Essen und Trinken bei sportlichen Aktivitäten

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© two4 food Bernhard Kölsch
Essen und Trinken bei sportlichen Aktivitäten

Wer regelmäßig Sport treibt, verbessert damit nicht nur seine Blutzuckerwerte – auch andere Gesundheitswerte sowie die Stimmung profitieren.

Zentraler Baustein einer erfolgreichen Diabetestherapie

Sich regen bringt Segen, und besonders für Menschen mit Diabetes ist der Wechsel in ein aktiveres Leben Gold wert. Bewegung, am besten mehrmals pro Woche, gilt heute als zentraler Baustein einer erfolgreichen Diabetestherapie.

Durch die körperliche Aktivität verbessern sich die Blutzuckerwerte. Ebenso steigt der Wert des guten HDL-Cholesterins, was sich positiv auf das Herz-Kreislauf-System auswirkt. Auch ein erhöhter Blutdruck, den sehr viele Menschen mit Typ-2-Diabetes haben, bessert sich.

Auch die Stimmung profitiert

Die Seele profitiert zusätzlich: Verschiedene Studien belegen, dass sportlich aktive Menschen weniger Probleme mit Depressionen und trüber Stimmung haben. Das ist kein Wunder, denn durch Bewegung werden Glückshormone (Endorphine) freigesetzt. Das passiert zwar bis zu einem gewissen Grad auch nach dem Genuss von Schokolade, doch die schlägt mit ihren Kalorien aus Fett und Zucker auf die Hüften. Bewegung hingegen führt langfristig dazu, dass lästige Kilos gesund abgebaut werden.

Dazu kommt: Wer sich regelmäßig bewegt, fühlt sich leichter, ist körperlich belastbarer und schont seine Gelenke. Meist können übergewichtige Typ-2-Diabetiker mit der Zeit auch Medikamente reduzieren. Es sprechen also viele Gründe dafür, künftig etwas bewegter durchs Leben zu gehen.

Sport und Diabetes – was passiert da?

Bei sportlicher Aktivität brauchen die Muskeln mehr Glukose. Bei insulinpflichtigen Diabetikern passiert Folgendes: Durch die verstärkte Muskelarbeit wird Insulin, das kurz zuvor gespritzt wurde, mobilisiert. So steigt die Insulinkonzentration im Blut. Außerdem nimmt die Insulinempfindlichkeit zu, wodurch sich die Aufnahme von Zucker (Glukose) in den Muskel verbessert und die Blutzuckerkonzentration sinkt. Hohe Insulinkonzentrationen sorgen auch dafür, dass die Leber weniger Zucker ans Blut nachliefert, so dass die Gefahr einer Unterzuckerung steigt.

Wirkung auf Blutzuckerwerte wie bei Medikamenten

Sport wirkt praktisch wie zusätzlich eingenommene, blutzuckersenkende Tabletten oder eine Zusatzdosis Insulin. Diabetiker mit normalem Gewicht halten ihre Blutzuckerwerte aufrecht, indem sie vor und bei Bedarf auch während der Aktivität Zusatz- oder Sport-BEs essen. Geeignet sind z. B. Obst, Saftschorlen oder Müsliriegel.

Insulinabhängige Diabetiker können nicht völlig auf ihre Insulindosis verzichten, auch wenn sich ihre Stoffwechsellage zunehmend verbessert. Nur mit einer ausreichenden Menge Insulin kann Glukose aus dem Blut in die Muskelzellen gelangen. Deshalb sollte die Insulindosis, wenn nötig, schrittweise und vorsichtig reduziert werden –natürlich nur in Absprache mit dem Arzt, bei dem Sie wegen Ihres Diabetes in Behandlung sind.

