Erektionsstörung: Alarm fürs Herz!

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Erektionsstörung: Alarm fürs Herz!

Im Bett nicht so zu können, wie Mann will, ist für viele Diabetiker ein sehr belastendes Problem. Nun zeigt sich, dass die erektile Dysfunktion (ED) auch das Risiko für Herzerkrankungen erhöht. Warum ist das so? Und wie sollten Männer mit Diabetes und ED reagieren?

Die Erektionsstörung ist bei Männern mit Diabetes ein Marker für eine Durchblutungsstörung der Herzkranzarterien (koronare Herzkrankheit, KHK). Das mutet zunächst seltsam an, aber aktuelle Daten aus einer Grazer Studie zeigen, dass die koronare Herzkrankheit häufig mit einer Erektionsstörung einhergeht: 65 Prozent der 184 KHK-Männer der Studie hatten Erektionsstörungen.

Alarm für ihr Herz

Haben Männer also Erektionsstörungen, so bedeutet dies: Alarm für ihr Herz. Seit längerem ist bekannt, dass Durchblutungsstörungen der Beine (pAVK) ebenfalls ein Hinweis darauf sind, dass die Durchblutung der Herzkranzgefäße beeinträchtigt sein kann.

Nicht allen Ärzten ist aber klar, dass das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen (Herzinfarkt, Schlaganfall, Durchblutungsstörungen der Beine) bei Diabetikern sehr hoch ist. Das zeigt eine Umfrage von Prof. Diethelm Tschöpe (Bad Oeynhausen): Nur 26 Prozent der befragten Ärzte schätzten das Risiko für Patienten mit Diabetes richtig ein und nannten ein bis zu 75-prozentiges Risiko.

Erektile Dysfunktion erhöht das Infarktrisiko

Die Basis aller Durchblutungsstörungen ist eine Schädigung der Gefäßinnenwand, des Endothels – das ist auch bei der erektilen Dysfunktion (ED) so. Das Risiko für eine ED steigt langsam ab etwa dem 50. Lebensjahr – bei Männern über 70 Jahre liegt das Risiko bei 67 Prozent.

Diabetes, Bluthochdruck und Rauchen sind schon lange als besondere Risikofaktoren für Erektionsstörungen bekannt – 30 bis 90 Prozent der Diabetiker, aber auch 17 bis 55 Prozent aller Patienten mit Bluthochdruck und 55 Prozent der Raucher haben Erektionsstörungen. Unter den Patienten, die nicht rauchen, haben nur etwa 20 Prozent eine ED!

Umgekehrt signalisiert die erektile Dysfunktion aber auch die Gefahr, an einer KHK zu erkranken: Das Risiko, in den fünf Jahren nach ED-Diagnose am Herzinfarkt zu sterben, ist etwa doppelt so hoch wie bei einem Mann ohne ED (Daten von Prof. Kurt J. G. Schmailzl, Neuruppin).

Auch das Sterberisiko ist erhöht

Und in einer wichtigen Studie mit Herz-Risikopatienten (ONTARGET/TRANSCEND) zeigte sich, dass das Sterberisiko bei Männern mit ED doppelt so hoch war wie bei Männern ohne ED. Ebenso hoch war das Risiko der ED-Männer, an einem Gefäßschaden zu sterben – speziell an einem Herzinfarkt. Je ausgeprägter die Erektionsstörung ist, desto höher ist auch das Risiko!

Eine Erklärung dafür könnte die “Artery Size”-Hypothese liefern: Danach führt die Schädigung der Arterieninnenwand in den kleinen Blutgefäßen des Penis sowie des Schwellkörpers eventuell eher zu Symptomen (Erektionsstörung), als dies bei Schädigung größerer Gefäße wie der Herzkranzgefäße, der Beinarterien etc. der Fall ist.

Potenz-Pille kann gefährlich sein

Einem Diabetiker mit ED einfach eine Pille zu geben, ohne nach weiteren Risiken zu fahnden, ist eher gefährlich und kann sogar fahrlässig sein! Stattdessen sollte das Herz bei einem Spezialisten (Kardiologen) eingehend untersucht werden.

