Diabetes Positivity

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Diabetes Positivity

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Zitternd und schwitzend sitze ich um 3:25 Uhr auf dem Küchenfußboden. Vor mir liegen die Relikte meiner Unterzuckerung: Traubenzuckerpapier, Gummibärchen und eine leere Capri-Sonne. Ich werfe einen verschwommenen Blick auf das Display meines Handys. Es hat gerade wieder gepiept. „Niedriger Wert (dringend)“ – 45 mg/dl (2,5 mmol/l) – jaja, ist mir auch bewusst. Danke.

Unwohlsein und Zittern während einer Unterzuckerung
Quelle: Unsplash

Auf wackeligen Beinen schleppe ich mich zurück ins Bett. Mein ganzer Körper zittert. Ich bin irgendwo zwischen hellwach, todmüde und unfassbar erschöpft. Weil ich so doll geschwitzt habe, ist mein Schlafanzug nass – schnell hole ich mir einen frischen Schlafanzug aus dem Schrank und kuschele mich unter die Decke – vielleicht sollte ich sogar duschen gehen? Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass mein Glucosewert inzwischen bei 78 mg/dl (4,3 mmol/l) liegt und steigt. Ich zittere immer noch. Also stehe ich auf, messe meinen Blutzucker zusätzlich mit dem Blutzuckermessgerät: 83 mg/dl (4,6 mmol/l). Die Unterzuckerung scheint abgewendet, ich könnte jetzt wieder schlafen gehen. Kann ich? Nein, denn ich zittere immer noch wie Espenlaub.

Was ist los, Körper? Es ist vorbei, alles wieder im sicheren Bereich. Du weißt selbst, dass wir morgen müde sind, wenn ich nicht bald wieder schlafe. Warum hörst du nicht auf zu schwitzen und zu zittern? Wir sind nicht mehr unterzuckert!

Und schon ist mir zum Weinen zumute und ich würde alles dafür geben, nur einmal zu erfahren, wie es ist, keinen Diabetes zu haben.

„Körper, was machst du da?“

In solchen Situationen fällt es mir leicht, mir und meinem Körper sofort Vorwürfe zu machen. Was macht er da? Warum funktioniert er nicht so, wie ich möchte? Warum hat er überhaupt seine eigene Bauchspeicheldrüse kaputt gemacht? Warum bin ich nicht in der Lage, nächtliche Unterzuckerungen zu verhindern?

Das sind Gedanken, die Menschen mit chronischen Erkrankungen sicher nicht fremd sind. Glücklich machen sie nicht. Sie erleichtern auch den Umgang mit diesem 24/7-Begleiter nicht – vielmehr habe ich hinterher ein schlechtes Gewissen, nicht achtsam mit meinen Gedanken und meinem Körper umgegangen zu sein.

Klar ist Diabetes superanstrengend. Ein Diabetes-Burnout ist etwas, was niemand so leicht bewältigt. Übrigens, laut Weltgesundheitsorganisation steht die Diagnose „Burnout“ stets im Zusammenhang mit einer Arbeitstätigkeit – das beweist: Diabetes ist ein Vollzeit-Job. Und was für einer!

Und was denkst du so den ganzen Tag?

Trotzdem: Auf die (innere!) Einstellung kommt es an.
In der Psychologie erklärt man viele unterbewusste Verhaltensmuster damit, dass die zugehörigen Gedanken immer wieder gedacht werden. So festigen sich die Wege im Gehirn und der Reiz, durch den eine Handlung unternommen wird, nimmt genau diese einfachen, häufigen Wege. Das Gehirn lernt auf diese Art und Weise bereits während unserer Kindheit. Sowohl positive als auch negative Reize werden so gefestigt.

Changing Mindset - Pullover-Druck
Quelle: Unsplash

Beispiel: Jeden Morgen sage ich mir, dass der ein toller Tag wird. Ich lächle mich im Spiegel an und sage mir, dass das, was passiert, gut wird. Nach und nach festigt sich dieser Gedanke und ich glaube ihn mir immer mehr. Meine Einstellung ist positiv und selbst, wenn mir etwas nicht so Tolles passiert, besitze ich mehr innere Stärke, um es zu bewältigen. Gehe ich aber davon aus, dass der Tag unfassbar schrecklich wird, meine Kollegen unausstehlich sind und der Kaffee ungenießbar ist – gut – vermutlich wird es auch so kommen. Man kennt es.

Und was hat das nun mit dem Diabetes-Management zu tun?

VIEL! 

Nach dem Frühstück schießt mein Zuckerwert in die Höhe. Schon wieder ein zu kurzer Spritz-Ess-Abstand, weil ich zu schnell geduscht habe. Mist – kann passieren, wird aber auch wieder hinuntergehen.

Ein abgeknickter Katheter kurz vor dem Meeting. Na toll – jetzt war der Kaffee schon alle und die Zeit zu kurz zum Neukochen. Du wirst dieses Meeting auch ohne Kaffee durchstehen!

Auf der Party – ein Gespräch darüber, dass ich Diabetikerin bin. „Ja, deine Oma hat keine Füße wegen Diabetes. Ja, blöd, ich passe schon auf meine Füße auf. Ich geh’ mir mal ein neues Bier holen.“ Anstatt mich noch auf dem Heimweg über diese unsensiblen Aussagen aufzuregen, werde ich nächstes Mal ehrlich sein, widersprechen und vielleicht bei dem ein oder anderen Aufklärung leisten.

Wer ist schuldig?

Vor (fast) jedem Gedanken, den wir bewusst denken, jeder bewussten Handlung haben wir die Wahl. Wie fühle ich mich in einer Situation, wie bewerte ich sie und was mache ich aus ihr?

Immer wieder erwische ich mich, dass ich mich über fehlenden Kaffee, dumme Kommentare und hohe Zuckerwerte zu viel aufrege. Schuldig: mein Diabetes.

Inhale, exhale - die Diabetes-Situation neu bewerten
Quelle: Pixabay

Schuld hin oder her: Ich versuche, sobald ich drohe, in diese Gedankenspirale abzurutschen, einfach durchzuatmen. Durchatmen und danach die Situation neu bewerten. Und schon ist der hohe Zuckerwert gar nicht mehr so schlimm, auf den dummen Kommentar finde ich eine gute Antwort und weniger Kaffee tut mir vielleicht eh ganz gut.

Denn: Wir können nicht ändern, dass wir Diabetes haben. Aber wir können durch unsere Einstellung (Achtung, Wortspiel :D) wesentlich mitbestimmen, ob es uns gut geht.

Wem jetzt gerade der Zuckerwert zu hoch ist oder der Kaffee fehlt: Hört hier mal rein! 😉


Ihr seid jetzt auf den Geschmack gekommen, schlechte Diabetes-Laune mit guter Musik entgegenzutreten? Sehr gut, dann lauscht doch gleich mal unserer Playlist: #BSLounge – Diabetes Sound Machine

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