Tipps für Freizeitsportler mit Diabetes
  • Kochen und essen Sie abwechslungsreich und fettbewusst.
  • Wählen Sie Ballaststoffreiches wie Vollkornprodukte, frisches Gemüse, Salat, Obst, Hülsenfrüchte.
  • Konsumieren Sie Zucker nur in kleinen Mengen (max. 10 Prozent der Tageskalorienmenge).
  • Bevorzugen Sie Pflanzenfette wie Oliven- und Rapsöl.
  • Essen Sie die wertvolle Kombination aus pflanzlichem und tierischem Eiweiß wie Kartoffeln oder Nudeln mit Ei oder auch Milch und Getreide.
  • Trinken Sie täglich mindestens anderthalb bis zwei Liter energiefreie Flüssigkeit.
  • Kontrollieren Sie vor dem Training den Blutzucker, und dokumentieren Sie die Werte.
  • Reduzieren Sie die Insulindosis vor dem Training.
  • Reduzieren Sie eventuell Tabletten, die zu einer Unterzuckerung führen können (Sulfonylharnstoffe und Glinide).
  • Wird der Diabetes mit Insulin, Sulfonylharnstoffen oder Gliniden behandelt, nehmen Sie vor und bei Bedarf bei dem Sport Zusatz-BEs auf, z. B. Obst, Müsliriegel, Saftschorle.
  • Bei akuter Unterzuckerung essen Sie Traubenzucker oder trinken Sie ein gezuckertes Getränk wie normale Cola, Limonade oder Saftgetränke.
  • Kontrollieren und dokumentieren Sie auch nach dem Training regelmäßig den Blutzucker.
  • Falls es nötig ist, essen Sie nach dem Training zusätzliche Kohlenhydrate, um die Glykogenspeicher aufzufüllen.

Nächste Seite: Interview mit dem Ernährungswissenschaftler Dr. Karsten Köhler über richtiges Essen und Trinken bei sportlicher Aktivität.

Interview: Essen und Trinken bei sportlichen Aktivitäten

Dr. Karsten Köhler (s. Abb. 2) ist Diplom-Ernährungswissenschaftler am Institut für Biochemie im Forschungszentrum für Leistungssport an der Deutschen Sporthochschule Köln. Er weiß, worauf es beim Essen und Trinken rund um den Sport ankommt. Diabetes-Journal-Redakteurin Kirsten Metternich hat nachgefragt.

Diabetes Journal (DJ): Herr Dr. Köhler, wie unterscheidet sich eine herkömmliche gesunde Ernährung von der für Freizeitsportler?

Köhler: Im Grunde genommen nicht sehr stark. Jedoch hängt es davon ab, wie aktiv der Einzelne ist. Die wichtigsten Aspekte sind eine dem Bedarf angepasste Energieaufnahme und der erhöhte Umsatz an Kohlenhydraten und Flüssigkeit. Wer zwei- bis dreimal pro Woche eine halbe bis eine Stunde Sport treibt, benötigt nicht mehr als beispielsweise einen Müsliriegel oder eine Banane, um den Blutzuckerspiegel konstant zu halten.

Freizeitsportler brauchen keine zusätzlichen Energieriegel oder andere spezielle Sportprodukte. Die Trinkmenge muss an das angepasst werden, was über Schweiß und Witterungsverhältnisse verlorengeht. Ab einer halben bis Dreiviertelstunde ist es sinnvoll, bei warmem Wetter etwas zum Trinken dabeizuhaben.

DJ: Thema Eiweiß: Ab welchem Sportpensum ist eine höhere Eiweißmenge sinnvoll als die empfohlenen 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht?

Dr. Karsten Köhler: Ausdauersportler benötigen mehr Eiweiß als Menschen, die z. B. Krafttraining machen – was fälschlicherweise oft anders praktiziert wird. Beim Ausdauersport wird auch Eiweiß zur Energiegewinnung herangezogen. Wenn überhaupt, liegt der Bedarf dann bei 1,2 bis maximal 1,7 Gramm Eiweiß je Kilo Körpergewicht. Das ist abhängig von der jeweiligen Trainingsintensität. Menschen mit Diabetes empfehle ich, die Eiweißmenge nicht zu erhöhen, um die Nieren zu schonen. Bei bestehender Nephropathie oder Eiweißausscheidung über den Urin sollte die Eiweißmenge ohnehin reduziert werden.

Generell essen Menschen hierzulande mehr Eiweiß, als die Fachgesellschaften empfehlen. Statt der erwähnten 0,8 Gramm sind es im Schnitt 1,2 bis 1,3 Gramm je Kilo Körpergewicht. Für Untrainierte liegt das deutlich über den Empfehlungen. Es gibt keine wissenschaftliche Studie, die zeigt, dass ein Eiweißpräparat besser für Körper und Muskeln ist, als Eiweiß aus Lebensmitteln zu essen. Deshalb wären beispielsweise ergänzende Eiweißshakes oder -riegel unnötig, nicht nur im Hinblick auf die Nierengesundheit.

