Diabetes und Bluthochdruck: eine gefährliche Kombination

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Diabetes und Bluthochdruck: eine gefährliche Kombination

Weltweit wird darüber diskutiert, was unter Blut­hochdruck („Hyper­tonie“) zu verstehen ist. Es gibt Überlegungen, die Grenz­werte gerade für Diabetiker zu senken. In Deutschland ­leben 30 Mio. Menschen mit Bluthochdruck. Bei den über 50-Jährigen ist eine Erhöhung der „oberen Werte“ weit verbreitet.

In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass eine konsequente Blutdrucksenkung unter 130 mmHg systolisch (oberer Wert) für jene Dia­betiker von Vorteil ist, die Folgeerkrankungen haben wie Schäden am Gefäßsystem, eine Herzinsuffizienz, eine Nierenerkrankung oder eine stabile koronare Herzkrankheit. Andererseits heißt es: Vorsicht! Denn eine 2016 veröffentlichte Analyse zeigt, dass bei einer Blutdrucksenkung unter 130 mmHg die Sterblichkeit unter Diabetikern sogar erhöht war. Also sollten gerade bei Diabetikern eher Blutdruckwerte unter 140/90 mmHg gelten.

Der Bluthochdruck ist, wie Diabetes, hohe Cholesterinwerte, Übergewicht und Rauchen, einer der Hauptrisikofaktoren für Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und die „Schaufensterkrankheit“ (periphere arterielle Verschlusskrankheit, abgekürzt: pAVK); diese sind die häufigste Todesursache bei Männern wie Frauen. Bei Diabetikern sind sie für mehr als 80 Prozent aller Todesfälle verantwortlich.

Erst Messen macht Hochdruck sichtbar!

Die Früherkennung ist sehr wichtig – vor allem, da hoher Blutdruck nicht wehtut, nicht müde macht und das Leben nicht beeinträchtigt, aber gefährlich ist. Fast jeder zweite Erwachsene in Deutschland hat einen zu hohen Blutdruck, ohne es zu ahnen – also sollten die Menschen immer wieder messen! Laut Prof. Martin Middecke (München) ist die „maskierte“ Hypertonie, also der verborgene Bluthochdruck, einer der wesentlichen Risikofaktoren im Alter, denn sie tritt praktisch nur bei Stress auf – wenn in Ruhe gemessen wird, liegen meist Normalwerte vor.

Stadieneinteilung der Hypertonie

entsprechend der Deutschen Hochdruckliga (2013)

Klassifi­kation der Hypertonie systolisch diastolisch
unter 120 optimal und unter 80
120 – 129 normal (normoton) und/oder 80 – 84
130 – 139 hochnormal und/oder 85 – 89
140 – 159 milde Hypertonie (Schweregrad 1) und/oder 90 – 99
160 – 179 mittelschwere Hypertonie (Schweregrad 2) 100 – 109
über 179 schwere Hypertonie (Schweregrad 3) und/oder über 109
über 139 isolierte systolische Hypertonie und unter 90

Andererseits gibt es auch die isolierte systolische Hypertonie, bei der nur der obere Blutdruckwert erhöht ist: Werte über 140 mmHg bei normalem diastolischen Blutdruckwert unter 90 mmHg. Dies ist bedingt durch die zunehmende Steifigkeit der Aorta (Hauptschlagader) im Alter, wodurch der obere Blutdruck steigt. Auch diese Form, die gerade bei älteren Menschen häufiger auftritt, bedarf einer optimalen Einstellung – kann aber nur dann behandelt werden, wenn sie rechtzeitig entdeckt wird.

