Diabetes und Job: Gekündigt – was tun?

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Diabetes und Job: Gekündigt – was tun?

Darf der Arbeitgeber wegen des Diabetes kündigen? Oder können Menschen mit Diabetes einen besonderen Kündigungs-Schutz in Anspruch nehmen? In diesem Beitrag haben wir einige Tipps zum Thema Diabetes und Arbeitsrecht zusammengestellt.

Öfters kann man lesen, dass man im Fall einer schweren Krankheit wie Diabetes automatisch einen besonderen Kündigungs-Schutz genießt. Das stimmt so nicht: Krankheit ist sogar ein häufiger Kündigungs-Grund. Trotzdem kann man sich oft erfolgreich wehren, denn häufig liegen die ­Voraussetzungen für eine Kündigung nicht vor.

Was tun bei Kündigung?

Sobald die Kündigung aber vorliegt, ist Eile geboten: Man kann sich hiergegen nur mit einer Kündigungs-Schutz-Klage wehren, die innerhalb von drei Wochen eingereicht werden muss. Tipp: Lassen Sie sich in einem solchen Fall schnellstmöglich von einem auf Arbeitsrecht spezialisierten Anwalt oder ggf. einer Gewerkschaft beraten, ob eine Kündigungs-Schutz-Klage Erfolg-versprechend ist.

Weiterer Tipp: Manchmal zeichnet sich bereits im Vorfeld ab, dass es bald zu einer Kündigung kommt. Es kann dann sinnvoll sein, umgehend einen Antrag auf Feststellung einer „Schwerbehinderung“ beim Versorgungsamt zu stellen. Haben Sie den Antrag mindestens drei Wochen vor Ausspruch der Kündigung gestellt und die Behörde erkennt die Schwerbehinderung an, profitieren Sie von einem erhöhten Kündigungs-Schutz.

Ein solcher Antrag kann selbst dann etwas bringen, wenn die Voraussetzungen für den Schwerbehinderten-Status, d. h. für einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50, nicht vorliegen. Bei insulinbehandelten Diabetikern wird die Behörde mindestens einen GdB von 30 feststellen. Damit kann man unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag eine Gleichstellung erreichen und genießt dann denselben Kündigungs-Schutz wie Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung.

Abfindung, Aufhebungs-Vertrag: Vorsicht

In vielen Fällen wird Arbeitnehmern angeboten, das Arbeits-Verhältnis nicht durch Kündigung, sondern einvernehmlich – durch Aufhebungs-Vertrag – zu beenden. Meist ist dies mit dem Angebot einer Einmal-Zahlung verbunden. Solche Aufhebungs-Verträge sollten Sie jedoch niemals unterzeichnen, ohne zuvor gründlich über das Angebot nachgedacht und fachkundigen Rat eingeholt zu haben. Auch wenn die angebotene Einmal-Zahlung recht hoch erscheint, relativiert sich dieser Betrag mitunter recht schnell.

Zum einen sollen hiermit regelmäßig alle noch bestehenden Ansprüche gegen den Arbeitgeber abgegolten werden, z. B. Lohn-Zahlungen oder der Ausgleich von Rest-Urlaub. Weiterhin ist zu bedenken, dass man durch die einvernehmliche Beendigung eine nachfolgende Arbeitslosigkeit quasi selbst verschuldet und dadurch regelmäßig mit einer dreimonatigen Sperre der Arbeitslosen-Unterstützung zu rechnen ist. Die Abfindungs-Summe muss auch versteuert werden, sodass am Ende oft recht wenig von der ursprünglichen Summe verbleibt.

Wann ist eine Kündigung zulässig?

Betriebe mit bis zu 10 Mitarbeitern unterliegen nicht dem Kündigungs-Schutz-Gesetz. Der Arbeitgeber kann jederzeit innerhalb der vertraglichen bzw. gesetzlichen Fristen kündigen, er muss die Kündigung nicht begründen. Das Arbeits-Verhältnis endet, ohne dass man eine Abfindung erhält. Dies gilt selbst im Fall von jahrzehntelang beschäftigten Mitarbeitern: Eine Kündigung ist ohne Angabe von Gründen zulässig, es gelten nur etwas längere Kündigungs-Fristen.

