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Plötzlicher Gewichtsverlust, Durchfall, Blässe, Abgeschlagenheit oder fetthaltiger Stuhlgang – das sind typische Symptome, die auf eine unbehandelte Glutenunverträglichkeit (Zöliakie, Sprue) hinweisen. Mit einer speziellen Ernährungstherapie verschwinden die Beschwerden, und es lässt sich gut mit der Unverträglichkeit leben.
Seit Wochen fühlte sich Margret Moser müde und schlapp. “Frühjahrsmüdigkeit”, dachte sie zunächst. Doch auch ausreichend Schlaf und ein vermeintlich erholsamer Nordsee-Urlaub brachten der 52-jährigen Typ-1-Diabetikerin keine Besserung. Ihr Diabetologe konnte sich ihre Symptome auch nicht erklären, denn Blutzucker, Blutdruck und das Körpergewicht waren so weit in Ordnung. Margret Moser verlor sogar noch etwas Gewicht, ohne es zu wollen.
Mit den schwindenden Kilos fühlte sie sich allmählich hundeelend. Beim Termin mit ihrer Diabetesberaterin in der Schwerpunktpraxis sprach sie noch einmal über ihre andauernden Beschwerden. Die Beraterin schlug ihr vor, eine Woche lang aufzuschreiben, wann die Beschwerden zunahmen und was sie gegessen hatte.
Gesagt, getan: Margret Moser dokumentierte fleißig alles, was vom Frühstück bis zum Betthupferl in ihren Mund wanderte. Mittlerweile plagten sie auch starke Blähungen, besonders nach dem Frühstück. Und das, obwohl sie nichts einnahm oder aß, was typischerweise Blähungen hätte auslösen können. Egal, ob Brötchen, Vollkornbrot oder Müsli – der Bauch rumorte und blähte sich extrem auf. Ähnliches erlebte sie beim Kaffeekränzchen – dauernd musste sie zur Toilette.
Die Aufzeichnungen brachte sie der Diabetesberaterin zum nächsten Termin mit und schilderte ihre Erfahrungen. Der Verdacht einer Glutenunverträglichkeit lag nahe, und Margret Moser wurde empfohlen, einen Gastroenterologen aufzusuchen – dort war frühestens in drei Wochen ein Termin frei. Solange wollte Margret Moser nicht warten: Sie tippte das Wort Glutenunverträglichkeit in die Internetsuche.
Eine wahre Informationsflut brach über sie herein. Sie erfuhr, dass Gluten der Oberbegriff für eine Gruppe bestimmter Getreideeiweiße ist, die bei einigen Menschen Unverträglichkeitsreaktionen auslösen. Tritt diese Krankheit bei Kindern auf, wird sie Zöliakie genannt, bei Erwachsenen Sprue.
Betroffene haben eine chronisch entzündete Dünndarmschleimhaut, deshalb werden Nähr- und Wirkstoffe nur eingeschränkt aufgenommen. Zu den Beschwerden gehören genau die, mit denen Margret Moser schon so lange kämpfte.
Die Ursache ist eine Glutenunverträglichkeit, die durch körpereigene Immunzellen, die T-Zellen, vermittelt wird. Substanzen im Gluten führen, aus bisher nicht genau bekannter Ursache, zu einem verstärkten Wachstum der Dünndarmschleimhaut mit Verlust der Dünndarmzotten.
Laut Angaben der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft (DZG) weisen neuere Reihenuntersuchungen darauf hin, dass die Krankheitshäufigkeit bei etwa 1 zu 200 liegt. Bei etwa 10 bis 20 Prozent der Betroffenen ist die Erkrankung voll ausgeprägt; 80 bis 90 Prozent aber haben untypische oder keine Symptome und wissen gar nicht, dass sie erkrankt sind. Besonders häufig tritt die Unverträglichkeit bei Kindern zwischen dem ersten und achten Lebensjahr und bei Erwachsenen zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr auf.
Etwa 5 bis 7 Prozent aller Typ-1-Diabetiker, aber nur etwa 0,5 Prozent der Typ-2-Diabetiker, haben eine Zöliakie. Die Diagnose wird in der Regel mittels einer Dünndarmbiopsie und einer Blutuntersuchung gestellt. Wird die Glutenunverträglichkeit mit einer speziellen Ernährungstherapie behandelt, verschwindet sie zwar nicht, aber Betroffene können ein weitgehend normales Leben führen.
Es geht also ums Essen, dachte sich Margret Moser. Nur: Was sollte sie ändern?