Sinnvoll sind

  • Echokardiographie,
  • Belastungstest,
  • Fahndung nach weiteren Risikofaktoren (z. B. peripherer arterieller Verschlusskrankheit [pAVK, Schaufensterkrankheit], Fettstoffwechselstörung, Testosteronmangel, Bluthochdruck etc., psychischen Problemen).

Die Kooperation von Hausarzt bzw. Diabetologen, Urologen und Kardiologen (bzw. auch dem Angiologen, dem Gefäßspezialisten) sollte hier selbstverständlich sein. Und je ausgeprägter die Erektionsstörung ist, desto schneller sollte eine entsprechende Diagnostik und Therapie erfolgen – denn das Risiko ist auch deutlich höher! Hat ein Diabetiker mit erektiler Dysfunktion bereits einen Herzinfarkt hinter sich, so sollte er ebenfalls kardiologisch betreut werden.

Sex nach dem Herzinfarkt

Sex schadet in der Regel dem Herzen nicht – nur bei etwa zwei Prozent der Infarktpatienten war Sex der Auslöser. Die körperliche Belastung beim Sex entspricht etwa der Leistung von 75 bis 100 Watt auf dem Fahrradergometer oder dem Steigen von etwa 20 Treppenstufen in ca. 10 Sekunden – dabei geht der Puls meist nicht höher als 120 Schläge pro Minute.

Wenn Sie also zu Fuß zum Bäcker oder Arzt laufen und vielleicht auch noch ohne Probleme Treppen steigen können, gibt es auch beim Sex mit dem eigenen Partner kein erhöhtes Risiko. Vorsicht: Beim Fremdgehen steigt dagegen das Risiko!

Potenzmittel einsetzen?

Männer mit koronarer Herzkrankheit oder Männer, die bereits einen Infarkt hatten, sollten mit ihrem Arzt sprechen, bevor sie “Potenzmittel” einsetzen: Diese Phosphodiesterase-5–Hemmer bewirken eine Weitstellung der glatten Muskulatur und erhöhen so den Blutfluss in den Penisvenen – dadurch kommt die Erektion zustande. Die Weitstellung der glatten Muskulatur auch anderer Gefäße kann aber dazu führen, dass der Blutdruck abfällt oder es bei sehr niedrigem Ausgangsblutdruck zu ernsten Kreislaufproblemen kommt.

Diese Medikamente dürfen deshalb auch nicht mit bestimmten anderen Herzmedikamenten (Nitropräparaten, z. B. Isoket, Molsidomin, Nitro-Spray etc.) zusammen eingenommen werden, weil dann der Blutdruck abfällt.

Fazit

Sex ist natürlich trotz KHK und Diabetes weiter möglich und sinnvoll. Bestehen Sexualstörungen in Form einer Erektionsstörung, sollte jedoch unbedingt das Herz genau untersucht werden, um insbesondere Durchblutungsstörungen des Herzens rechtzeitig zu entdecken und zu behandeln.

Auch Hormonstörungen (z. B. Testosteronmangel) sollten ausgeschlossen werden (Urologe). Da nicht selten auch Medikamente (z. B. Betablocker, Neuroleptika, bestimmte Entwässerungsmittel, Antidepressiva) und Alkohol eine Erektionsstörung verursachen bzw. verstärken können, müssen die verschiedenen Fachärzte (Hausarzt, Diabetologe, Urologe, Kardiologe etc.) sich unbedingt austauschen.

Scheuen Sie sich also nicht, genau nachzufragen – beugen Sie aber auch selbst vor: Hören Sie auf zu rauchen, treiben Sie regelmäßig Sport und trinken Sie Alkohol nur noch in kleinen Mengen!


Autor:
Dr. Gerhard-W. Schmeisl, Bad Kissingen

Kontakt:
Internist/Angiologe/Diabetologe, Chefarzt Deegenbergklinik, Burgstraße 21, 97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71 / 8 21-0
sowie Chefarzt Diabetologie Klinik Saale (DRV-Bund), Pfaffstraße 10, 97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71 /8 5-01

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2012; 61 (3) Seite 34-37

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