Daten bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes

In der Regel haben Typ-1-Diabetiker zum Zeitpunkt der Diagnose, unabhängig vom Diabetes, einen meist normalen Blutdruck, der erst höher wird im Rahmen einer Nephropathie (Nierenschaden).
Über 70 Prozent der Menschen mit Typ-2-Diabetes hingegen haben bei Diabetes-Diagnose bereits einen Bluthochdruck, der sich oft im Rahmen des Metabolischen Syndroms (Stoffwechselsyndrom) mit Übergewicht und Fettstoffwechselstörung in den letzten Jahren oder Jahrzehnten entwickelt hat. Insgesamt findet man bei Patienten mit Diabetes doppelt so häufig Blut­hochdruck wie in der Gesamtbevölkerung.

Laut Leitlinien wird das Herz-Kreislauf-Risiko bei Diabetikern am Blutdruck festgemacht und berücksichtig das Herz-Kreislauf-Gesamtrisiko, wobei bei Patienten mit niedrigem und hohem Risiko ein Blutdruck unter 140/90 mmHg anzustreben ist. Die Zielwerte liegen bei älteren Hypertonikern etwas höher, werden aber nicht nur vom Alter abhängig gemacht, sondern vom Gesamtzustand der Betroffenen. Zielwerte sollten erreicht werden, bei denen sich der Betroffene auch noch wohl fühlt – „je niedriger, desto besser“ ist das falsche Prinzip!

Blutdruck schon früh gut eingestell!

Es kommt relativ früh im Rahmen des Blut­hoch­drucks zu Umbauvorgängen vor allem an den Blutgefäßen, aber auch am Herzen mit der Zunahme von Bindegewebe; das beeinträchtigt die Funktion der Organe auf Dauer – und treibt die Entwicklung von Herzinfarkt und Schlaganfall voran. Die Gefäßveränderungen als Ausdruck des frühen Alterns entstehen häufig im Zusammenspiel von Bluthochdruck, Rauchen, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes. Durch eine effektive Blutdrucksenkung kann das Risiko für einen Schlaganfall um etwa 35 Prozent gesenkt werden.

Den Blutdruck richtig messen – aber wie?

Wenn wir den Blutdruck messen, werden in der Regel immer zwei Werte angegeben: der obere oder systolische Wert (z. B. 130 mmHg) und der untere oder diastolische Wert (z. B. 80 ­mmHg). Die Einheit „mmHg“ bedeutet Millimeter Quecksilbersäule und ist entstanden, weil an früheren Geräten anhand einer Quecksilbersäule der Wert abgelesen wurde.

Die Selbstmessung
  • Die Manschette sollte 2 – 3 cm oberhalb der Armbeuge eng angelegt werden (ohne Kleidung dazwischen!).
  • Der Druckschlauch verläuft an der Arm-Innenseite.
  • Der Unterarm liegt locker in Herzhöhe auf einer Unterlage.
  • Zumindest 1-mal sollte an beiden Armen gemessen werden.
  • Werte im Lauf eines Tages können ebenso zwischen rechts und links schwanken (um etwa 10 – 20 mmHg).
  • Bei der Messung sollte man sich nicht ablenken lassen oder mit anderen reden, da dadurch ebenfalls der Blutdruck steigen kann oder das Gerät gar nicht misst (Error-Warnung).
  • Der Blutdruck sollte anschließend mit Angabe der Uhrzeit dokumentiert werden.

Der systolische Blutdruck ist der Druck, der entsteht, wenn die linke Herzkammer sich zusammenzieht und das Blut bei Öffnung der Aortenklappe in die Hauptschlagader und in die großen Arterien dahinter pumpt. Der diastolische Blutdruck wird gemessen, wenn sich die Herzkammern entspannen und erneut mit Blut füllen.

Messung an beiden Armen – zumindest einmalig

Oft wird der Blutdruck in Arztpraxen (fehlende Zeit, falsche Logistik) nur an einem Arm gemessen, was zu Fehlinterpretationen führen kann – vor allem dann, wenn starke Blut­druck­unter­schiede zwischen rechts und links von z. B. mehr als 30 mmHg bestehen. An dem Arm, an dem der niedrigere Blutdruck gemessen wird, kann z. B. eine Engstelle der Schlüsselbeinarterie vorliegen, so dass hier ein niedrigerer Blutdruck über Jahre gemessen wird, obwohl am anderen Arm ein 30 mmHg höherer Blutdruck herrscht. Grundsätzlich bildet für die weitere medikamentöse Therapie der höhere Blutdruck die Grundlage.

Größe der Blutdruckmanschette

Wichtig: Die Blutdruckmanschette darf gerade bei starken Oberarmen nicht zu schmal und nicht zu kurz sein — das würde die Werte verfälschen:

Oberarm­umfang Manschette: Breite x Länge
unter 33 cm 12 – 13 x 24 cm
33 – 41 cm 15 x 30 cm
über 41 cm 18 x 36 cm

Der Blutdruck schwankt tageszeitlich, steigt an bei Stress oder Arbeit, unter körperlicher und psychischer Anstrengung und normalisiert sich normalerweise innerhalb der nächsten Minuten wieder. Das Blutdruckverhalten ist aber bei jedem Menschen anders und kann nur durch Messungen zu unterschiedlichen Zeiten im Lauf eines Tages bzw. auch der Nacht einschließlich Dokumentation erkannt werden.

Wichtig: Man sollte erst nach einer Ruhephase von 5 Minuten messen, die Blutdruckmanschette muss zum Armumfang passen (nicht zu schmal, nicht zu kurz bei starken Oberarmen). Dabei sollte der Arm leicht gebeugt in Herzhöhe auf der Unterlage liegen, denn der Blutdruck kann sich stark ändern, wenn der Arm gestreckt oder komplett auf 90 Grad gebeugt wird.

Achtung bei erneuter Messung am gleichen Arm!

Wiederholte Messungen am gleichen Arm unmittelbar hintereinander verfälschen die Werte: Durch den Druck auf die Blutgefäße durch die Manschette kommt es im Anschluss zu einer Erweiterung der Gefäße und damit bei der zweiten Messung zu einer völligen Verfälschung der Werte! Daher niemals am gleichen Arm direkt danach nochmals messen.

Die Blutdruckmessung am Handgelenk

Viele Menschen messen ihren Blutdruck am Handgelenk. Hier sind nur wenige Geräte offiziell zugelassen, weil viele nicht in der Lage sind, den Puls am Handgelenk optimal zu messen – das kann gerade bei Menschen mit Vorhofflimmern (unregelmäßig schnellem, aber auch langsamem Puls) zu völlig falschen Werten führen. Also sollten für die Messung am Arm wie am Handgelenk nur Messgeräte mit Prüfsiegel genutzt werden (z. B. von der Deutschen Hochdruckliga, bit.ly/2IKwCc4). Mittlerweile gibt es auch Handgelenks-Geräte, die eine richtige Blutdruckmessung auch bei Vorhofflimmern ermöglichen.

Zusammenfassung

Bluthochdruck tut in der Regel nicht weh; viele Menschen haben manchmal lediglich Kopfschmerzen oder vermehrtes Nasenbluten (vor allem im Zusammenspiel mit Medikamenten, die die Blutgerinnung hemmen). Manche haben auch Luftnot unter Belastung. Häufig denkt niemand an einen zu hohen Blutdruck! Herausbekommen kann man dies nur, indem man richtig misst.

Der Bluthochdruck in Kombination mit anderen Erkrankungen wie Diabetes ist nach wie vor der Hauptrisikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall und auch andere Gefäßerkrankungen. Deshalb sollte er unbedingt früh entdeckt und konsequent behandelt werden. Der Streit über die mögliche Höhe oder Tiefe der Werte sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass grundsätzlich eine Behandlung sehr effektiv ist und Folgekomplikationen so verhindert werden können.


Autor:

Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist, Angiologe, Diabetologe und Sozialmediziner
Lehrbeauftragter der Universität Würzburg
Chefarzt Deegenbergklinik
Burgstraße 21, 97688 Bad Kissingen

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (7) Seite 28-31

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