Ist im Arbeits-Vertrag keine längere Kündigungs-Frist vereinbart, gelten die gesetzlichen Regelungen gemäß § 622 BGB. Bei einer Betriebs-Zugehörigkeit von z. B. 25 Jahren beträgt die Kündigungs-Frist sieben Monate zum Ende eines Monats. Dies bedeutet: Wenn der Chef die Diabetes-Erkrankung als Problem sieht, kann dies in Kleinbetrieben tatsächlich zu einem (eigentlichen) Kündigungs-Grund werden – auch wenn der Arbeitgeber das in der Regel nicht zugeben wird.

Tipp: Wer schwerbehindert oder gleichgestellt ist, profitiert auch in Kleinbetrieben von einem erhöhten Kündigungs-Schutz.

Deutlich mehr Schutz genießen Beschäftigte in Betrieben, bei denen mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt sind. Dort greift der gesetzliche Kündigungs-Schutz, der Arbeitgeber braucht einen zulässigen Kündigungs-Grund.

Die möglichen Gründe werden unterteilt in

  • Verhaltens-bezogene Gründe,
  • Personen-bezogene Gründe,
  • Betriebs-bedingte Gründe

und bringen jeweils unterschiedliche Voraussetzungen mit sich.

Bei einer Verhaltens-bedingten Kündigung liegt ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers vor, welches dieser trotz wiederholter Aufforderung (Abmahnung) nicht abgestellt hat. Beispiele hierfür sind permanente Verspätungen oder Arbeits-Verweigerung. Eine Kündigung ist aber nur zulässig, wenn zuvor eine Abmahnung durch den Arbeitgeber erfolgt ist.

Eine Personen-bedingte Kündigung beruht auf Gründen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen. Der häufigste Fall hierfür ist die Langzeit-Erkrankung. Allerdings ist eine Kündigung wegen Krankheit an hohe Voraussetzungen geknüpft, insbesondere ist eine „negative Zukunfts-Pro­gnose“ erforderlich. Das bedeutet, dass aus Fehlzeiten in der Vergangenheit und dem Gesundheits-Zustand die Prognose abgeleitet werden können muss, dass auch in Zukunft mit erheblichen Fehlzeiten zu rechnen ist und dies mit einer erheblichen Störung des Betriebs-Ablaufs einhergehen wird.

Der Arbeitgeber muss auch nachweisen, dass der Versuch einer Wiedereingliederung erfolglos blieb bzw. andere betriebliche Maßnahmen nicht möglich oder ausreichend sind. Selbst dann müsste eine abschließende Interessenabwägung ergeben, dass die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen. Allein das Vorliegen einer Diabetes-Erkrankung reicht als Kündigungs-Grund daher nicht.

Schließlich kann auch aus Betriebs-bedingten Gründen gekündigt werden, z. B. dann, wenn Entlassungen erforderlich sind, um die (Fort-)Existenz des Betriebs sicherzustellen. Hierzu muss der Arbeitgeber nachweisen, dass er eine hinreichende Sozial-Auswahl getroffen hat, d. h. er bei Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer deren soziale Verpflichtungen (Kinder, Familie), körperliche Benachteiligungen (Schwerbehinderung) und Faktoren wie die Dauer der Betriebs-Zugehörigkeit hinreichend berücksichtigt hat. Kann der Arbeitgeber keinen dieser Gründe nachweisen, ist die Kündigung in der Regel unwirksam.

Tipp: Der besondere Kündigungs-Schutz für schwerbehinderte bzw. gleichgestellte Menschen gilt selbstverständlich auch hier. Der Arbeitgeber muss dann neben einem zulässigen Kündigungs-Grund die Zustimmung der Behörde nachweisen. Daher heißt es auch oft: „Schwerbehinderte gehen zuletzt.“


Autor:

Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte Stuttgart, Balingen
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (5) Seite 46-48

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