Ein Gutachten für die Führerscheinbehörde

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Ein Gutachten für die Führerscheinbehörde

Autofahren ist auch mit Diabetes in der Regel kein Problem, sofern man Unterzuckerungen rechtzeitig bemerkt. Dennoch kann es passieren, dass Betroffene Post von der Führerscheinbehörde bekommen und aufgefordert werden, ein Gutachten über ihre Fahreignung vorzulegen.

Die Fahrerlaubnisverordnung (FeV; Anlage 4 Nr. 5) sieht ausdrücklich vor, dass Menschen mit Diabetes in der Regel geeignet sind, am Straßenverkehr teilzunehmen. Natürlich muss aber sichergestellt sein, dass Unterzuckerungen rechtzeitig wahrgenommen werden und der Fahrer verantwortlich mit seinem Diabetes umgeht.

Nicht selten: Nachbar macht Meldung

Hat die Straßenverkehrsbehörde von einer Diabeteserkrankung erfahren, so muss sie prüfen, ob und inwiefern der Betroffene noch in der Lage ist, zu fahren. Dies kann zum Beispiel passieren, wenn es zu einem Unfall kommt; nicht selten machen auch böswillige Nachbarn oder Arbeits”kollegen” eine entsprechende Meldung bei der Führerscheinbehörde.

Nach § 11 FeV kann dann eine ärztliche Begutachtung angeordnet werden: Man muss auf eigene Kosten ein ärztliches Gutachten beibringen und so nachweisen, dass man (weiterhin) fahrtauglich ist. Die Behörde kann dabei bestimmen, ob das Gutachten von einem verkehrsmedizinisch erfahrenen Facharzt (für Innere Medizin, Diabetologe), von einem Amtsarzt oder von einem Betriebsmediziner erstellt werden soll. Ein Attest vom Hausarzt reicht nicht aus.

Kann man sich weigern?

Die Aufforderung zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens können Sie juristisch nicht angreifen. Es handelt sich nämlich dabei nicht um einen behördlichen Verwaltungsakt, der mit Rechtsmitteln angefochten werden könnte: Vielmehr handelt es sich um eine Mitwirkungsobliegenheit, die die Entscheidung der Verwaltung über Ihre Fahrerlaubnis vorbereitet. Auch wenn Sie also der Auffassung sind, dass die Behörde kein (weiteres) ärztliches Gutachten von Ihnen verlangen darf – unternehmen können Sie gegen eine solche Anordnung nichts.

Die Behörde kann andererseits eine solche Untersuchung nicht erzwingen. Wenn allerdings das geforderte Gutachten nicht vorgelegt wird, darf die Behörde davon ausgehen, dass die Eignung zum Führen des Kfz nicht (mehr) vorliegt und wird die Fahrerlaubnis entziehen bzw. deren Erteilung verweigern (§ 11 Nr. 8 FeV).

Streit mit der Behörde bringt nichts

Es bringt also nichts, mit der Behörde zu streiten oder mit dem Anwalt zu drohen. Auch ist es nicht schlau, das geforderte Gutachten zu verweigern: Die Behörde wird dann die Fahrerlaubnis entziehen. Man kann dann zwar Rechtsmittel einlegen, aber bis die Gerichte entschieden haben, können Jahre vergehen – und solange bleibt man ohne Führerschein.

Tipp: Gleich um Verlängerung bitten

Wenn also die Aufforderung zu einem Gutachten kommt, dann sollte man in den sauren Apfel beißen und dies akzeptieren. Wichtig ist nur, dass man dann keine Fehler macht: Zunächst sollten Sie der Behörde umgehend signalisieren, dass Sie ein Gutachten bringen werden – bitten Sie aber dann gleich um eine Verlängerung der Frist. Dies wird in der Regel unproblematisch gewährt.

Suchen Sie nun einen geeigneten Gutachter in Ihrer Nähe. Beachten Sie dabei, dass dieser über die von der Behörde geforderte Qualifikation verfügen muss – z. B. “Facharzt für Innere Medizin mit verkehrsmedizinischer Zusatzqualifikation”.

Gutachter kann selbst gewählt werden

Tipp: Häufig fügen die Behörden eine Liste mit Gutachtern bei. Sie sind aber nicht verpflichtet, einen der dort genannten Ärzte aufzusuchen, die oftmals mit dem Thema Diabetes gar nicht sehr vertraut sind.

Auf der Website der Deutschen Diabetes Gesellschaft können Sie nach diabetologisch kompetenten Ärzten in Ihrer Nähe suchen, die die geforderte verkehrsmedizinische Qualifikation haben.

Wichtig: Kosten vorher besprechen!

Nun sollten Sie mit dem Gutachter einen zeitnahen Termin vereinbaren. Wichtig ist dabei, dass Sie vorab die Kosten besprechen, um böse Überraschungen zu vermeiden. Mir sind Fälle bekannt, in denen Ärzte weit über 1.000 € für eine solche Untersuchung verlangt haben.

Zum Untersuchungstermin sollten Sie sich gut vorbereiten und Ihr Messgerät sowie umfassende Tagebuchaufzeichnungen (oder Computerausdrucke) mitbringen; der Gutachter muss sehen, dass Sie verantwortungsvoll mit Ihrem Diabetes umgehen.

