Diabetes und Krebs

4 Minuten

Diabetes und Krebs

Anlässlich des Weltkrebstags wurden auch dieses Jahr am 4. Februar neue Zahlen zur Häufigkeit von Krebs-Erkrankungen in Deutschland veröffentlicht. Insgesamt nimmt weltweit die Zahl der Menschen zu, die jährlich an Krebs erkranken.

Laut Zentrum für Krebsregisterdaten des Robert Koch-Instituts (RKI) erkranken jährlich etwa 500 000 Menschen in Deutschland an Krebs. Die häufigsten Krebsarten in Deutschland sind demnach Brust- und Prostatakrebs. Laut Statistischem Bundesamt ist die Zahl der Menschen, die jährlich an Krebs sterben, seit 2002 von 210 000 auf etwa 231 500 im Jahr 2022 gestiegen. Die Ursache dafür sei vor allem das höhere Durchschnittsalter der Bevölkerung.

Die häufigste Einzelursache für krebsbedingte Todesfälle war Lungenkrebs. Jeder fünfte Krebstod geht auf sein Konto. Danach folgen Darm-, Bauchspeicheldrüsen-, Brust- und Prostatakrebs.

Obwohl die absolute Zahl der Krebstoten leicht zugenommen hat, ist der prozentuale Anteil der Menschen, die an Krebs erkranken, im Verhältnis zu denen, die daran gestorben sind, laut Statistischem Bundesamt etwas zurückgegangen, von 25 Prozent im Jahr 2002 auf 22 Prozent im Jahr 2022. Das bedeutet, dass mehr Menschen eine Krebs-Erkrankung auch überlebten. Besonders stark zurückgegangen ist die Zahl der Krebs-Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden mussten. Zurückzuführen ist das auf bessere Prävention und bessere Behandlungsmöglichkeiten. Dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) zufolge bleibt Krebs nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache.

Der Fall

Der Faktor Lebensstil

Eine der Hauptursachen für das Entstehen von Krebs ist laut DKFZ ungesunder Lebensstil – eine Änderung könnte die Erkrankungsrate um etwa 40 Prozent reduzieren. Würden alle bekannten Risikofaktoren vermieden, alle Früherkennungs-Untersuchungen wahrgenommen und die notwendigen HPV (Humane Papillomviren)-Impfungen bei Jungen und Mädchen durchgeführt werden, sei sogar eine Reduktion der Erkrankungsrate um 55 bis 60 Prozent denkbar.

Laut DKFZ sei jede fünfte Krebs-Neuerkrankung auf das Rauchen zurückführen. Auch mangelnde Bewegung, übermäßiger Alkoholkonsum, Übergewicht, Infektionen oder übermäßige Sonnen-Einstrahlung erhöhen das Risiko für Krebs.

Diabetes- und Krebs-Risikofaktoren

Laut einer Veröffentlichung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) aus dem Mai 2022 nehmen neben den Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch Krebs-Erkrankungen als Folge von Übergewicht und Diabetes zu. Karzinome seien beim Typ-2-Diabetes mittlerweile sogar die Haupt-Todesursache. Der Grund sei auch hier vor allem ein ungesunder Lebensstil mit übermäßigem Konsum von Alkohol und Zigaretten, verbunden mit Übergewicht. Bewegungsmangel und Stoffwechselveränderungen gehören ebenso zu den gemeinsamen Risikofaktoren von Diabetes und Krebs. Präventions-Maßnahmen könnten auch hier helfen, die Erkrankungsrate drastisch zu senken.

Die Adipositas, das krankhafte Übergewicht, scheint eine Schlüsselrolle bei der Krebs-Entstehung zu spielen: "Je höher der Body-Mass-Index und je entgleister die Stoffwechsellage sind, desto stärker steigt das persönliche Krebsrisiko", erklärt Prof. Dr. Hans Scherübl, Chefarzt am Vivantes Klinikum in Berlin und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft "Diabetes und Krebs" der DDG.

Zahlen und Fakten (Deutschland)

Erhöhtes Darmkrebs-Risiko

Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg hat das Risiko von Menschen mit Diabetes für Darm-Erkrankungen mit Daten von über 13 Millionen Menschen untersucht. Fazit: Das Darmkrebs-Risiko von Menschen mit Diabetes ist vergleichbar mit dem von Menschen, deren Familien-Mitglieder vermehrt Darmkrebs hatten.Das gelte besonders für Menschen mit Typ-2-Diabetes. Sie haben ein erhöhtes Risiko, schon vor dem 50. Lebensjahr an Darmkrebs zu erkranken, und sollten unbedingt an ein frühes Darmkrebs-Screening denken.

Im Zusammenhang mit Darm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs bei Menschen mit Diabetes haben Forschende auch das Risiko einer Kachexie, den massiven Abbau von Fettgewebe und Skelett-Muskulatur, adressiert. Diese lässt die Überlebens-Wahrscheinlichkeit drastisch sinken und muss unbedingt verhindert werden.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Insulin-Therapie und Krebs-Entstehung?