Zöliakie/Sprue gehört zu den chronischen Erkrankungen und ist zwar therapier-, aber nicht heilbar. Betroffene können beschwerdefrei leben und haben dieselbe Lebenserwartung wie gesunde Menschen, wenn sie auf alle Produkte verzichten, die Gluten enthalten. Bereits kleinste Mengen Gluten können zu massiven Beschwerden im Magen-Darm-Trakt führen.
Zu den glutenhaltigen Getreidesorten gehören: Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Grünkern, Dinkel, Triticale, Wildreis und B-Weizenstärke, außerdem natürlich Produkte, die diese Getreidesorten enthalten, z. B. Nudeln, Mehl, Grieß, Schrot, Grütze, Graupen, Flocken, Keime, Kleie, Müsli, Fertiggerichte. Wer eine Zöliakie hat, sollte deshalb lebenslang auf glutenfreie Getreide und Lebensmittel umsteigen.
Für Margret Moser war jetzt klar, warum ihr Brot, Müsli, Kuchen und Co so schlecht bekamen. In den Wochen bis zur Untersuchung achtete sie darauf, mehr Reis und Kartoffeln und weniger Nudeln zu essen; auf Müsli und Kuchen verzichtete sie. Und statt Brot aus Roggenvollkorn kaufte sie Dinkelbrot.
Die Untersuchung beim Gastroenterologen bestätigte den Verdacht der Diabetesberaterin: Sprue. Zunächst war Margret Moser schockiert, denn ein wenig hatte sie noch gehofft, es wäre nur ein harmloser Darminfekt. Immerhin wusste sie jetzt, dass sie die Beschwerden mit einer speziellen Lebensmittelauswahl in den Griff bekommen konnte. Eine Ernährungsberaterin half Margret Moser bei der Umstellung.
Die Ernährungsberaterin nannte ihr viele Alternativen zu glutenhaltigen Getreidesorten: Reis, Mais, Hirse, Buchweizen, Amaranth, Quinoa, A-Weizenstärke. Daraus werden spezielle glutenfreie Lebensmittel hergestellt, u. a. Flocken, Grieß, Graupen, Mehl, Kleie, Nudeln. Außerdem gibt es viele glutenfreie Fertigprodukte; die Palette reicht von Brot über Kuchen und Nudeln bis hin zu Knäckebrot, Zwieback und Oster- oder Weihnachtsspezialitäten.
Teilweise kann Margret Moser diese Erzeugnisse in Supermärkten kaufen, außerdem in Reformhäusern, Drogeriemärkten, Naturkostläden oder im Direktversand, erklärte ihr die Ernährungsberaterin. Zu erkennen sind sie an der Aufschrift “glutenfrei” oder an der durchgestrichenen Ähre. Dinkelbackwaren tragen dieses Zeichen allerdings nicht, denn auch der Weizenverwandte Dinkel enthält Gluten.
Und die Diabetestherapie? Die verändert sich durch die Glutenunverträglichkeit nicht, hat Margret Moser mittlerweile erfahren: Alle kohlenhydrathaltigen, glutenfreien Lebensmittel müssen angerechnet, die Insulinmenge angepasst werden. Auch hier lässt sich genau einschätzen, wie viele Kohlenhydrate enthalten sind.
Margret Moser muss allerdings beachten, dass viele glutenfreie kohlenhydrathaltige Spezialprodukte mit Stärke hergestellt werden und einen hohen glykämischen Index haben – und das kann den Blutzucker schnell ansteigen lassen. Deshalb empfiehlt es sich, die Spezialprodukte mit Eiweiß, Fett, frischem Obst, Gemüse, Salaten, Samen, Nüssen oder glutenfreien Kleien (z. B. aus Soja oder Mais) zu kombinieren; so können Blutzuckerspitzen vermieden werden.
Mittlerweile ist über ein Jahr vergangen, und Margret Moser hat sich an die Auswahl glutenfreier Lebensmittel gewöhnt. Meist kocht sie frisch und backt selbst. Nächste Woche hat sie Geburtstag – und ist endlich beschwerdefrei. Zum Kaffee gibt es natürlich das glutenfreie Geburtstagsherz aus unseren Rezepten!
Auch eine weitere ihrer Sorgen hat sich zerstreut: Im Internet hatte sie auch gelesen, dass Erwachsene mit einer unbehandelten Sprue häufiger an Darmkrebs erkranken als Gesunde. Heute weiß sie, dass sich das Risiko innerhalb von fünf bis zehn Jahren angleicht, wenn man sich streng glutenfrei ernährt – und dasmotiviert sie natürlich noch mehr, sich an die Regeln zu halten.
von Kirsten Metternich
Kontakt:
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Fax: (06131) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2012; 61 (9) Seite 82-85
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