DJ: Stimmt es, dass durch eiweißreichere Ernährung Muskeln schneller wachsen?

Köhler: Der wichtigste Reiz ist das Training selbst. Ohne Bewegung wird keiner dauerhaft an Muskeln zulegen. Wer abnehmen möchte, hat es schwerer, Muskelmasse aufzubauen. Durch einen Gewichtsverlust geht nicht nur Fett-, sondern auch ein Teil Muskelmasse verloren. Trotzdem ist das Training hier enorm wichtig.

DJ: Sprechen wir über Ausdauersport. Stimmt es, dass der Körper nach einer halben Stunde Training an seine Fettdepots geht und zuvor Kohlenhydrate verbraucht?

Köhler: Die Fett- und Kohlenhydratverbrennung beginnt ab dem ersten Moment der Bewegung. Ab zirka 20 bis 30 Minuten ist das maximale Level der Fettoxidation erreicht. Es hängt aber immer davon ab, wie hoch die Trainingsintensität ist.

Viel wichtiger ist, sich eine halbe bis eine Stunde zu bewegen. Außerdem sollte nicht außer Acht gelassen werden, was täglich in den Mund wandert. Wer auf seine Kalorien achtet und sportlich aktiv ist, wird sicher Erfolg beim Abnehmen haben. Und hier gilt: Je länger man in Bewegung ist, desto besser.

DJ: Was ist, wenn der Hunger durchs Training steigt?

Köhler: Am besten ist es, auf die körpereigenen Signale zu hören. Wenn sich Hunger meldet, empfehle ich, etwas zu essen – beispielsweise fettarmen Joghurt mit einem Löffel Müsli oder einen Müsliriegel. Wer abnehmen möchte, sollte dabei besonders auf Kalorien achten. Oft hilft es, zunächst etwas Wasser zu trinken oder wasserreiche Lebensmittel zu essen – beispielsweise Salat ohne fettes Dressing, Tomaten, Gurken oder Zucchini und Karotten.

DJ: Was hat es mit dem Nachbrenneffekt auf sich?

Köhler: Durch die Bewegung wird der Stoffwechsel angeregt. Im Vergleich zu dem, was während des Sports verbrannt wird, ist der Nachbrenneffekt aber relativ gering. Es ist also kein Freifahrtschein, nach dem Sport essensmäßig aus dem Vollen zu schöpfen.

DJ: Was halten Sie von Energydrinks zur Leistungssteigerung?

Köhler: Energydrinks sind nicht unbedingt etwas für Breitensportler. Die Kombi aus Kohlenhydraten (Zucker) und Koffein ergibt eine Leistungssteigerung. Bei zuckerfreien Energydrinks ist es lediglich Koffein, das die Leistung fördern kann. Einen ähnlichen Effekt erreicht man auch mit einem Espresso oder Kaffee.

DJ: Welchen Sinn und Zweck haben isotonische Fitnessgetränke?

Köhler: Hier ist die Zahl der gelösten Teilchen identisch mit denen im Blut. Doch damit kann der Laie wenig anfangen. Dabei geht es primär darum, dem Körper Elektrolyte wiederzugeben, die durchs Schwitzen beim Sport verlorengegangen sind. Je nach Schweißverlusten sind diese Getränke erst bei Belastungen ab zwei bis drei Stunden, also bei einem Marathon, einem langen Radrennen oder Triathlon, wirklich notwendig.

DJ: Wie sieht es aus mit “Fitnessgetränken” – sind sie für den Freizeitsportler empfehlenswert?

Köhler: Dafür reicht Mineralwasser, denn hier sind die Salz- und Elektrolytverluste geringer als bei längeren Belastungen. Zudem sind in Isodrinks häufig Kohlenhydrate enthalten. Wer aktiv unterwegs ist, um seiner Gesundheit etwas Gutes zu tun oder abzunehmen, braucht solche Getränke nicht. Falls der Blutzuckerspiegel zu stark absinkt, reicht beispielsweise eine Saftschorle völlig aus.

Wichtig ist, dass Diabetiker, die Insulin spritzen oder Medikamente einnehmen, die eine Unterzuckerung verursachen können, vorsorgen, also z. B. beim Sport Traubenzucker dabeihaben.


von Kirsten Metternich

Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (06131) 9 60 70 0,
Fax: (06131) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2012; 61 (8) Seite 66-69

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