächst nicht weh, birgt aber Risiken, z. B. für das Herz-Kreislauf-System. Deshalb ist es ein wichtiges Ziel, den Blutdruck gut einzustellen – mit Medikamenten und anderen Maßnahmen.

Der Fall


Marianne M. ist 72 Jahre alt und hat seit 15 Jahren Typ-2-Diabetes. Sie ist leicht übergewichtig (84 kg bei 170 cm) und nimmt seit 3 Jahren wegen eines leicht erhöhten Blutdrucks zusätzlich zu den blutzuckersenkenden Tabletten auch eine „Blutdrucktablette“. Den Blutdruck misst sie allerdings nur selten – meist dann, wenn sie beim Arzt ist.

An diesem Freitagmorgen regt sie sich extrem auf, als ein Autofahrer die Mülltonne vor ihrem Haus – die zum Leeren bereitstand – einfach umfuhr und sich dann davonmachte. Sie spürte eine extreme Enge in der Brust und konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Der von der Nachbarin gerufene Notarzt stellte einen Blutdruck von 220/110 mmHg fest und spritzte ihr ein Medikament – ein Herzinfarkt konnte glücklicherweise in der Klinik ausgeschlossen werden.

Nach der seit 2018 geltenden Leitlinie der europäischen Gesellschaft für Bluthochdruck (European Society of Hypertension, ESH) wird trotz normalen Blutdrucks von 120 – 129/80 mmHg eine Therapie empfohlen, wenn gleichzeitig ein hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder eine andere mit Risiko behaftete Begleiterkrankung wie Diabetes vorliegt.

Nach offiziellen Statistiken hat bereits jeder dritte Deutsche einen erhöhten Blutdruck – zunehmend mit dem Alter. Damit steigen auch die Risiken für Herzinfarkt, chronische Nierenerkrankungen, Schlaganfall sowie Durchblutungsstörungen der Beine (periphere arterielle Verschlusskrankheit, pAVK).

Im Alter kann die Hauptschlagader versteifen

Bei Menschen über 50 Jahren ist die isolierte systolische Hypertonie am häufigsten. Bei ihr ist nur der „obere“ Blutdruckwert erhöht (Werte über 140 mmHg bei einem normalen diastolischen Blutdruckwert unter 90 ­mmHg). Ursache für diese Art der Hypertonie ist die zunehmende Steifigkeit der Hauptschlagader (Aorta) im Alter. Auch diese Form, die gerade bei älteren Menschen häufiger auftritt, bedarf einer optimalen Einstellung, kann aber nu r dann behandelt werden, wenn sie rechtzeitig entdeckt wird.

Andererseits zeigt eine Studie der Universität Bern, dass ein systolischer Blutdruck unter 130 mmHg eher die Gefahr mit sich bringt, dass ältere Menschen geistige Leistungseinbußen erleiden. Bei „gebrechlichen“ Menschen war der Zusammenhang zwischen niedrigem systolischem Blutdruck und stärkerem geistigem Abbau am größten. Niedriger ist also nicht immer besser – dies zeigten auch schon frühere Studien.In den europäischen und den US-amerikanischen Leitlinien hat man das berücksichtigt und für verschiedene Patientengruppen unterschiedliche Zielwerte empfohlen.

Wichtig bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes

Typ-1-Diabetiker haben zum Zeitpunkt der Diagnose meist einen normalen Blutdruck. Ein Bluthochdruck entwickelt sich oft erst im Rahmen einer Nephropathie (Nierenschaden) bei unbefriedigenden Blutzuckerwerten bzw. Glukoseverläufen.

Welchen Blutdruck sollten die meisten Menschen mit Diabetes anstreben?


  • systolisch: 120 – 130 mmHg
  • diastolisch: 70 – 80 mmHg

Menschen mit Typ-2-Diabetes haben in mehr als 70 Prozent der Fälle zum Zeitpunkt der Diagnose bereits einen Bluthochdruck. Dieser entwickelt sich oft im Rahmen des Metabolischen Syndroms (Stoffwechselsyndrom), bei dem gleichzeitig Übergewicht und Fettstoffwechselstörung bestehen. Es entsteht normalerweise bereits in den Jahren oder Jahrzehnten vor Diabetesdiagnose. Insgesamt findet man bei Patienten mit Diabetes doppelt so häufig einen Bluthochdruck wie in der Gesamtbevölkerung.

