Die Liebe und der Diabetes

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Die Liebe und der Diabetes

Sätze wie „Ach, das ist ja schon irgendwie romantisch und gleichzeitig so praktisch“ oder „Das ist ja total cool!“ hören wir öfter, wenn wir anderen davon erzählen, dass wir beide Diabetiker sind. Ja, irgendwie stimmt das schon. Wir sind ein eingespieltes Team und können uns anders unterstützen als „Außenstehende“. Dennoch gibt es da auch ein großes ABER. Ich kann euch sagen: Manchmal ist es EINFACH. NUR. ÄTZEND!

Die Nächte

Viele von euch kennen es sicher: Es gibt Nächte, da ist einfach der Wurm drin. Es ist kein Spaß, schweißgebadet und mit Herzrasen aufzuwachen, weil man während des Schlafens unterzuckert ist.

Jetzt werdet ihr denken: Mensch, in solchen Situationen ist es doch klasse, einen Diabetiker zum Mann zu haben – der weiß auf jeden Fall Bescheid, was zu tun ist. Stimmt. Wenn man allerdings Tage erwischt, in denen wir abwechselnd oder auch gerne mal gleichzeitig unterzuckern, kann das tatsächlich ein Problemchen werden. Da steht man dann auch mal völlig genervt auf und wirft dem anderen noch patzig vor, mal wieder den Blutzucker vor dem Schlafengehen nicht vorausschauend genug behandelt zu haben. So eine Unterzuckerung zerrt schließlich immer an den Nerven – auf beiden Seiten.

Im Nachhinein bereuen wir solche Aussagen natürlich – wissen wir doch selbst ganz genau, wie schlecht man sich inmitten einer Hypoglykämie fühlt. Als würden solche dämlichen, vorwurfsvollen Worte nachts um halb 3 überhaupt irgendetwas bringen.

Aber nun ja… Wer mal unterzuckert war, wird auch wissen, wie schlauchend das sein kann. Und wer drei Nächte hintereinander aus dem Bett kraxelt, um sich selbst oder dem/der Liebsten was zu essen zu holen, kann sich dann auch sicher vorstellen, dass man mal aus der Haut fährt. Zwei hypogebeutelte Diabetiker auf einem Haufen, die sich dann gegenseitig mit Essen vollstopfen, sind also definitiv mit Vorsicht zu genießen.

Apropros Essen…

Es gibt so Lebensmittel, die sind einfach blutzuckertechnisch eine Qual. Na klar, die logische Konsequenz wäre es, auf diese Lebensmittel zu verzichten. Wie viele andere wohl auch tun wir das allerdings wider besseren Wissens eher selten. Jeder hat da so seine eigenen feindlichen Nahrungsmittel. Bei Janis ist es alles aus Weizen (Brötchen, Toast, Kuchen), bei mir sind es Pizza und Pasta, die sich einfach nie so wirklich kalkuliert verhalten. Kleine Sticheleien unter Partnern kennen sicher viele aus der eigenen Beziehung.

Wenn es allerdings um Blutzuckerwerte geht, können wir auch schon mal grantig zueinander werden. Wenn der Blutzucker stundenlang penetrant hoch bleibt, nachdem man eines der kritischen Lebensmittel gegessen hat, und der andere gleichzeitig eine perfekte 100er-Linie vorzeigt – ich kann euch sagen, liebe Leute: Dann wird’s persönlich! So ein hoher Wert senkt ohnehin schnell mal die Wut-Schwelle. Vor allem ich werde dann auch mal grundlos zickig – wird mir doch das eigene Unvermögen so deutlich vor Augen geführt.

Unvermögen…Da war doch was.

In letzter Zeit häufen sich bei uns Situationen, die für uns schwer erklärbar sind. Letztens waren wir gemeinsam mit meinem Bruder und Schwägerin einkaufen. Janis wurde immer nervöser und zickiger und fuhr mich mit einem Mal ohne Grund an. Ich wusste überhaupt nicht, was los war, bis er feststellte, dass sein Blutzucker rapide fiel. Ich lotste ihn zum Bäcker, bei dem er verständnislos auf die Auslage starrte und mich erneut anfauchte, er bräuchte nichts zu essen. Plötzlich verlor er den Halt im Stehen, strauchelte mehrmals und hatte ein völlig blankes Gesicht. Eine halbe Stunde und zig BEs Traubenzucker sowie ein Brötchen später wusste er von nichts mehr. Und ich hätte mir am liebsten selbst in den Allerwertesten gebissen, dass ich nicht sofort erkannt hatte, was los war.

In solchen Situationen überkommt uns oft eine Welle der Sorge umeinander. Man fühlt sich schlecht, weil man sieht, wie der andere leidet, und kann doch nichts anderes tun, als irgendwie da zu sein. Manchmal sind Gedanken an die Zukunft mit einem faden Beigeschmack behaftet oder gar düster und bitter. Schließlich wissen wir nie, was auf uns zukommt.

Besuche beim Augenarzt oder Diabetologen lassen solche Gefühle dann hin und wieder besonders stark aufwallen. Natürlich bedeutet ein Partner ohne Diabetes nicht, dass man vor Sorge um den anderen gefeit ist. Doch selbst betroffen zu sein, zu wissen, was für Folgeschäden im eigenen Leben auftreten könnten, und dann immer wieder mit dem Gedanken konfrontiert zu werden „Das könnte auch ihm passieren!“ ist manchmal wirklich schwer zu ertragen. In solchen Momenten klammern wir uns aneinander, sprechen uns Mut zu und versuchen, mit neuer Kraft durchzustarten. Doch manchmal ist einfach alles ein bisschen zu viel.

Der Diabetes bedeutet für uns oft eine Zusatzbelastung, die andere kaum wahrnehmen (können). Zum Glück steht über all diesen Sorgen, Ängsten und Problemen die Liebe und wir versuchen, aus jedem Tag das Beste zu machen und uns auch von Rückschlägen nicht unterkriegen zu lassen.

In diesem Sinne: Bleibt stark, liebe Mamas, Papas, Ehemänner und -frauen – wir wissen, wie es euch geht, und ihr seid nicht allein mit euren Gedanken.


 

Vielleicht habt ihr schon einmal von den beiden gelesen – doch so positiv, wie sie ihren gemeinsamen Alltag meistens sehen, läuft es nicht immer.

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