Dem Risiko Fettleber vorbeugen

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© Petra Beerhalter – stock.adobe.com
Dem Risiko Fettleber vorbeugen

Die Leber ist bekannt als Organ, das durch Alkohol Schaden nehmen kann. Aber es gibt weitere Ursachen für eine Fettleber – aus der eine Leberfibrose, eine Leberzirrhose und Leberkrebs entstehen können. Vorbeugen ist deshalb gut.

Der Fall
Stefan H., 50 Jahre alt, 136 kg schwer, Typ-2-Diabetes, hatte in den letzten Wochen zunehmend Schmerzen in den Knien und der Lendenwirbelsäule. Er hatte keine Zeit, zum Arzt zu gehen, da er als Lkw-Fahrer sehr viel zu tun hatte. Er nahm mehrfach über Wochen ein Schmerzmittel bis zu dreimal täglich.Wenn er einige Tage frei hatte, kam er nur mit drei bis fünf Flaschen Bier und einigen Schnäpsen täglich zur Ruhe. Zeit für Bewegung blieb nicht.Bei einer Routine-Untersuchung bei seinem Hausarzt fielen plötzlich “extreme Leberwerte” auf – er wurde deshalb sogar zu Hause angerufen. Seine schon Jahre leicht erhöhten Leberwerte waren “explodiert” und sein Hausarzt machte sich ernste Sorgen, zumal er die “Feierabend-Gewohnheiten” seines Patienten nicht kannte – nur erahnte! Bisher wurde nur von einer “leichten Leberverfettung” gesprochen.Wegen zwischenzeitlich leichten Fiebers, verbunden mit Lymphknoten-Schwellungen am Hals und seinen Gelenkschmerzen, hatte man auch schon an ein Pfeiffersches Drüsenfieber gedacht – dies konnte aber ausgeschlossen werden.

Die Verfettung der Leber kann viele Ursachen haben. Bei zu üppigem und regelmäßigem Alkoholgenuss sammelt sich Fett in der Leber an. So kann es zunächst zu einer Entzündung der Leber und schließlich zu einer Fibrose kommen. Häufiger als Alkohol sind aber andere Faktoren für das Entstehen einer Fettleber verantwortlich – diese Form wird als nicht alkoholische Fettleber-Erkrankung bezeichnet oder auf Englisch non-alcoholic fatty liver disease (NAFLD).

Nicht alkoholische Fettleber

Besteht Übergewicht bzw. krankhaftes Übergewicht (Adipositas), findet man häufig auch eine Fettleber. Liegt außerdem ein Prä-Diabetes vor, also noch kein Diabetes, aber grenzwertig erhöhte Blutzuckerwerte, ist die Häufigkeit einer NAFLD deutlich erhöht: bei Übergewicht 46 Prozent, bei Adipositas 70 Prozent. Auch bei Menschen mit Normalgewicht findet man bei Vorliegen eines Prä-Diabetes bei 11 Prozent eine NAFLD gegenüber 3 Prozent ohne Prä-Diabetes.

Insgesamt hat die Häufigkeit der NAFLD in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Sie stellt einen wichtigen Risikofaktor für ernste Erkrankungen der Leber selbst dar, z. B. eine Leberfibrose, Leberzirrhose oder ein Krebs-Erkrankung der Leber. Beteiligt ist die NAFLD auch am Entstehen eines Typ-2-Diabetes – umgekehrt aber auch eine Komplikation des Diabetes sowie von Herz-Erkrankungen.

Nach aktuellen Schätzungen ist bereits ein Viertel der Welt-Bevölkerung an einer NAFLD erkrankt. Betroffen in Europa ist bereits jeder Dritte, in den USA sind es etwa 30 Prozent aller Jugendlichen. Hier ist vor allem der übermäßige Konsum von Softdrinks mit Fruchtzucker und von anderen rasch aufgenommenen Kohlenhydraten die Ursache. Da bis heute nicht klar ist, warum sich nicht aus jeder Fettleber eine Leberentzündung (nicht alkoholische Steatohepatitis, NASH), eine Leberfibrose, eine Leberzirrhose oder ein Leberzell-Krebs (hepatozelluläres Karzinom, englisch: hepatocellular carcinoma, HCC) entwickelt, ist es umso wichtiger, Marker zu identifizieren, die eine rechtzeitige Diagnose und eventuell Therapie erlauben. Denn sowohl die zirrhotischen als auch die fibrotischen Vorstufen können sich unter einer entsprechenden Therapie bis zu einem gewissen Grad zurückbilden.

Einer NAFLD vorbeugen

Dies funktioniert vorrangig durch ein Optimieren des Gewichts, durch eine Änderung des Lebensstils und ggf. durch eine Reduktion des Alkoholkonsums und weniger durch Medikamente. In einer Studie aus Kuba mit 293 NASH-Patienten konnte gezeigt werden, dass sich nach vermehrter körperlicher Aktivität und Umstellung der Ernährung mit Gewichtsabbau über ein Jahr die Leberfibrose zurückbildete. Im Zusammenhang mit dem Diabetes konnte aber darüber hinaus gezeigt werden, dass sich durch die Behandlung mit neueren Medikamenten wie dem DPP-4-Hemmer Sitagliptin, dem GLP-1-Rezeptor-Agonisten Liraglutid und SGLT-2-Hemmern (z. B. Empagliflozin) unabhängig von der Gewichtsreduktion eine Rückbildung der Fettleber erreichen ließ.

Leberentzündungen durch Viren wie Hepatitis B und C sind aktuell sehr gut behandelbar und sogar heilbar. Bezüglich der NAFLD gibt es keine medikamentöse Therapie, die die Ursache behandelt. Besser wäre deshalb, der Fettleber und ihren Folgen vorzubeugen durch Änderungen des Lebensstils – diese Maßnahmen sind entscheidend.

Fettleber und Diabetes

Bei zu üppiger Ernährung, vor allem mit viel Zucker, Fruchtzucker und gesättigten Fettsäuren, kommt es wegen der überschüssigen Energie zur Fett-Ansammlung in der Leber. Dort wird dadurch sogar noch die Neubildung von Fetten angestoßen. Die Fettleber verstärkt eine vorliegende Insulinresistenz, sodass Zucker als Energie-Lieferant nicht mehr ausreichend aufgenommen werden kann und es so zu erhöhten Blutzuckerwerten kommt. Die Überernährung kann zusätzlich eine Entzündung im Fettgewebe auslösen – eine weitere Verfettung der Leber ist oft die Folge.

Offenbar wird durch ein in der Leber gebildetes Protein, das Fetuin-A, sowohl die Fettleber beeinflusst als auch die Insulinresistenz. Das Protein stört auch die Insulinsignal-Übertragung, wodurch es zu einer vermehrten Zuckerproduktion in der Leber kommt – eine Verschlechterung des Diabetes ist oft die Folge. Nimmt die Verfettung wieder ab und damit die Konzentration des Fetuin-A, verbessert sich auch die Situation des Diabetes: Der Blutzucker sinkt durch Abnahme der Insulinresistenz.

Die Diagnose der Leberschäden

Oft werden im Blut zufällig erhöhte Konzentrationen der Transaminasen (bekannt als GOT/AST und GPT/ALT) gefunden und/oder eine erhöhte Gamma-GT. Das letzte der genannten Leber-Enzyme ist häufig nach Alkohol-Missbrauch, aber auch bei Erkrankungen im Bereich der Gallenblase erhöht. Da Leber-Erkrankungen oft ohne bzw. lange ohne Beschwerdenablaufen, ist bei entsprechender Krankengeschichte eine gezielte Untersuchung bestimmter Laborwerte angezeigt und sinnvoll. In diesem Zusammenhang können auch andere Ursachen einer Schädigung der Leber (z. B. Viren wie bei Hepatitis B und C) untersucht bzw. ausgeschlossen werden. Erhöhte Leberwerte (Transaminasen, Gamma-GT) deuten auf eine Leber-Erkrankung hin – umgekehrt bedeutet aber ein Normalbefund nicht, dass keine Leberschädigung vorliegt.

Die Diagnose einer Fettleber lässt sich meist durch eine einfache Ultraschall-Untersuchung relativ gut stellen. Besser und genauer ist die Untersuchung der Leber mit einem Fibro-Scan-Gerät. Hierbei wird mit einer speziellen Sonde auf der Leber untersucht, wie steif das Lebergewebe ist (transiente Elastographie). Dazu werden mechanische Impulse mit hochauflösendem Ultraschall auf die Leber gerichtet. Je stärker der Umbau der Leber durch Bindegewebe erfolgt ist, desto geringer reagiert sie durch Verformung. Angegeben wird dies durch eine Zahl mit der Einheit Kilo-Pascal (kPa). Bei einer gesunden Leber ergeben sich so 3 bis 4 kPa, bei einer Leberzirrhose über 12 kPa und bei einer fortgeschrittenen Leberzirrhose über 20 bis 70 kPa.

Diese Untersuchung verursacht keine Schmerzen und hat auch sonst keine Nebenwirkungen. Ein weiterer Vorteil dieser Methode: Auch ein im Ultraschall nicht so Erfahrener kann diese Untersuchung durchführen und auch der Verlauf kann dokumentiert werden. Störfaktoren bzw. Grenzen der Methode sind:

  • sehr starkes Übergewicht,
  • Bauchwasser (Aszites),
  • tiefer Stand der Lunge,
  • die Ursachen können nicht festgestellt werden,
  • das Ausmaß der Entzündung ist nicht abzuschätzen.

Die Computertomographie als Diagnose-Methode führt immer zu einer Strahlenbelastung. Besser sind die Magnet-Resonanz-Spektroskopie (MRS) und die Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) zur genauen Diagnose geeignet, ohne Strahlenbelastung.

Eine invasive Methode wie eine Biopsie, bei der Gewebe zum Untersuchen gewonnen wird, sollte nicht zur Diagnose einer Fettleber angewandt werden. Sie ist erst bei Verdacht auf eine Entzündung z. B. im Rahmen einer NASH gerechtfertigt.

Gibt es eine Therapie der Fettleber?

Die wichtigste Maßnahme bei einer Fettleber, die in Deutschland und auch im deutschsprachigen Raum in einer Leitlinie für die NAFLD empfohlen wird, sind Gewichtsverlust bei Adipositas und regelmäßige Bewegung. Damit sich auch bei der Gewebe-Untersuchung die Verfettung der Leber nachweislich reduziert, sind mindestens 10 Prozent Gewichtsverlust erforderlich.

Alkohol als Ursache der Fettleber
Eine Fettleber entsteht bei einem Alkoholkonsum von
  • mehr als 21 Standard-Getränken * pro Woche bei Männern und
  • mehr als 14 Standard-Getränken * pro Woche bei Frauen.

* in 1 Standard-Getränk sind 14 g Alkohol enthalten

Medikamente, die auch eine Leberschädigung verursachen können (Beispiele):
  • Amiodaron (bei Herz-Rhythmus-Störungen)
  • Diltiazem (bei Herz-Krankheiten)
  • Nifedipin (bei Herz-Krankheiten)
  • Glukokortikoide (z. B. Kortison)
  • Tamoxifen, Östrogene (synthetisch)
  • antiretrovirale Therapie (z. B. bei AIDS)
  • Chloroquin (z. B. bei Malaria)
Erkrankungen, die eine Fettleber verursachen können:
  • Hepatitis, z. B. durch Viren (Hepatitis A, B, C etc.)
  • Immun-Erkrankungen
  • toxische Ursachen, z. B. durch Medikamente
Seltene Ursachen einer Schädigung der Leber:
  • Morbus Wilson
  • Morbus Crohn, bei stark entzündlichem Verlauf
  • Sprue, Zöliakie
  • nach bestimmten Darm-Operationen (z. B. Entfernung von Bauchspeicheldrüse und Zwölffingerdarm)
  • ausgeprägte Unterernährung
  • Eisenspeicherkrankheit
Zusammenfassung
Man kann sagen, dass potenziell gefährliche Leber-Erkrankungen wie die NAFLD oder die NASH verhinderbar sind. Durch eine rechtzeitige Diagnose und Gegensteuern lassen sich fibrotische und zirrhotische Veränderungen der Leber unter einer rechtzeitigen Therapie so bis zu einem gewissen Grad zurückdrängen. Der Schlüssel dazu sind aber nicht Medikamente, sondern ist eine Gewichtsreduktion besonders durch vermehrte körperliche Aktivität und eine ausgewogene Ernährung. Nur durch die gleichzeitige konsequente Therapie der mit der NASH häufig auftretenden Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck und Störungen des Fettstoffwechsels kann ein Fortschreiten der Leber-Erkrankung evtl. verhindert werden, eventuell ergänzt durch Medikamente wie DPP-4-Hemmer, GLP-1-Rezeptor-Agonisten oder SGLT-2-Hemmer. Leber-Erkrankungen im Zusammenhang mit Übergewicht bzw. Adipositas und Diabetes spielen also aktuell eine immer größere Rolle und sollten aufgrund ihrer enormen Tragweite früher in das Bewusstsein aller Beteiligten gelangen, um Gegenmaßnahmen zu planen.

Autor:
© privat
Dr. Gerhard-W. Schmeisl

Internist/Angiologie/Diabetologie/Sozialmedizin
PrivAS Privatambulanz (Schulung)
E-Mail: dr.gerhardw@schmeisl.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (2) Seite 28-32

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