Verlauf des Bluthochdrucks bei Menschen mit Diabetes

Etwa 50 Prozent der Menschen mit Typ-2-Diabetes entwickeln einen Bluthochdruck – meist eine isolierte systolische Hypertonie und oft parallel zu einer weiteren Begleiterkrankung des Diabetes, der diabetischen Nephropathie. In einer internationalen Studie aus dem Jahr 2016) hatten 91 Prozent der 9.340 teilnehmenden Diabetiker auch Bluthochdruck, und bei 49 Prozent lag trotz Therapie der Blutdruck nicht unter 140/85 mmHg. Nur 26 Prozent erreichten gemäß der europäischen Leitlinie den Zielblutdruck von unter 130/80 mmHg.

Therapie des Bluthochdrucks

Neben Allgemeinmaßnahmen wie Gewichtsreduktion, kalorienangepasster Ernährung, regelmäßigem Ausdauersport, Nichtrauchen und Vermeiden von Stress sollte die medikamentöse Therapie relativ früh einsetzen, um Veränderungen an Organen zu verhindern. Dazu können fünf Substanz­klassen kombiniert eingesetzt werden, ausgewählt aufgrund vorhandener Begleit- oder anderer Vorerkrankungen.

Das entscheidet der Arzt meist gemeinsam mit dem Betroffenen. Die Substanzklassen, die miteinander kombiniert werden sollen/können:

  1. ACE-Hemmer und AT1-Blocker (Achtung: Da diese beiden Substanzklassen in den gleichen Regulationsmechanismus eingreifen, sollte entweder ein ACE-Hemmer oder ein AT1-Blocker genommen werden!)
  2. Betablocker
  3. Calciumantagonisten
  4. Diuretika

Wegen der Anfangsbuchstaben der Wirkstoffe spricht man auch von ABCD-­Substanzen bzw. -Gruppen. Prinzipiell können alle blutdrucksenkenden Medikamente (Antihypertensiva) der fünf Hauptklassen miteinander kombiniert werden (außer, wie beschrieben, ACE-Hemmer und AT1-Rezeptorblocker). Sinnvolle und/oder erprobte Kombinationen können als Fix-Kombination die Sorgfalt bei der Einnahme erhöhen. Dabei befinden sich die unterschiedlichen Wirkstoffe zusammen in einer einzigen Tablette.

Wichtig: In der Regel werden ACE-Hemmer oder AT1-Rezeptorblocker mit anderen Medikamenten gegen Bluthochdruck kombiniert.

Zusammenwirken berücksichtigen

Da viele Menschen mit Bluthochdruck noch weitere Erkrankungen haben und deshalb oft zusätzlich andere Medikamente einnehmen müssen (z. B. Diabetesmedikamente, Medikamente gegen Asthma oder COPD, Fettstoffwechselstörungen), muss deren Zusammenwirken immer berücksichtigt werden (z. B. auch bei Niereninsuffizienz). Das Wechselwirkungsprofil, aber auch das Nebenwirkungsprofil muss oft ganz besonders und von Anfang an beachtet werden.

Anteil des Einflusses, den der Bluthochdruck auf das ­Entstehen bestimmter Herz-Gefäß-­Erkrankungen hat:

plötzlicher Herztod: ca. 50 Prozent
Angina pectoris: ca. 50 Prozent
akuter Herzinfarkt: ca. 50 Prozent
Niereninsuffizienz: ca. 50 Prozent
Herzinfarkt mit Komplikationen: ca. 70 Prozent
Aortenaneurysma: ca. 80 Prozent (!)
Schlaganfall: ca. 90 Prozent (!)

Wichtig zu wissen

Bluthochdruck ist bei Diabetes nach wie vor der wichtigste Risikofaktor für schwerwiegende Folgen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und auch für die Herzinsuffizienz (Herzschwäche), die seit den letzten Jahren immer mehr beachtet wird. Für viele gilt: Ein Blutdruck systolisch unter 130 ­mmHg, jedoch nicht niedriger als 120 mmHg, ist anzustreben – das ist evtl. nur langsam im Laufe einiger Wochen zu erreichen. Allgemeinmaßnahmen wie eine Gewichtsreduktion durch die Umstellung der Ernährung und z. B. weniger Alkohol und Rauchverzicht können manchmal „Wunder“ wirken.

Häufige Todesursachen, wenn der Bluthochdruck nicht behandelt wird:

Nierenversagen: ca. 10 Prozent
undefiniert: ca. 15 Prozent
Herzinfarkt: ca. 15 Prozent
Schlaganfall: ca. 20 Prozent
Herzinsuffizienz: ca. 40 Prozent

Autor:

Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist, Angiologe, Diabetologe und Sozialmediziner
Lehrbeauftragter der Universität Würzburg
Chefarzt Deegenbergklinik
Burgstraße 21, 97688 Bad Kissingen

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (5) Seite 34-36

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