Wichtig: Sagen Sie dem Arzt unbedingt, dass er das Gutachten direkt an Sie als Auftraggeber schicken soll und nicht an die Behörde. Stimmen Sie insoweit auch keiner Entbindung der Schweigepflicht gegenüber der Führerscheinbehörde zu. Denn liegt der Behörde ein “schlechtes” Gutachten einmal vor, dann kommt man hiervon oft nur sehr mühsam wieder weg. Selbst wenn man später noch ein zweites, positives Gutachten vorlegt: Wenn die Behörde dem ersten Arzt glaubt, dann hat man Pech und muss womöglich lange vor Gericht streiten.


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Feilschen im Gespräch!

Im Laufe der Untersuchung sollten Sie mit dem Gutachter auch die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen besprechen; mitunter lässt sich im Gespräch auch etwas “feilschen”: Denn wenn hierzu nichts im Gutachten steht, dann wird die Behörde möglicherweise nach eigenem Ermessen Nachuntersuchungen anordnen – es wäre dann sehr ärgerlich, wenn womöglich jedes halbe Jahr eine neue Untersuchung angefordert würde.

Sobald Sie das Gutachten erhalten haben, sollten Sie dieses umfassend prüfen und ggf. mit Ihrem Diabetologen besprechen. Bei Unklarheiten kann es sich lohnen, die Einschätzung eines Anwalts einzuholen.

Zur Not: zweiten Gutachter einschalten

Ist das Gutachten positiv ausgefallen? Dann können Sie es an die Behörde weiterleiten. Aber auch wenn der Gutachter zum Schluss kommt, dass Sie nicht mehr fahren dürfen bzw. er erhebliche Bedenken hat, müssen Sie die Hoffnung nicht verlieren: Es ist nämlich gar nicht selten, dass der eine Arzt es etwas lockerer sieht, während der andere als “scharfer Hund” strenge Maßstäbe anlegt; aufgrund der (hoffentlich) eingeholten Fristverlängerung haben Sie nämlich noch Zeit, einen anderen Gutachter zu suchen. Dieser findet vielleicht doch noch eine Lösung, wie Sie weiterhin fahren dürfen.

Auf Basis des Gutachtens entscheidet die Behörde, ob Auflagen erteilt werden müssen oder ob die Fahrerlaubnis womöglich zu entziehen ist. Hierüber ergeht ein Bescheid, gegen den man Rechtsmittel einlegen kann – ansonsten passiert nichts weiter, und die Sache hat sich für Sie erledigt.

Wenn Willkür vermutet wird: Anwalt!

Erscheint das Vorgehen der Behörde willkürlich, z. B. wenn ohne Verkehrsverstöße in halbjährlichen Abständen Gutachten angefordert werden, dann sollten Sie zunächst im Gespräch versuchen, auf die Behörde einzuwirken. Hilft das nicht, sollten Sie das geforderte Gutachten bringen und Ihre Fahrtauglichkeit nachweisen. Wenn die Bedenken der Behörde (wieder) ausgeräumt sind, können Sie mit Hilfe eines Anwalts nachträglich klären lassen, ob das Vorgehen der Behörde wirklich rechtmäßig war.

Gesetzestext (Auszug) § 11 Fahrerlaubnisverordnung (FeV)

(1) Bewerber um eine Fahrerlaubnis müssen die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Die Anforderungen sind insbesondere nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 vorliegt, wodurch die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird. […]

(2) Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen, kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Bewerber anordnen. Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung bestehen insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 hinweisen.

Die Behörde bestimmt in der Anordnung auch, ob das Gutachten erstellt werden soll von einem

  1. für die Fragestellung (Absatz 6 Satz 1) zuständigen Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation,
  2. Arzt des Gesundheitsamtes oder einem anderen Arzt der öffentlichen Verwaltung,
  3. Arzt mit der Gebietsbezeichnung “Arbeitsmedizin” oder der Zusatzbezeichnung “Betriebsmedizin”,
  4. Arzt mit der Gebietsbezeichnung “Facharzt für Rechtsmedizin” oder
  5. Arzt in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung, der die Anforderungen nach Anlage 14 erfüllt,

Die Behörde kann auch mehrere solcher Anordnungen treffen. Der Facharzt nach Satz 3 Nummer 1 soll nicht zugleich der den Betroffenen behandelnde Arzt sein.

(6) Die Fahrerlaubnisbehörde legt […] fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Die Behörde teilt dem Betroffenen […] mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat; sie teilt ihm außerdem mit, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann. Der Betroffene hat die Fahrerlaubnisbehörde darüber zu unterrichten, welche Stelle er mit der Untersuchung beauftragt hat. Die Fahrerlaubnisbehörde teilt der untersuchenden Stelle mit, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind und übersendet ihr die vollständigen Unterlagen, soweit sie unter Beachtung der gesetzlichen Verwertungsverbote verwendet werden dürfen. Die Untersuchung erfolgt auf Grund eines Auftrags durch den Betroffenen.[…]

(8) Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Der Betroffene ist hierauf bei der Anordnung nach Absatz 6 hinzuweisen.Mir sind Fälle bekannt, in denen Ärzte weit über 1 000 € für eine solche Untersuchung verlangt haben.


Autor:
© Oliver Ebert
Autor: RA Oliver Ebert, Stuttgart/Balingen

Kontakt:
REK Rechtsanwälte
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart oder
Friedrichstraße 49, 72336 Balingen
E-Mail: Sekretariat@rek.de

Internet: www.diabetes-und-recht.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (5) Seite 61-63

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