Daten weisen darauf hin, dass die Krebs-Häufigkeit auch bei Menschen mit Typ-1-Diabetes höher ist als in der Allgemeinbevölkerung, insbesondere für Magen-, Leber- und Bauchspeicheldrüsen-, Gebärmutter- und Nierenkrebs. Insulin bzw. die Höhe der Insulin-Dosis scheint die Krebs-Häufigkeit bei Menschen mit Typ-1-Diabetes zu beeinflussen. Wie eine von Dr. Yuanjie Mao durchgeführte und in der Zeitschrift JAMA Oncology erschienene Studie zeigte, steigern eine höhere Insulin-Dosis sowie Insulin-Resistenz die Krebs-Häufigkeit.

Daraus könnte man Folgendes schlussfolgern: Für Menschen mit Typ-1-Diabetes und einer hohen Insulindosis, z. B. aufgrund von gleichzeitigem Übergewicht und Bewegungsmangel, ist es sinnvoller, zunächst die Insulin-Resistenz zu beheben und gleichzeitig die verwendete tägliche Insulin-Menge zu reduzieren, anstatt diese stetig zu erhöhen. Eine verbesserte Insulin-Sensitivität könnte helfen, das Risiko für Krebs zu reduzieren bzw. zu minimieren,insbesondere wenn noch andere Risikofaktoren vorliegen. Auch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes spielt Insulin-Resistenz eine Rolle sowie insbesondere Adipositas und chronische Entzündungsprozesse.

Adipositas, Typ-2-Diabetes und das Krebs-Risiko beeinflussen einander

Ein höheres Risiko für Krebs ergibt sich für die meisten Menschen mit Diabetes, wenn eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Adipositas vorliegt. Übergewicht bzw. Adipositas erhöhen das Risiko für bestimmte Krebsarten wie Leberzell-Krebs um das bis zu Vierfache. Das Krebs-Risiko steigt bereits in der Phase des Metabolischen Syndroms, das dem Typ-2-Diabetes oft schon Jahre vorausgeht.

Aufgrund der Insulin-Resistenz versucht der Körper, den Quasi-Insulin-Mangel durch eine vermehrte Produktion des Hormons auszugleichen. Insulin ist ein Wachstumshormon. Es kann also das Wachstum von Körperzellen fördern. Forschungs-Ergebnisse des Helmholtz Diabetes Center in München zeigen, dass durch eine entgleiste Zellteilung auch genetisch defekte Zellen schneller wachsen und sich damit Tumoren bilden können.

Der Risiko-Faktor Bauchfett: chronische Entzündungsprozesse

Ein weiterer Grund für das erhöhte Krebs-Risiko bei Adipositas könnten chronische Entzündungsprozesse sein. Stark gefüllte bzw. stark vergrößerte Fettzellen im Bauchfett schütten dabei kontinuierlich Entzündungs-Substanzen aus. Damit locken sie auch Entzündungs-Zellen an: Makrophagen, auch Fresszellen genannt, sind dabei eine bestimmte Art von weißen Blutkörperchen. Sie sind eigentlich für die Bekämpfung von Infektionen zuständig. In chronisch entzündlicher Umgebung kann es aber sein, dass Makrophagennicht heilend wirken, sondern, im Gegenteil, dass sie Entzündungen fördern und das Krebswachstum begünstigen.

Verstärkt werden kann diese Entzündungs-Reaktion dabei durch die immer schlechter werdende Durchblutung aufgrund der immer größer werdenden Fettzellen. Die mögliche Folge: Gesunde Zellen werden zu Krebszellen oder das Krebs-Wachstum wird angeregt.

Beispiele für vom Bauchfett abgegebene Substanzen:

Einige der Substanzen, die vom Bauchfett abgegeben werden, wie das Angiotensin, spielen zudem eine große Rolle bei der Entstehung des Bluthochdrucksbei Adipositas. ACE-Hemmer helfen zwar oft, eine Gewichtsreduktion ist langfristig jedoch sinnvoller. Von Bauchfett werden auch Substanzen abgegeben, welche die Thrombose-Entstehung bei Übergewicht fördern.

Bestimmte Gewebs-Hormone, zum Beispiel Leptin, können ebenfalls das Krebs-Wachstum fördern. Leptin kann den Stoffwechsel von Brustkrebs-Zellen verändern und dadurch die Bösartigkeit des Krebses steigern, ebenso auch die Rate der Metastasierung. Auch Östrogene, die von Fettzellen vermehrt produziert werden, haben einen ähnlich negativen Effekt bei Frauen mit Östrogen-sensitiven Tumoren.

Zusammenfassung

Autor:

Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist/Angiologie/Diabetologie/Sozialmedizin
PrivAS Privatambulanz (Schulung)

Ähnliche Beiträge

Lea Raak im Interview: Durch Community zurück ins Leben

Lea Raak lebt seit dem Jahr 2011 mit einem Typ-1-Diabetes. Viele Fragen taten sich nach der Diagnose auf – und eine gewisse Verzweiflung. Die Community hat ihr zurück ins Leben geholfen: „Ich tue mein Bestes und alles andere kommt, wie es kommt.“

11 Minuten

#dedoc° voices meet DDG: die Patienten-Perspektive beim Diabetes Kongress

Im zweiten Teil der Berichte der #dedoc° voices vom diesjährigen Diabetes Kongress kommen weitere Menschen mit Diabetes zu Wort, die im Mai die Fachtagung in Berlin besucht haben, um ihre Perspektive einzubringen.

9 Minuten

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert